Hingehört: Fujiya & Miyagi – “Ventriloquizzing”

"Ventriloquizzing" bietet Funk, aber ohne Schweiß.
“Ventriloquizzing” bietet Funk, aber ohne Schweiß.
Künstler Fujiya & Miyagi
Album Ventriloquizzing
Label Full Time Hobby
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung ***

Ventriloquizzing heißt das vierte Album von Fujiya & Miyagi. Ventriloquists sind Bauchredner, und das Quartett aus Brighton ist fasziniert von der Idee, jemanden anderen als Stellvertreter sprechen zu lassen. Fujiya & Miyagi haben deshalb Puppen von sich selbst anfertigen lassen, die nun in den Videos und auf den Promofotos für das am Freitag erschienene Album erscheinen.

Ventriloquizzing heißt auch der erste Song auf dem Album, und lustigerweise klingt er ein gutes Stück nach Kraftwerk und ein kleines bisschen nach Daft Punk. War da nicht was? Genau: Kraftwerk haben Roboter auf die Bühne gestellt und dadurch die Bandmitglieder ersetzt. Und Daft Punk waren bei ihren Live-Shows immer nur mit überdimensionalen Helmen zu sehen, sodass man nie sicher sein konnte, wer sich wirklich darunter verbirgt. Hätten also auch Puppen sein können.

Der Song macht schon deutlich, in welche Richtung Fujiya & Miyagi auch unter den Fittichen von Produzent Tom Monahan (Devendra Banhart, Au Revoir Simone) gehen: Noch immer werden die cleveren Texte von David Best eher gesprochen (oder geflüstert) als gesungen, noch immer ist alles extrem reduziert und diszipliniert, noch immer liegt dem Ganzen ein feines Gespür für Groove und Funk zugrunde, ohne dass es je ekstatisch wird.

Sixteen Shades Of Black And Blue klingt ein bisschen, als sei der Batterie von Iggy Pops Lust For Life plötzlich der Saft ausgegangen. Auch in Yoyo schlummert ein Hit, den Outkast oder Gnarls Barkley wohl zum Vorschein gebracht hätten, doch hier bleibt er eine Idee. OK hat einen Kasabian-Beat, Pills die Rhythmussektion von Phil Spector gekidnappt, Taiwanese Boots spielt mit feinen Soul-Anleihen.

Minestrone hat sich aus den Sixties rund 50 Jahre in die Zukunft gebeamt, samt Doors-Orgel und einem Schluss, der eine verlorene Strophe von Donovans Atlantis sein könnte. Aber nirgends tropft hier auch nur ein Tropfen Schweiß auf die Laptops, in denen diese Musik definitiv entstanden ist.

Wer die Beta Band mag (deren Einfluss am deutlichsten im Rausschmeißer Universe präsent ist), die späteren Sachen von Beck (Cat Got Your Tongue) oder Hot Chip einfach ein bisschen zu vordergründig findet, der ist hier gut aufgehoben.

So ganz hat die Idee mit den Puppen noch nicht funktioniert: Im Video zu Sixteen Shades Of Black And Blue tauchen die Jungs von Fujiya & Miyagi auch noch selber auf:

httpv://www.youtube.com/watch?v=8bjfNH6fIgk

Fujiya & Miyagi bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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