Disco Ensemble – “Warriors”

Künstler Disco Ensemble

Das Können von Veteranen trifft auf "Warriors" auf die Leidenschaft von Frischlingen.
Das Können von Veteranen trifft auf “Warriors” auf die Leidenschaft von Frischlingen.
Album Warriors
Label Fullsteam
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Wenn man nur ein Wort zur Verfügung hätte, um die gesamte Karriere von Disco Ensemble zu umschreiben, dann müsste dieses Wort wohl heißen: Leidenschaft. Es gehört eine Menge Herz dazu, als 12-Jähriger in der finnischen Provinz von einer Karriere als Rockstar zu träumen. Es braucht viel Begeisterungsfähigkeit, um dann die sechs Jahre durchzustehen, bis man endlich sein Debütalbum veröffentlichen kann. Und man muss seine Musik wirklich lieben, um 15 Jahre nach der Gründung der Band noch immer auf Tour zu sein, längst nicht mehr als Teenager mit dem Kopf voller Flausen, sondern als Familienväter.

Disco Ensemble haben all das geschafft, von der Gründung 1997 in Ulvila über das Debüt Viper Ethics im Jahr 2003 bis zur Deutschland-Tournee, die das Quartett gerade hinter sich gebracht hat. Wer die Finnen in Berlin, Hamburg oder Leipzig auf der Bühne erlebt hat, kann aus erster Hand bestätigen, wie sehr sie das lieben, was sie machen. Auch wenn es der Band nicht mehr ganz so leicht fällt wie in ihren Anfangstagen. «Vor allem am Ende der Tour sind wir wirklich ausgelaugt. Meistens machen wir dann den ganzen Tag über gar nichts, um uns all unsere Energie für die Show aufsparen zu können», hat mir Sänger Miikka Koivisto im Interview vor der Show im Leipziger Conne Island verraten. Das Konzerterlebnis stand schon immer im Zentrum dessen, was Disco Ensemble ausmacht, ergänzt Gitarrist Jussi Ylikoski: «Wir haben uns immer in erster Linie als Live-Band betrachtet. Wenn es uns irgendwann nicht mehr gibt, würde ich mir wünschen, dass wir so bei den Fans in Erinnerung bleiben: Als eine Band, die unvergessliche Shows gespielt hat.»

Disco Ensemble, die in ihrer Heimat immerhin Nummer-1-Alben vorzuweisen haben, verstehen es aber durchaus auch, ihre Leidenschaft auf Platte zu pressen. Warriors, der fünfte Longplayer in der Karriere des Quartetts, zeigt Miikka, Jussi und ihre Mitstreiter Mikko Hakila (Schlagzeug) und Lasse Lindfors (Bass) auf der Höhe ihres Könnens.

Schon das Intro ist ebenso feurig wie offensiv und zeigt, wie gekonnt die Band, die in ihren Anfangstagen noch auf Coverversionen von AC/DC oder Metallica setzte, mittlerweile dezente Synthiesounds in ihre Lieder integriert. Auch in Eartha Kitt gibt es diesen Moment, in dem man nicht weiß, ob da eine Gitarre wie ein Keyboard klingt oder umgekehrt. Trotzdem verliert das Lied nichts von seiner Power, vor allem nicht im beinahe brachialen Refrain.

In der Single Second Soul, trifft eine furiose Strophe auf einen derart betörenden Refrain, dass das Ergebnis locker mit der internationalen Konkurrenz wie Biffy Clyro oder Muse mithalten kann. Songs wie Too Much Feeling oder Spade Is The Anti-Heart sind famose Rockmusik aus einem Guss. Mit Krachern wie I’ve Seen The Future, das reichlich Punk-DNA hat, oder dem knüppelharten Chinese Sword werden Disco Ensemble auch die Fans beglücken, die den etwas raueren Anfangstagen der Band nachtrauern.

Mit With Every Step gibt es dafür ein Lied, dessen Melodie in der Strophe ein bisschen an Hurts Like Heaven von Coldplay erinnert und dessen Grandezza und Herzblut im Refrain auch The Gaslight Anthem nicht besser hinbekämen. Das reduzierte, wunderbare Hologram verdient sich dann voll und ganz die Bezeichnung „Ballade“.

Zwei Jahre haben Disco Ensemble gemeinsam mit Produzent Jukka Immonen (Sunrise Avenue) an Warriors gearbeitet – so lange wie an keiner Platte zuvor. Es war ein durchaus aufreibender Prozess, sagt Miikka: «Wenn man ein Album macht, wird es vor allem gegen Ende oft heikel. Dann denkt man, jede kleine Veränderung könnte das ganze Ergebnis ruinieren.» Zudem sei es nicht gerade einfach, die Meinung aller Musiker unter einen Hut zu bekommen: «Unsere Band ist eine ziemlich empfindliche Demokratie», schmunzelt der Sänger. Gitarrist Jussi stimmt zu: «Manchmal herrscht bei der Arbeit im Studio wirklich dicke Luft, vor allem, wenn es auf das Ende zugeht. Da sind vier Paar Ohren anwesend, denen das Ergebnis gefallen muss.»

Ein Vorteil sei bei Warriors aber gewesen, dass nicht alle vier Musiker zugleich im Studio waren, sondern ihre Passagen nacheinander eingespielt haben. «Diesmal haben wir vergleichsweise wenig Diskussionen gehabt. Wahrscheinlich lag das einfach daran, dass gar niemand da war, mit dem man hätte diskutieren können – außer dem Produzenten», scherzt Jussi.

Vor diesem Hintergrund ist beinahe erstaunlich, wie organisch Warriors dennoch klingt. Die beiden letzten Stücke sind dafür vielleicht die besten Beispiele. In 1000 Years kombiniert die Band problemlos die Metal-Flitzefinger von Jussi an der Gitarre mit einem Monster-Groove, ein bisschen Elektronik und großer Pop-Sensibilität. Ganz zum Schluss zeigt Your Shadow mit seiner packenden Atmosphäre und beachtlichen Komplexität, wie viel Ehrgeiz und Können auch nach 15 Jahren noch in dieser Band steckt.

Hört man Warriors, ist kaum zu glauben, dass Disco Ensemble den Gedanken ans Aufhören zumindest in Betracht ziehen. «Wir denken immer nur von Album zu Album. Wenn die Tour vorüber ist, werden wir uns wieder zusammensetzen und schauen, ob wir noch Lust aufs Weitermachen haben», erklärt Jussi, betont aber auch: «Damit ist natürlich nicht gesagt, dass wir uns auflösen werden. Aber es muss Sinn machen, wenn wir noch eine Platte machen.» Und dann sagt der Gitarrist, der mehr als die Hälfte seines Lebens mit dieser Band verbracht hat, wieder das Wort, das wohl immer das Fundament von Disco Ensemble sein wird: «Wenn wir weitermachen, dann brauchen wir dazu alle die nötige Leidenschaft.»

Vier feurige Finnen: Disco Ensemble live in Helsinki:

httpv://www.youtube.com/watch?v=SRSz7yGXf8k

Homepage von Disco Ensemble.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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