Hingehört: Arrested Development – “Among The Trees”

Arrested Development scheinen der Anti-HipHop zu sein, haben das Genre aber trotzdem geprägt.
Künstler Arrested Development
Album Among The Trees
Label Edel
Erscheinungsjahr 2004
Bewertung ****

Wenn man im Lexikon unter “HipHop” nachschlägt, wird man dort sicherlich etwas finden von Urbanität, Samples und Gangsta. Vielleicht noch ein paar mehr Schlagworte: Einzelkämpfer, Selbstdarsteller, frauenfeindlich, aggressiv.

Arrested Development sind das genaue Gegenteil von all dem: Sie leben nicht in der Großstadt, benutzen kaum Samples, sind rechtschaffen, politisch korrekt, demütig, entspannt und ein zwei Dutzend Leute (und reichlich gleichberechtigte Frauen) umfassendes Kollektiv.

Trotzdem gelten Arrested Development als stilprägende HipHop-Band, und warum das so ist, machen sie auf “Among The Trees” deutlich, dem ersten Studiowerk seit zehn Jahren. Denn mit der selben Herangehensweise wie einst De La Soul und heutzutage Outkast (nämlich: auf die Regeln des Lexikon-HipHop zu pfeifen) eröffneten sie dem Genre neue Perspektiven. Arrested Development rappten plötzlich über Afrika, Umweltschutz und Landleben. Und sind damit immer noch ziemlich einzigartig.

A Lotta Things To Do bezieht seinen Groove nicht aus Monsterbeats, sondern aus einem filigranen Bongo-Rhythmus, dazu gibt es einen verführerischen Refrain. Esmeralda ist ein Instant-Clubhit, samt funky Gitarren und einer Ahnung von Spanien irgendwo am Horizont. Luxury schwört natürlich dem Luxus von Kreditkarten und Leibwächtern ab und schätzt stattdessen die Annehmlichkeiten einer, sagen wir mal, Hängematte. Stress ist hier ein Fremdwort, die kleinen Freuden und The Things Distracting werden sogar als Sinn des Lebens gewürdigt.

Anderswo wird das Landleben gepriesen, natürlich nicht ohne Öko-Aufruf (In The Sun, Among The Trees). Das alles mag nach unerträglicher Gutmenschelei klingen, wenn dann aber auch noch dem Alter der ihm gebührende Respekt entgegen gebracht wird, und zwar in so unwiderstehlicher Form wie Baba O Je Is The Oldest One, dann nimmt man das gerne hin. Ähnlich relaxt geht es in Wag Your Tail zu, Speech veredelt das Stück mit seinem noch immer unerreicht sachtem Flow.

“When I say true, you say love”, heißt es am Ende von Honeymoon Day, die Crowd steigt sofort auf das Call-and-Response-Spiel ein, und das ist eine herrlich augenzwinkernde Persiflage auf das sonst im HipHop übliche Macho-Gehabe – und damit typisch für Arrested Develoment. Noch ein Tip für alle, die sie nun trotzdem im Lexikon finden wollen: Am besten mal unter “Hippie Hop” suchen.

Eine Live-Version des Honeymoon Song:

httpv://www.youtube.com/watch?v=1wXXAXVauvA

Arrested Development bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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