Fettes Brot – “Fettes/Brot”

Künstler Fettes Brot

Aus 2 mach 1 heißt das Prinzip von "Fettes/Brot".
Aus 2 mach 1 heißt das Prinzip von “Fettes/Brot”.
Album Fettes/Brot
Label Fettes Brot Schallplatten
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

“Ich habe keine Zeit”, hat Marius Müller-Westernhagen auf einem der erfolgreichsten deutschen Live-Alben aller Zeiten gesungen. Für alle, denen es genauso geht, gibt es jetzt Fettes/Brot. Die CD fügt das zusammen, was Fettes Brot im Februar schon auf die zwei gleichzeitig erscheinenden CDs Fettes und Brot verteilt hatten – und womit sie  ihrerseits eines der erfolgreichsten deutschen Live-Alben aller Zeiten hinlegten. Wer das Fette Brot also quasi als Snack zwischendurch bevorzugt, bekommt nun 19 statt 31 Lieder.

Wer das dämlich findet (oder Abkassieren angesichts der bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts und der im Dezember wieder anstehenden Tour fürchtet), ist leicht zu widerlegen. Schließlich waren auch Fettes und Brot kein echter Konzertmitschnitt, sondern eine Kompilation von Performances bei ganz verschiedenen Shows. “Das was zu hören ist, ist das Konzentrat aus sehr vielen Shows. Wir haben ja nicht irgendein zitteriges Anfängerset aufgenommen, sondern die Aufnahmen sind tight wie ein Mückenarsch. Genauso wie sie sein sollen”, hatte Björn Beton schon beim Highfield erklärt, wo ich Fettes Brot zum Interview traf.

Ähnlich wie bei Kollege Jan Delay, der seine Live- und Entertainerfähigkeiten ja auch unlängst auf Tonträger dokumentiert hat, setzen auch die  Herren Lauterbach, Vandreier und Warns auf der Bühne auf reichlich Reggae-Schmackes und Bläser-Power. Was Fettes Brot aber mehr als alle anderen im deutschen HipHop auszeichnet, ist der ständige Drang zur Selbsterneuerung.

Das beweist schon Jein, das auf Fettes/Brot ebenso den Auftakt macht wie schon auf Fettes. Es gibt eine Scooter-Ansage, dann einen Electroclash-Sound, den Richard X auch nicht besser hinbekommen hätte und dazu noch jede Menge Gitarren. Mit der Originalversion hat das bis auf den Text und das markante Bläser-Riff fast nichts mehr zu tun.

Da draußen wird zum Rock-Feger mit großem Revue-Finale, Bettina, Zieh Dir bitte etwas an (auch hier in der Superpunk-Version) bekommt fast eine Überdosis Funk, The Grosser wird kurzerhand in die Karibik entführt. Nordisch By Nature vereint noch ein bisschen schamloser die Bee Gees mit Franz Ferdinand. Dazu gibt es ganz mühelose, komplett unpeinliche Coverversionen von Rio Reiser und The Clash.

Deshalb ist Fettes/Brot quasi auch Pflichtprogramm für alle, die diese Songs schon im Plattenschrank haben. Denn die Live-Versionen sind die jeweils aktuellsten Variationen dieser Hits. Die Fans scheinen das zu wissen. Schließlich erreichten im Februar Fettes und Brot zugleich die Top10 der deutschen Charts – seit Guns’N’Roses hat das niemand mehr geschafft.

Fettes Brot unterstreichen auch in diesen 80 Minuten: Kaum jemand in Deutschland hat so wenig Berührungsängste, so viel Originalität, Witz und einen derart respektlosen Umgang vor allem mit dem eigenen Werk. Das macht König Boris, Doktor Renz und den Schiffmeister zu so etwas wie den deutschen Beastie Boys (deren Look und Posen sie übrigens auch im sehr hübschen Booklet immer näher kommen).

Fettes/Brot tritt damit aber noch ein anderes Erbe an. Ein kurzweiliger Überblick über das bisherige Schaffen, kreischende Teenies und herrlich alberne Dialoge mit den Fans: Das gab es auch am Ende des ersten Kapitels in der Karriere der Ärzte – nachzuhören auf dem Live-Doppelalbum Nach uns die Sintflut. Mehr als 20 Jahre später sind Die Ärzte, die hier auch kurz in einer Ansage und dem extrem amüsanten Können diese Augen lügen? erwähnt werden, noch immer legendär – und Fettes Brot lassen mit dieser CD keinen Zweifel mehr daran, dass sie da mithalten können.

Die Shorts sind sogar schicker als bei den Beastie Boys: Fettes Brot spielen Jein live bei Rock am Ring:

httpv://www.youtube.com/watch?v=ropK_qOBpq0

Fettes Brot bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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