Hingehört: Tokyo Police Club – “Forcefield”

Clever und mit hohem Spaßfaktor: "Forcefield" bietet feinsten Powerpop.
Clever und mit hohem Spaßfaktor: “Forcefield” bietet feinsten Powerpop.
Künstler Tokyo Police Club
Album Forcefield
Label Memphis Industries
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Reichlich viel Zeit haben sich Tokyo Police Club für Forcefield gelassen. Vier Jahre sind eine verdammt lange Zeit im Musikgeschäft. Erst recht, wenn man zuletzt ein Werk vorgelegt hatte (Champ im Jahr 2010), das ausgiebig gelobt wurde und der Band quasi ein wunderhübsches Sprungbrett gebaut hatte. “Rarely has crafting such high-velocity guitar pop seemed so easy”, hatte damals beispielsweise der Rolling Stone geschrieben.

Doch David Monks, Frontmann des Quartetts aus Kanada, hatte keine Lust, sich danach im Eilverfahren in die nächsthöhere Sphäre katapultieren zu lassen. Nach drei Alben in drei Jahren nahmen sich Tokyo Police Club für ihre vierte Platte bewusst etwas mehr Zeit und gönnten sich bei der Arbeit mit Produzent Doug Boehm (Dr. Dog, Girls) eine Perspektive, aus der man mit etwas Abstand auf das Treiben der Indie-Welt schauen konnte. “Since writing started for Forcefield in mid-2011 there have been so many trends and every kind of ‘wave.’ We saw them all come and disappear or change into something broader. It left us wanting to make something that would last”, erklärt der Sänger. “We ended up rediscovering energy and guitars and simple, direct songs.”

Dieser Ansatz ist unverkennbar: Forcefield bezieht seinen Glanz nicht aus besonderer Power, unwiderstehlichen Melodien oder gar provokanten Effekten, sondern einfach aus der Klasse der Kompositionen. Das Album ist höchst eingängig, lässt Raum für Spontaneität und beweist zugleich ehrfurchtgebietende Meisterschaft. Schon nach dem ersten Durchlauf ist klar: Es gibt wenige Bands, die einen Anspruch an intelligente, innovative Popmusik mit einem so hohen Spaßfaktor zu kombinieren vermögen wie Tokyo Police Club.

Der beste Beleg dafür und zugleich der Schlüsselmoment des Albums steht gleich am Beginn: Argentina (Parts I, II, III) besteht aus drei höchst unterschiedlichen Teilen, währt insgesamt achteinhalb Minuten und könnte somit nicht lauter herausschreien: „Seht her! Ambition! Wir sind gereift!“ Zugleich kommt das Lied aber jugendlich daher wie Ash oder Supergrass in ihren besten Zeiten. Es gibt Optimismus, Unschuld, ein bisschen Teenage Angst und dazu die Gewissheit, dass da noch ganz viel Abenteuer bevorstehen wird im Leben.

Hot Tonight ist ebenso ausgelassen und fest entschlossen, Spaß zu haben. Gonna Be Ready beweist mit wild lärmendem Beginn, ruhiger Strophe und hymnischem Refrain, dass Tokyo Police Club mühelos von verspielt zu brachial wechseln können. Feel The Effect entpuppt sich am Ende von Forcefield als hoch kreative Beinahe-Ballade. Das sehr clevere Toy Guns hat keine Angst vor Bubblegum und macht sofort nachvollziehbar, dass die Kanadier unter anderem schon als Vorgruppe von Weezer und Phoenix im Einsatz waren. Through The Wire illustriert die große Bandbreite an Sounds, die hier zum Einsatz kommt, und den Mut, auch mal auf die nicht ganz nahe liegenden Zutaten zu setzen.

Beat und Bass in Tunnel Vision sind heavy im Stile der Red Hot Chili Peppers, doch bei Tokyo Police Club gibt es dazu gewagte Synthie-Flächen und einen zuckersüßen Refrain. Miserable ist, trotz des Titels, noch ein Kracher, mit tollem Beat und der Zeile „I wanna travel to the future / again“, die nicht wie ein grammatikalisch und physikalisch gewagter Wunschtraum wirkt, sondern wie eine Forderung, die mit der höchsten Autorität des juvenilen Sturm und Drang untermauert ist. Das Ergebnis wird unwiderstehlich – gerade, weil es nicht offensiv mitreißen will, sondern sich bereits selbst genügt.

„There was certainly a lot of pressure to take the music somewhere new and there were lots of opinions about how to do that, but in the end we blocked all that out and followed our instincts”, sagt David Monks über das neue Album seiner Band. Das war eine sehr gute Entscheidung: Tokyo Police Club machen hier Powerpop in seiner besten Ausprägung: elegant, gekonnt und gewitzt, aber nicht aalglatt oder kalkuliert.

Kreativ und ambitioniert – das gilt auch fürs Video zu Argentina:

httpv://www.youtube.com/watch?v=4MG6rKuCfyo

Tokyo Police Club bei Tumblr.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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