Hingehört: Morten Harket – “Brother”

Nett, aber überflüssig - so lässt sich "Brother" zusammenfassen.
Nett, aber überflüssig – so lässt sich “Brother” zusammenfassen.
Künstler Morten Harket
Album Brother
Label Starwatch
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

„I feel really strong about Brother”, lässt Morten Harket zum Erscheinen seines sechsten Soloalbums wissen. So etwas muss man wohl sagen, wenn man eine neue Platte herausbringt, auf treue Fans setzen kann (die letzten beiden Werke erreichten in seiner norwegischen Heimat die Spitze der Charts und auch in Deutschland ordentliche Positionen) und eine Pause von diesmal nur zwei Jahren zum Vorgänger betonen möchte. „I might have wanted a good, solid break after my last album Out Of My Hands and all the work. But I didn’t feel like that. I wanted to get started while the engine was still hot, still running.”

Natürlich ist nichts auf dieser Platte „hot“, und es ist auch nichts „really strong“. Brother liefert getragenes Tempo, belanglosen Adult-Pop. In Nuancen sind die Lieder gelegentlich originell, aber niemals ist Morten Harket gewillt, Konventionen zu brechen. Das ist nett und gefällig, aber weit davon entfernt, notwendig zu sein.

Bis auf eine Ausnahme hat der ehemalige A-ha-Sänger alle Lieder gemeinsam mit Landsmann Peter Kvint geschrieben. Die Ausnahme sticht deutlich heraus: First Man To The Grave bildet den Abschluss und könnte mit ein bisschen Fantasie als Psychoblues bezeichnet werden. Für das Lied hat Morten Harket mit Ole Sverre Olsen zusammengearbeitet, der schon auf seinem ersten Soloalbum Wild Seed (1995) einen Song beigesteuert hatte. „We who’ve got so many faces / we’ve only got one heart“, lautet die zentrale Zeile.

Diese Aussagen will der 54-Jährige auch mit den anderen Liedern rüberbringen. “Brother is about love, humanity, the differences between us. The central fact in life is that we are all different, have so many faces, yet we only have one heart. It’s about respect, understanding that only we can choose who we want to be”, sagt er.

Gemeinsam mit Peter Kvint („I’ve never had a songwriting relationship which is so free”, schwärmt Harket von seinem Kompagnon, “it’s all about silencing yourself, about not being a hindrance to what can happen. Peter is very sensitive to that same thing.”) sucht er die passenden Formen dafür. Beim Titelsong am Beginn des Albums überrascht in der Strophe seine tiefe Stimme, Do You Remember Me? setzt auf sommerliche Atmosphäre, Whispering Heart hat eine gekonnte Grandezza.

There Is A Place zeigt, was für ein guter Sänger Harket ist, Can’t Answer This hat eine mehr als solide Melodie. Safe With Me kommt mit einem synthetischen Beat straight from 1983 daher, in Oh What A Night kommt Musical-Flair auf, End Of The Line wird sogar dezent rockig.

Brother bleibt weitgehend frei von handwerklichen Peinlichkeiten, doch das Scheitern dieser Platte liegt in einem anderen Punkt. Immer wieder betont Morten Harket die Chancen der Jugend, die Wichtigkeit der Individualität, den Zusammenhalt über alle Widrigkeiten hinweg. „I see a new beginning“, singt er im von ihm selbst als Schlüsselsong bezeichneten Whispering Heart. “Difference is divine”, heißt es in Brother, „We are different, we are one“, beschwört sein Falsett in There Is A Place. Und trotzdem liefert diese Musik kein bisschen Mut und Persönlichkeit, sondern stromlinienförmigen Baukastenpop mit banalen bis dümmlichen Texten.

Das ist die Tragik von Brother: Auch ein Vierteljahrhundert nach dem Versuch, mit Crying In The Rain den Ausbruch aus dem Bubblegum-Lager zu schaffen, hat Morten Harket immer noch nicht gemerkt, dass er einfach nur ein hübsches Gesicht mit einer hübschen Stimme ist – und kein Künstler.

Morten Harket als Seerose – im Video zu Brother.

httpv://www.youtube.com/watch?v=5KXsPIQ3qiU

Homepage von Morten Harket.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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