Hundreds – “Aftermath”

Künstler*in Hundreds

Das Cover ist bedrohlich, die Musik von Hundreds ist diesmal deutlich weniger düster.
Das Cover ist bedrohlich, die Musik von Hundreds ist diesmal deutlich weniger düster.
Album Aftermath
Label Sinnbus
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

“Every sperm is sacred, every sperm is great”, lautet die Botschaft von Monty Python in einer ziemlich bekannten Szene im Film Der Sinn des Lebens. Wenn man diese Weisheit ein bisschen abwandelt und von Tönen statt Spermien spricht, dann passt das wunderbar zu Hundreds: Kein Ton ist hier zu viel, nichts wird verschwendet, jeder Klang wirkt auf exklusivste Weise gewählt und so, als trage er ein heiliges Geheimnis in sich.

Mit diesem Sound haben sich die Hamburger Geschwister Eva und Philipp Milner zu einem veritablen Phänomen entwickelt. Für ihr Debütalbum Hundreds gab es internationale Anerkennung, nach der entsprechend ausgedehnten Tournee dazu hat das Duo dann erst einmal ein halbes Jahr Pause gemacht. Dann haben Eva und Philipp Milner mit der Arbeit an Aftermath begonnen, und zwar bei Null. „Irgendwie hatten wir total vergessen, unterwegs auch mal ein paar neue Sachen zu schreiben“, sagt Eva.

Natürlich ist die Musik von Hundreds auch hier wieder so exquisit, spannungsvoll und schön, dass man eigentlich ein Dichter (nicht bloß ein Journalist) sein müsste, um sie beschreiben zu können. Der Sound ist gewohnt reduziert; beispielsweise im Titelsong meint man manchmal, nur den Gesang von Eva Milner zu hören und ein paar scheinbar zufällig hereingewehte Geräusche. Die Hassliebe der Bruder-Schwester-Beziehung, die in Foam Born sogar explizit thematisiert wird, hat nach wie vor einen großen Reiz. Die Tatsache, dass die beiden wortwörtlich mit einem leeren Notenblatt begannen, sorgte aber auch dafür, dass Aftermath in gewisser Weise ein Neubeginn ist. Es gibt etliche Kontinuitäten, aber auch einen wichtigen Unterschied zum Debüt: Das zweite Hundreds-Album ist heller, heiterer, gelöster.

Circus zum Beispiel zeichnet eine große Leichtigkeit aus, der Song wird, passend zur Zeile „I want to dance to my bones“ sogar tanzbar – auch wenn es ein Engtanz wäre. Die Klaviermelodie in Separate The Sea, einem von zwei Instrumentals auf dieser Platte, lässt an die Dreamhouse-Klänge denken, mit denen Robert Miles (!) vor knapp 20 Jahren seine Hits hatte. Our Past erklärt, wie das Wort „Dido“ den Weg ins Presse-Info zu dieser Platte finden konnte. Auch The Headed Beast macht unmissverständlich klar: Das ist Pop, wenn auch eine sehr zurückhaltende, subtile Variante davon.

Zu den Unterschieden im Vergleich zum Vorgänger gehört auch, dass diesmal mit dem englischen Produzenten David Pye (Egyptian Hip Hop, 2:54, Wild Beasts, I Like Trains) erstmals ein Außenstehender letzte Hand an die Stücke anlegte. Das tut dem Album sehr gut: An Stilsicherheit und Eleganz ist Aftermath kaum zu überbieten. Das komplexe und traumhafte Please Rewind wird mit seiner dichten Atmosphäre live sicherlich erst recht ein Erlebnis sein. Bei Rabbits On The Roof, dem elektronischsten Track der Platte, freut man sich schon auf die Remixes – was nicht heißen soll, dass hier irgendetwas fehlt oder man irgendeine Art von Optimierungsbedarf ausmachen könnte.

Dazu kommen viele kleine, faszinierende Ideen. Wenn sich am Ende von Interplanetary die Stimme erlaubt, Schwäche zu zeigen, dann ist das ein großer Moment. Wie sich der Groove in Beehive entwickelt, der am Beginn des Lieds nach Weltmusik klingt und am Ende nach Depeche Mode, ist meisterhaft. Und der Chor setzt dem herrlichen Schlusspunkt Stones die Krone auf. „Meistens wird ein vermeintlich fertiger Song noch acht- bis zehnmal umgeändert, völlig verworfen, wieder rausgekramt, mit Füßen getreten und in den Arm genommen, mit Gold geschmückt und mit Dreck beworfen. Bis er irgendwann super klingt und heiß aussieht. Dann machen wir ein Fest für ihn und bouncen ihn raus“, erklärt Eva Milner die Arbeitsweise von Hundreds – selten hat sich die Wertschätzung fürs Detail so bezahlt gemacht wie hier.

Schön beschaulich: Das Video zu Circus.

httpv://www.youtube.com/watch?v=U_QrYmw2wjQ

Hundreds sind mit dem neuen Album auf Tour:

22.04.2014 – WUK (A-Wien)

23.04.2014 – Scheune (Dresden)

24.04.2014 – Hafen2 (Offenbach)

26.04.2014 – E-Werk (Erlangen)

27.04.2014 – Papiersaal (Zürich)

29.04.2014 – Lagerhalle (Osnabrück)

30.04.2014 – Schaubühne Lindenfels (Leipzig)

01.05.2014 – Zakk (Düsseldorf)

02.05.2014 – Postbahnhof (Berlin)

05.05.2014 – Schwankhalle (Bremen)

06.05.2014 – Peter Weiss Haus (Rostock)

07.05.2014 – Mojo Club (Hamburg)

08.05.2014 – Faust (Hannover)

Homepage von Hundreds.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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