Marijuana Deathsquads – “Oh My Sexy Lord”

Künstler Marijuana Deathsquads

Das Cover sagt: Hö hö hö! Die Musik sagt: Far out!
Das Cover sagt: Hö hö hö! Die Musik sagt: Far out!
Album Oh My Sexy Lord
Label Memphis Industries
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

„Musik in Kombination mit Marihuana kann Gefühle von Euphorie und tiefer Verbundenheit mit Musik und Musikern hervorrufen“, hat der Neurowissenschaftler Daniel J. Levitin von der Universität Montreal wissenschaftlich belegt. „Der Inhaltsstoff Delta-9-THC stimuliert die Lustzentren des Gehirns, während er das Kurzzeitgedächtnis ausschaltet. Dadurch kann der Hörer die Musik ganz unmittelbar, von Augenblick zu Augenblick, von Note zu Note wahrnehmen. (…) Man lebt für jeden Ton, geht völlig im Moment auf.“

Da mag etwas dran sein. Das bedeutet aber auch: Mitunter ist die Musik im nüchternen Zustand nur noch halb so geil, wie man sie bekifft noch fand. Und irgendwann treffen die Lieder womöglich sogar auf Hörer, die nicht von Delta-9-THC benebelt sind. Genau das ist das Problem von Oh My Sexy Lord, dem Debütalbum von Marijuana Deathsquads.

Dass wir es hier mit Kiffermusik zu tun haben, daran kann bei diesem Bandnamen natürlich kein Zweifel bestehen. Ein weiterer verräterischer Hinweis ist der Hang zu schlechten Witzen. Music Rocks Parts I And II, hieß eines der Mixtapes, mit denen Marijuana Deathsquads erstmals auf sich aufmerksam gemacht haben. Auch Oh My Sexy Lord ist ein ziemlich bescheuerter Titel. Noch peinlicher: Auf dem Albumcover beobachten drei alte Männer höchst neugierig einen jungen Kerl, dem – höhöhö – unter seiner rechten Brust eine Vagina gewachsen ist. Das kann man nur unter Drogeneinfluss amüsant finden. Im offiziellen Lebenslauf von Marijuana Deathsquads finden sich zudem noch Verweise auf LSD und verwirrte/verwirrende Sätze wie diese: „Marijuana Deathsquads is a gang first, and a band second. (…) And nobody is ever really in or out of the gang.“

Ein bisschen genauer kann man die Besetzung allerdings durchaus angeben: Ryan Olson (Musik) und Isaac Gale (Gesang) sind der Kern des Projekts, ergänzend dazu kommen ganze Horden von Gästen, die immer mal wieder reinschneien und mitwirken, von Har Mar Superstar über Channy Leaneagh (Sängerin von Polica, mit denen Marijuana Deathsquads demnächst auch auf Tour sind), Justin Vernon (Bon Iver) oder David Yow (Jesus Lizard) bis hin zu Matt Sweeney (Chavez).

Die Musik dazu ist entsprechend disparat. Vieles ist instrumental, einige der elf Tracks sind eigentlich bloß das Vorspiel für das dann folgende Stück. Oh My Sexy Lord hat dabei durchaus seine Momente: 893 entwickelt einen guten Groove, Vibrant Beast klingt genau so, wie der Titel das erwarten lässt, Crosstown Crippler ist spannend und aggressiv. Die Single Ewok Sadness vermittelt einen guten Eindruck davon, wie dieser Sound funktioniert: Der Track beginnt ohne Beat und endet in einem digitalen Klang-Inferno, dazu gibt es die verfremdete Stimme von Isaac Gale, die wie ein fieser Kobold klingt, der seine noch fiesere Miliz zu den Waffen ruft.

Das ist in jedem Fall ein Abenteuer: So kaputt, wirr und kalt wie Goldan stellt man sich die Musik vor, die im Kopf von Charlie Sheen spielt. Stacks, das man in der Nähe von The Prodigy ansiedeln könnte, sei allen ans Herz gelegt, die noch einen Soundtrack für ihren nächsten Horrortrip suchen. Auch in Bad Boy Masterpiece klingt die Stimme wieder, untermalt von Frequenzwirrwarr und Monsterschlagzeug, als wolle sie die ganze Welt im nächsten Moment auffressen.

Allerdings gibt es auf Oh My Sexy Lord nichts, was das Ganze zusammenhält und vor allem nirgends überzeugende Argumente dafür, dass genau diese Form die passende für genau diese Aussage sein soll (und das ist schließlich eine conditio sine qua non, wenn man irgendetwas als Kunst einstufen möchte). Scheme ist nur beliebiges Geräusch, aus einer Ursuppe tauchen ein paar unmotivierte Trommeln auf. Sunglasses And Bail Money erinnert zunächst an das Gesäusel von The Weeknd, bevor es Fahrt aufnimmt, aber keine Richtung findet, Dissolve wabert beinahe unbemerkt vorbei. Nüchtern ist das schwer zu ertragen. Abgefahren? Ja. Gut? Nein.

Ein trauriger Ewok ist eine verdammt tragische Sache, beweist das Video zu Ewok Sadness:

httpv://www.youtube.com/watch?v=PDz9z8H-XUU

Homepage von Marijuana Deathsquads.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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