Hingehört: Cats On Fire – “All Blackshirts To Me”

Cats On Fire fügen auf "All Blackshirts To Me" problemlos Eurokrise und Liebeskummer zusammen.
Cats On Fire fügen auf “All Blackshirts To Me” problemlos Eurokrise und Liebeskummer zusammen.
Künstler Cats On Fire
Album All Blackshirts To Me
Label Cargo Records
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung ***1/2

Das hat man dann davon. Finnland, seit 2003 Seriensieger in der Pisa-Studie, hat die wohl schlausten jungen Leute der Welt. Und wie das so ist bei schlauen jungen Leuten: Sie fangen an nachzudenken. Sie werden überkritisch, und plötzlich kommen sie auf die wildesten Ideen. Womöglich stellen sie plötzlich sogar alles infrage.

So ist es jetzt auch bei Cats On Fire gekommen. Auf All Blackshirts To Me, ihrem dritten Album, werden sie unverhohlen politisch, frech, revolutionär. Smash It To Pieces etwa besingt die Rache des Steuerzahlers. Eine sinnlose, goldene, sündhaft teure Statue soll da zerstört werden, und man kann sie gut als Metapher für Rettungsschirme, Milliardenbürgschaften und Banken-Subventionen verstehen. Zu einem aufstachelnden Beat wird da ein fröhliches Liedchen angestimmt, das aber selbst durch das Pfeifen am Ende keine Spur von Harmlosigkeit bekommt. „They will never steal from us again“, heißt die stolze letzte Zeile – da steckt nicht nur eine Prise Occupy darin.

In 1914 And Beyond wird es noch ein bisschen grundsätzlicher. „The age of false kings will come to an end / this wicked system won’t survive this generation“, heißt die Prophezeiung. Mit einer Mischung aus Frust, Fatalismus und unerschütterliche Zuversicht in so etwas wie die Gerechtigkeit der Geschichte singt Frontmann Mattias Björkas darin, nur von einem Klavier begleitet, über die große europäische Krise, und es könnte fast ein Stück aus der Dreigroschenoper sein.

Freilich sind Cats On Fire nicht plötzlich zum Agit-Pop übergewechselt. Es gibt auf All Blackshirts To Me weiter sehr feine Indie-Songs voller Weltschmerz und Romantik, meist akustisch. Immer wieder sind selbst die Gitarrenmelodien so schön, dass man sie mitsingen möchte, permanent extrapoliert Mattias Björkas jede Zeile, die er singt, und lässt seine Texte damit mindestens so bedeutungsvoll klingen wie die Lyrik von Morrissey.

Es gibt bei Cats On Fire aber auch ein paar Neuigkeiten, auch jenseits der politischen Appelle. Mit Iiris Viljanen (Klavier, Gesang) und Yrjö Ylijoki (Schlagzeug) hat die Band zwei neue Mitglieder. Erstmals gibt es auf All Blackshirts To Me auch Synthies zu hören, und insgesamt ist der Klang des Albums etwas voller, vielfältiger als bei den Vorgängern The Province Complains (2007) und Our Temperance Movement (2009), was auch ihrer Live-Show zugute kommen dürfte.

Die Single My Sense of Pride ist ein gutes Beispiel dafür. Das Schlagzeug ist ausgelassen, die Gitarre von Ville Hopponen perlt und Kenneth Höglund sorgt am Bass für ein bisschen Polka-Feeling und reichlich Fifties-Atmosphäre. Auch A Different Light kommt danach fast wuchtig daher.

Das ist eine sehr willkommene neue Facette, denn sie lässt die zarten Momente von Cats On Fire noch ein bisschen besonderer wirken. Our Old Centre Back zählt dazu, fast übermäßig höflich für einen Opener, der zudem auch noch ein Hohelied auf einen Fußball-Verteidiger wird, There Goes The Alarm mit seiner Spontaneität und Belle & Sebastian-Zärtlichkeit, und auch It’s Clear Your Former Lover, das als Exegese einer Beziehung, die von einem Geist aus der Vergangenheit überschattet wird, auch sehr gut von Simon & Garfunkel stammen könnte.

Auch der Hintergrundgesang von Iiris Viljanen sorgt wiederholt für Höhepunkte. Das höchst elegante The Sea Within You hat auch dank ihres Beitrags den schönsten Refrain der Platte. Sie bringt auch ein bisschen Sonne in den Liebeskummer von Well Well What Do You Know.

Dazwischen entwickelt After The Fact eine herrliche Eighties-Szenerie im Stile von OMD, und ganz am Schluss strahlt und glänzt A Few Empty Waves mit einem herrlichen Refrain, tollem Zusammenspiel der Band und so viel Stil, dass man dieses wundersame Seefahrerlied am liebsten niemals in einer Hafenkneipe, sondern immer nur in einem todschicken Salon hören würde.

Vielleicht haben Cats On Fire mit All Black Shirts To Me tatsächlich ein sehr finnisches Album gemacht: ein bisschen schüchtern, ein bisschen wehmütig, sehr schön – und sehr schlau.

Der Albumtrailer zu All Blackshirts To Me:

httpv://www.youtube.com/watch?v=T7XcraCdvXA

Cats On Fire bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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