Bombay Bicycle Club – “So Long, See You Tomorrow”

Künstler Bombay Bicycle Club

Inspiriert, mutig und intelligent sind Bombay Bicycle Club auch auf Album #4.
Inspiriert, mutig und intelligent sind Bombay Bicycle Club auch auf Album #4.
Album So Long, See You Tomorrow
Label Caroline
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Mit der Inspiration ist das so eine Sache. Normalerweise macht sie sich rar, und wenn man sie gezielt herbei bitten möchte, dann scheitert man fast immer. Bombay Bicycle Club scheinen damit keinerlei Probleme zu haben. Das Quartett veröffentlicht mit So Long, See You Tomorrow bereits sein viertes Album innerhalb von fünf Jahren. Und die Londoner beweisen damit, dass sie kein bisschen an Kreativität eingebüßt haben.

Was die Quelle davon ist? Mitstreiter kann man ausschließen, denn erstmals hat die Band (in Person von Frontmann Jack Steadman) ein Album selbst produziert. Kummer ist ebenfalls höchst unwahrscheinlich („Aus dem Leide schöpft die Kunst die erhabensten Eingebungen“, hat Michelangelo einmal gesagt), denn der natürliche Gesichtsausdruck bei Steadman und seinen Bandkollegen Jamie MacColl, Suren De Saram und Ed Nash ist nach wie vor das Dauergrinsen. Drogen sind schon ein etwas besserer Tipp, denn vor allem am Beginn ihrer Laufbahn haben Bombay Bicycle Club sie gerne besungen, etwa in Ghosts.

Ein paar deutliche Hinweise auf die wahre Quelle ihrer Inspiration geben Bombay Bicycle Club indes auch selbst. Jack Steadman weist darauf hin, dass viele Lieder von den Eindrücken geprägt sind, die er auf seinen Reisen in Indien, der Türkei und Japan gesammelt hat. Der Albumtitel (So Long, See You Tomorrow ist ein Roman des US-Autors William Maxwell) lässt darauf schließen, dass auch die Literatur dazu beigetragen hat, den künstlerischen Horizont zu erweitern.

Das Ergebnis ist eine höchst gelungene Pop-Platte. Die Vorab-Single Carry Me hatte schon angedeutet, in welche Richtung die Reise geht: Bombay Bicycle Club lassen, ähnlich wie schon auf dem Vorgängeralbum, die Gitarre gerne auch mal in der Ecke stehen und zeigen stattdessen, dass sie wissen, wie elektronische Musik funktioniert. Sie beschränken sich aber nicht darauf, deren Kühle zu zelebrieren oder ihre Funktion als Ekstase-Treibstoff nachzuahmen.

So Long, See You Tomorrow bietet reichlich von solch überraschenden Interpretationen und Einfällen. Der Beat im Auftaktsong Overdone kann sich nicht ganz zwischen HipHop und Hardrock entscheiden, das zentrale Riff dazu wird von Streichern gespielt, am Ende gibt es ein Gitarrensolo, das auch Muse Ehre machen würde. Home By Now kommt leicht und elegant daher, mit einer schüchternen Klavierfigur und einem Backgroundchor irgendwo zwischen ELO und 10 CC. Im euphorischen Luna bezaubert die Gaststimme von Newcomerin Rae Morris.

Feel hat reichlich asiatische Elemente zu bieten, der Bass klingt wie aus einem Computerspiel, der Beat klingt wie aus dem Fitnessraum von Shakira und das Gitarrensolo klingt, als solle man dazu Kasatschok tanzen. Im Rausschmeißer und Titelsong steckt ganz viel Fantasie, Come To lässt Parallelen zu Air erkennen: Ähnlich wie die Franzosen verstehen es Bombay Bicycle Club, eine verträumte Atmosphäre mit geschmackssicheren Samples zu verbinden und dabei einigen Tracks auch noch ein Schlagzeug unterzujubeln, von dem man gar nicht merkt, wie mächtig es klingt.

Eine wichtige Stärke ist natürlich nach wie vor der Gesang von Jack Steadman. Im ausgelassenen It’s Alright Now (das am Ende lustigerweise einen Teil der Melodie von Soul Asylums Runaway Train kopiert) wird das am deutlichsten: Es ist eine Stimme, die strahlt, weil in ihr ganz viel Glaube an das Leben steckt.

Whenever, Wherever beginnt wie eine Klavierballade, wird dann aber (noch ein) entzückender Popsong: tanzbar, intelligent und eingängig. Eyes Off You beginnt wie eine Klavierballade und bleibt dann tatsächlich eine, ganz zart, mit der zweiten Stimme von Lucy Rose und irgendetwas im Hintergrund, das wie ein heraufziehendes Gewitter klingt.

All das trägt dazu bei, dass So Long, See You Tomorrow eine spannende Weiterentwicklung ist, ein sehr kreatives Album und eine sehr runde Sache. „I feel like we’ve found the balance between making it interesting and intelligent, but also not highbrow or elitist”, lautet das Fazit von Jack Steadman, und man kann ihm nur zustimmen. Die Engländer scheinen das flächendeckend ganz ähnlich zu sehen: Nach drei Alben mit Goldstatus haben sie So Long, See You Tomorrow erstmals mit einem Platz 1 in den Albumcharts belohnt. Feine Sache.

Bombay Bicycle Club spielen Eyes Off You live in Amsterdam:

httpv://www.youtube.com/watch?v=RI1iSpG0c0M

Homepage von Bombay Bicycle Club.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.