Toni Kater – “Eigentum”

Künstler*in Toni Kater

Toni Kater versteckt auf "Eigentum" leider ihre Stärken.
Toni Kater versteckt auf “Eigentum” leider ihre Stärken.
Album Eigentum
Label pop-out Musik
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Man tut Toni Kater sicher nicht Unrecht, wenn man behauptet: Bei ihr geht es in erster Linie um Poesie. Die Wahl-Berlinerin hat Germanistik studiert und zwei Bücher mit Fabeln veröffentlicht. Dem Vorab-Paket, das mit ihrer neuen Platte Eigentum an die Presse ging, liegen neben dem üblichen Cover und Lebenslauf (und einem von Ferran Casanova geschossenen Nacktfoto) auch ein paar Seiten mit den Texten der zwölf Lieder bei. Auch auf ihrem vierten Studioalbum (ihr Debüt war noch auf dem Label von 2raumwohnung erschienen, jetzt ist sie bei der Plattenfirma von Rosenstolzs Peter Plate zuhause) sind es vor allem die Worte, die besonders sind.

Die Musik dazu ist schön, wieder wurde Toni Kater dabei von Karen Bolage (Bass, Gitarre, Klavier) unterstützt. Manchmal gibt es fast nur das Picking einer akustischen Gitarre (Fräulein Jesus ist niedlich und hat kein Problem damit), mal ertönen Bläser (Goliath handelt von der Vergänglichkeit und der Unerbittlichkeit der Zeit, die sich mit noch so viel Kraft nicht aufhalten lässt), mal ist eine nicht näher benannte Männerstimme zu hören (Normal), mal werden dezente TripHop-Elemente integriert (Volle Fahrt), mal beschränkt sich Toni Kater auf Gesang und Klavier (Sicher). Gelegentlich gibt es auch etwas Elektronik wie in Heuschrecken, das die besagten Insekten als biblische Plage besingt, aber wohl auch die Finanzinvestoren mitmeint.

Das Problem dabei ist, dass diese Musik die Texte nicht unterstreicht oder gar beflügelt, sondern ihnen manchmal sogar im Weg steht. Alles auf Eigentum ist so zart und wohlklingend und einlullend, dass man sich anstrengen muss, nicht nur etwas zu hören, sondern tatsächlich hinzuhören. Kalte Augen ist so ein Fall. Es gibt viele ausdrucksstarke Metaphern, die aber die Tendenz haben, bloß wie Worthülsen zu wirken. Auch die Single Anders betrunken ist ein Lied wie ein Streicheln, ein Hauch – und beinahe kann man dabei vergessen, den durchaus brauchbaren Text wahrzunehmen, selbst wenn man sich ermahnt, darauf zu achten.

Das ist nicht nur deshalb schade, weil die Lyrik von Toni Kater meist wert ist, wahrgenommen zu werden. Sondern auch deshalb, weil sie sich auf Eigentum an große Themen heranwagt. In India stellt sie fest, dass Religion eine fragwürdige Sache ist, wenn Menschen im Namen dieser Religion die seltsamsten Gebote erfinden oder andere ausgrenzen. „Was für ein Gott soll sich so was ausdenken? / erfindet bitte einen anderen!“, singt sie – aber selbst diese Anklage entwickelt trotz schwerer Trommeln und einer harten E-Gitarre kein bisschen der nötigen Aggressivität. Panzer wird eine Fabel über Waffenexporte, in der ein kleines Gesangsarrangement zwischendurch sogar das Ziel andeutet (nämlich Saudi-Arabien, und damit auch den Absender, nämlich Deutschland). N.Y. ist tot (Eigentum) beklagt die Folgen der Gentrifizierung, wird allerdings textlich als auch musikalisch überambitioniert.

Das beste Lied ist bezeichnenderweise das, bei dem Inhalt und Form am besten zusammenpassen. Toni Kater wandelt in Möglich im Traum ganz und gar in der Fantasie, mit der These „Im Traum ist alles möglich“ und einer wunderbar adäquaten Instrumentierung, nämlich einem uralten Synthesizer und ihrer Säuselstimme. Der Rest von Eigentum ist nett, bietet einige gute Einfälle und zeigt, dass ein paar Halbtöne unter Annett Louisan noch reichlich Platz ist im deutschen Softpop-Universum. Letztlich wird diese Musik aber immer wieder ausgebremst von ihrer eigenen Beiläufigkeit.

Anders betrunken schafft man es bestimmt nicht mehr, diese Frisur zu stylen.

Homepage von Toni Kater.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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