Hingehört: King Creosote – “Astronaut Meets Appleman”

Künstler King Creosote

Astronaut Meets Appleman King Creosote Kritik Rezension
King Creosote wollte sich auf seinem neuen Album selbst herausfordern.
Album Astronaut Meets Appleman
Label Domino
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Astronaut Meets Appleman, sein gerade erschienenes neues Album als King Creosote, soll das Gefühl zum Ausdruck bringen, man sei zwischen Himmel und Erde gefangen, sagt Kenny Anderson, der Mann hinter dieser Platte. Wie gut dem Schotten das gelingt, beweist schon das erste Lied des Albums, You Just Want. Von Anfang an klingt es nach einem Geheimnis. Was man da zwischen Drone und Rätseln hört, ist schon reichlich spannend. Noch spannender ist aber, was man sich ausmalen kann, zu hören. Die Idee, die Fantasie anzuregen, ist das vielleicht wichtigste Fundament für Astronaut Meets Appleman.

Das gilt auch für den Künstler selbst. “I always feel I’m reaching for something, but I never get there, I wanted to get out of the usual places”, erklärt King Creosote. Was er damit meint, zeigen Songs wie Peter Rabbit Tea, das aus knapp drei Minuten Babysprech von seiner Tochter Louie Wren besteht, vor einer Klangkulisse, die man sich auch bei Röyksopp gut vorstellen könnte. Der Schlusspunkt Rules Of Engagement schleppt sich dahin, wie mit letzter Kraft, aber anscheinend auch mit großer Zufriedenheit.

Alles klingt sehr ursprünglich, was auch am unverkennbar freundlichen Miteinander der Musiker liegt. Catriona McKay (Harfe), Mairearad Green (Dudelsack), Gordon Maclean (Kontrabass), Hannah Fisher (Geige, Gesang), Sorren Maclean (Gitarre, Gesang) und Pete Harvey (Cello) haben King Creosote diesmal begleitet. Wenn sie sich etwas mehr Schmiss erlauben, entstehen Tracks wie Wake Up To This, dessen Sound auch zu Amy Macdonald passen würde. Wenn sie die eigene Harmonie in den Vordergrund stellen, kommt ein Song wie Betelgeuse dabei heraus: Jeder, der sich mal irgendwann in ein Lied von Belle & Sebastian verliebt hatte, wird auch hier feuchte Augen kriegen.

Melin Wynt strahlt große Geborgenheit aus und überrascht mit der Erkenntnis, dass es auch Musik gibt, in der ein Dudelsack nicht aufdringlich klingt. “It’s an anti-wind turbine song, from a place called windmill. There are no windmills there”, erläutert King Creosote den Inhalt, was für die Exegese des Songs eher hinderlich als hilfreich sein dürfte. Surface hat unverkennbar Drive (und wieder diesen Dudelsack), aber auch hierin steckt eine durch nichts zu überwindende Schüchternheit, die das gesamte Album prägt.

„I’m so sorry / I let you down / again“, singt er am Beginn von Faux Call. Mit jedem Wort wird dieses Bekenntnis schmerzhafter; man kann sich zugleich keine Stimme und keine Musik vorstellen, die es glaubwürdiger machen könnte. Zwischen den Zeilen von Love Life steckt die sehr britische Überzeugung, das so etwas wie ein Liebesleben vielleicht doch ein wenig ungebührlich ist, erst recht, wenn Scarlett Johansson darin (vielleicht) eine Rolle spielt.

“I wanted to push myself songwriting-wise. I wanted to try and flip the clock all the way back to sound like a younger me – or a less cynical me. In the past, I’ve been fixated on twisting and wrenching every line, but here I’ve let that go a bit, and I hope that lets you concentrate more on the music; on what’s going on around it”, sagt King Creosote. Es ist ein Rezept, das wunderbar funktioniert. Den wirklichen Schlüssel zur Schönheit von Astronaut Meets Appleman liefern aber nicht seine Zitate, sondern eine Zeile aus Faux Call, deren Weisheit hier aufs Wundervollste befolgt wird: “It’s the silence that somehow says it all.”

Das Love Life von Kenny Anderson scheint sich vor allem an der Theke abzuspielen.

Website von King Creosote.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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