Olli Schulz – “Feelings aus der Asche”

Künstler Olli Schulz

Als Musiker hat Olli Schulz Keine Witze, aber Humor zwischen den Zeilen.
Als Musiker hat Olli Schulz Keine Witze, aber Humor zwischen den Zeilen.
Album Feelings aus der Asche
Label Trocadero
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Nach seinen Auftritten bei Circus HalliGalli und Schulz In The Box ist Olli Schulz mittlerweile ja eher als Fernsehkasper bekannt. Dabei ist der Mann natürlich Musiker. Vor elf Jahren brachte er seine erste Platte heraus, das gerade erschienene Feelings aus der Asche ist schon sein sechstes Album. Es gibt darauf keine Blödeleien, keine akustischen Mutproben und keinen Rollentausch für einen Tag. Was es allerdings gibt, ist Humor – als eine Methode, die Welt zu meistern.

Um Feelings aus der Asche zu verstehen, hilft trotz der zahlreichen Musiker-Meriten eine Episode aus dem TV-Schaffen von Olli Schulz am besten. Es gibt eine Folge namens Buddy Tag & Nacht, in der er gemeinsam mit Joko und Klaas beschließt, noch einmal Kind zu sein. Einen Abend lang benehmen sie sich wie Achtjährige, tragen hässliche Pyjamas, wollen Blutsbrüderschaft schließen, bauen Höhlen aus Bettdecken und rufen heimlich bei einer Sex-Hotline an. Und während Joko und Klaas sich im Verlauf dieses Abends zusehends unwohler fühlen, merkt man, dass Olli Schulz hier einen Traum lebt. Er ist ein ewiges Kind. Genau das macht auch seine Performances als Entertainer im Fernsehen aus: Er ist unbeholfen, frech, spontan – und dahinter steht immer die kindliche, neugierige, naive Frage „Warum soll man das eigentlich nicht dürfen?“

Diesen Peter-Pan-Charakter merkt man auch seinem neuen Album immer wieder an. Feelings aus der Asche könnte eine Trennungsplatte sein, der Titelsong als letztes Stück des Albums beschreibt beispielsweise, wie sich das Ende einer Beziehung anfühlt, wenn sich die erste Wut gelegt hat – schmerzhaft ehrlich und ehrlich schmerzhaft. Ganz am Schluss singt Kat Frankie ein paar Zeilen auf Englisch, dann gibt es ein ganz, ganz langes Fade Out. Auch das alkutische Mann im Regen ist verloren, melancholisch und erstaunlich reif. „Manchmal fehlt mir die Begabung, durch diese Welt zu gehen“, singt Olli Schulz darin, auch wegen des kraftvollen Finales mit ordentlich Theaterdonner könnte man sich das auch von Kid Kopphausen vorstellen.

Noch viel stärker als Liebeskummer prägt aber die Sehnsucht nach der Kindheit als Leitmotiv diese Platte. „Ich möchte kostenloses Popcorn für jedes Kind in dieser Stadt“, singt Schulz im beinahe karibischen und extrem gutgelaunten Auftakt So muss es beginnen. „Meine Haare sind grau“, weiß er, „meine Helden sind alt“, trotzdem ist da eine große Lust darauf, das Leben zu entdecken. Beinahe als Kinderlied könnte man Dschungel durchgehen lassen (das über das Nachtleben im Tierreich fantasiert), wenn es nicht so düster polternd wäre. Die ebenso schwungvolle wie elegante Single Phase könnte auch ein Mädchen weit vor Erreichen der Volljährigkeit (jedenfalls mental) beschreiben: „Sie ist gerade in so ’ner Phase, wo sich alles um sie dreht / Sie ist gerade in so ’ner Phase, wo sie kaum einer versteht.“

„Ich blick durch die Augen eines Kindes, das die Welt nicht mehr begreift“, lautet eine Zeile in Das kann hässlich werden, das mit Computerbeat und Gastauftritt von Thees Uhlmann die beiden wichtigsten Themen von Feelings aus der Asche zusammenführt. Es geht um eine Liebe, die noch nicht tot ist, aber schlimm vermodert. Um das Bewusstsein, den Hauch ihres Todes schon jetzt schmecken zu können und die Frage, ob es lohnt, diese Erkenntnis zu verdrängen. Und um die Verwunderung darüber, dass das Erwachsensein so schwierig ist.

Wenn das jetzt sehr ernsthaft klingt, dann wird das durch die Musik unterstrichen. Feelings aus der Asche hat nichts Amateurhaftes, Unfertiges. Das von Moses Schneider (Tocotronic, Beatsteaks) produzierte und in den Berliner Hansa Studios aufgenommene Album ist hochgradig souverän und erweckt nie den Eindruck, hier würde nur ein talentierter Enthusiast seinem Nebenjob nachgehen. Boogiemann ist zwar kein Volltreffer (vor allem im Refrain misslingt die offensichtlich angestrebte Bedrohlichkeit) und Passt schon! ist seltsam unentschlossen (was man bei diesem Titel natürlich für ein Stilmittel halten kann), irgendwie funky, irgendwie Sprechgesang, irgendwo zwischen Selbstzweifel und Arroganz pendelnd.

Der Rest ist makellos. Gloria (die Band von Klaas Heufer-Umlauf), die Hansen Band oder Kettcar sind passende Bezugspunkte, nicht nur mit Blick auf den Sound, sondern auch bezüglich der Qualität der Songs. Kinder der Sonne ist das beste Beispiel für den wunderbar wehmütigen Effekt, den die zweite Stimme von Gisbert zu Knyphausen (der für dieses Album auch den Bass spielt) immer wieder hervorruft. Das wundervolle Als Musik noch richtig groß war hat ebenfalls enorme Klasse, es ist so etwas wie die geschmackvolle Version von Adel Tawils Lieder. „Ich war ein Kind ohne Halt“, ist die Ausgangssituation, dann singt Olli Schulz über die magische Kraft des Pop, über das Alter, in dem Musik das Leben nicht nur begleitet, sondern steuert, beflügelt und überhaupt erst erträglich macht. Das ist im genau richtigen Maße nostalgisch und hymnisch, gekrönt von der Erkenntnis: „Ich bin und bleib ein Junge.“

Olli Schulz erklärt Feelings aus der Asche.

https://www.youtube.com/watch?v=C8jiDpk2sTI

Olli Schulz geht im März auf Tour.

17.03.2015 Hamburg | Große Freiheit

18.03.2015 Hamburg | Große Freiheit

19.03.2015 Hannover | Pavillon

20.03.2015 Leipzig | Haus Auensee

21.03.2015 Wien | Wuk

23.03.2015 München | Muffathalle

24.03.2015 Zürich | Plaza

25.03.2015 Frankfurt | Batschkapp

26.03.2015 Stuttgart | LKA Longhorn

27.03.2015 Saarbrücken | Garage

28.03.2015 Münster | Skaters Palace

30.03.2015 Köln | Live Music Hall

31.03.2015 Bremen | Moderndes

01.04.2015 Berlin | Tempodrom

Homepage von Olli Schulz.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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