Hingehört: Colt Silvers – “Red Panda”

"Red Panda" zielt gleichermaßen auf Hirn und Bauch - und trifft meist.
“Red Panda” zielt gleichermaßen auf Hirn und Bauch – und trifft meist.
Künstler Colt Silvers
Album Red Panda
Label Deaf Rock
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung  

Eine Posaune. Ein Xylophon. Eine verfremdete Flöte. Ein Digitalwecker, der sich gerade ins Weltall verabschiedet. Eine Spieluhr in einer Tropfsteinhöhle. Das sind die Instrumente, die man ganz am Anfang der Tracks 1, 2, 3, 11 und 12 auf diesem Album hört (oder zu hören meint). Schon beim flüchtigen Skippen dürfte also klar werden: Colt Silvers haben sicher nichts dagegen, demnächst als Indie-Helden zu gelten. Doch mit dem alten Rezept von drei Akkorden und 4/4-Takt haben sie nichts am Hut. Es darf gerne ein bisschen komplexer sein. Als die französische Antwort auf Foals und Alt-J hat sie das Online-Kulturportal Les InRocks nicht ganz unzutreffend klassifiziert.

Auch Klaxons sind ein wichtiger Bezugspunkt, Low 500 klingen wiederholt an und ganz oft klingt die Band auf ihrem zweiten Album wie Bloc Party, wenn die noch ein wenig nach ihrem Weg suchen würden. Red Panda liefert über weite Strecken eine reizvolle Melange aus Rock und Elektronik.

Der Opener Season Of Silence beginnt mit der schon erwähnten Posaune. Sie klingt, als würde sie ganz am Ende einer Schlacht erklingen, zur Trauer um die Gefallenen, bevor nach 30 Sekunden eine Bassdrum das Album erst richtig in Gang setzt. Ab da wird Season Of Silence angenehm eingängig und entschlossen, scheint seinem eigenen Optimismus aber nicht so richtig über den Weg zu trauen.

Die feine Single As We Walk dürfte Fans von Digitalism gefallen, Hide And Seek strahlt danach eine beinahe militärische Kraft aus. Summer And Fall baut auf ein mächtiges Gitarrenriff und einen Refrain, der so plakativ ist, dass er auch zu einer Boyband passen würde. Above The Ocean hat ebenfalls den Mut (und den Willen) zu maximaler Größe, sodass man unweigerlich an Hurts denken muss.

Colt Silvers verstehen sich aber durchaus auch auf subtilere Methoden. Vieles auf Red Panda klingt genau kalkuliert und dennoch spinnert. Youth hat einen schwer zu fassenden Sound und findet damit genau das richtige Klanggewand für die ständig wiederholte Zeile „This is the place I picture in my dreams.“ Anywhere We Go verzichtet ebenso wie der Rausschmeißer Stories auf Greifbares und Eingängiges und setzt stattdessen auf eine ganz besondere Atmosphäre.

Freilich ist nicht alles an Red Panda perfekt: Ein paar Liedern fehlt es an Substanz, das Album ist insgesamt ein Stück zu lang und der Gesang ist auch nicht gerade mein Fall: Die meisten Stücke funktionieren trotz dieser Stimme, nicht wegen ihr.

Dennoch gibt es hier reichlich, was erfreulich ist. Lieder wie Zugzwang oder Sometimes zielen ebenso sehr aufs Hirn wie auf den Bauch – und treffen beides. Red Panda ist definitiv eine Entdeckung wert, auch wenn man sich am Ende dann womöglich wundern muss, ob es Colt Silvers da tatsächlich gerade geschafft haben, Progrock clubtauglich zu spielen.

Im Verstecken scheinen Colt Silvers ziemliche Nieten zu sein, lässt das Video zu Hide And Seek vermuten:

httpv://www.youtube.com/watch?v=SXW-zagYwFI

Ende April sind Colt Silvers live in Deutschland zu sehen:

25.04.2013 Freiburg − Schmitz Katze

27.04.2013 Stuttgart − Zwölfzehn

28.04.2013 Düsseldorf − The Tube

29.04.2013 Berlin − So36

04.05.2013 Greifswald − Mensaclub

Colt Silvers bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.