Hingehört: Ash – “Twilight Of The Innocents”

Auch ohne Charlotte liefern Ash wieder grandiosen Powerpop.
Künstler Ash
Album Twilight Of The Innocents
Label Infectious
Erscheinungsjahr 2007
Bewertung ****

Wenn der Lehrer dem Klassenzimmer den Rücken kehrt, flippen die Schüler aus. Wenn der Trainer kurz mal nicht hinguckt, macht kein Mensch mehr die albernen Aufwärmübungen. Und wenn Angela Merkel die Kabinettsrunde verlässt, atmet der eine oder andere Minister sicherlich hörbar auf.

Bei Ash ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Die bezaubernde Charlotte Hatherley hat die Band verlassen – doch wer erwartet hätte, dass die drei Jungs, die nun wieder unter sich sind, in der Folge kräftig auf die Pauke hauen, der sieht sich getäuscht. Stattdessen liefern die Nordiren auf ihrem fünften Album Twilight Of The Innocents wieder das, wofür man sie schätzt: famosen Powerpop, der die Härte von Thin Lizzy mit der Raffinesse von Abba unter einen Hut bringt.

Der einzige Unterschied zu früher: Ash sind plötzlich entspannt geworden. Vielleicht muss Bandleader Tim Wheeler – jetzt, wo das Mädchen weg ist – niemandem mehr etwas beweisen. Deshalb gibt es keine DJ-Einlagen mehr wie auf Nu-Clear Sounds, keine Schau-Mal-Wie-Hart-Ich-Rocken-Kann-Passagen wie auf dem Vorgänger Meltdown und keine todsicheren Hits wie auf dem grandiosen Free All Angels.

Erstmals im eigenen Studio und ohne Produzent besinnt sich das Trio bei diesem Album auf seine Stärken. “Auf diese Weise konnten wir es uns erlauben, mehr Risiken einzugehen und mehr zu experimentieren. Deshalb klingt das Album jetzt genau so, wie wir es haben wollten”, sagt Drummer Rick McMurray. Das bedeutet: ebenso frisch wie souverän.

Blacklisted ist eines der Lieder, bei denen man sich fragt, wie man bisher überhaupt ohne sie leben konnte. I Started A Fire und You Can’t Have It All sind euphorisierend und mitreißend, End Of The World und Shadows haben diese großen kleinen Melodien, wie sie außer Wheeler nicht sehr viele Songwriter hinbekommen. Für den Gitarrensound im Intro von Ritual hätten Duran Duran wohl ihren Schminktisch hergegeben, der grandiose Titelsong lehrt Muse, wie man gekonnte Theatralik mit unbändigem Optimismus verbinden kann.

Der Höhepunkt ist jedoch Polaris. Um ein paar Piano-Töne herum gebaut, wird das Lied immer schöner, himmlischer, erhebender. Es gibt nicht viele Bands, die nach fünf Alben noch so viel Schwung und so gute Ideen haben.

Wenn man sieht, wie gut Blacklisted schon beim Soundcheck klingt, bekommt man einen Eindruck vom Talent dieser Band:

httpv://www.youtube.com/watch?v=hHrQj-P9Juw

Ash bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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