Hingehört: Jeff Bridges – “Jeff Bridges”

Staubtrocken und authentisch: So ist Jeff Bridges auch als Sänger.
Staubtrocken und authentisch: So ist Jeff Bridges auch als Sänger.
Künstler Jeff Bridges
Album Jeff Bridges
Label Blue Note
Erscheinungsjahr 2011
Bewertung ***

Es gibt eine Menge Filme, bei denen man froh ist, dass da bloß Fiktion gezeigt wird. Man will nicht von sprechenden Fischen belästigt werden wie in Findet Nemo. Man ist ganz froh, dass die Dinosaurier außerhalb von Jurassic Park dann doch mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgestorben sind. Wohl nicht einmal zu Zeiten von George W. Bush hätte man sich einen US-Präsidenten gewünscht wie Leslie Nielsen in Scary Movie 3. Und dass der Weltuntergang bis auf Weiteres nur in den Filmen von Roland Emmerich beschlossene Sache ist, erscheint auch ganz beruhigend.

Manchmal ist aber auch das Gegenteil der Fall. Dann entsteht auf der Leinwand eine Idee, die so überzeugend und verheißungsvoll ist, dass man sich wünscht, sie könnte den Weg ins echte Leben finden. Crazy Heart war vor zwei Jahren so ein Fall. Jeff Bridges spielte in dem Film von Regisseur Scott Cooper den abgestürzten Countrysänger Bad Blake. Er spielte ihn so gut, dass er dafür den Oscar bekam. Und er spielte ihn so gut, dass manch ein Fan davon geträumt haben dürfte, Jeff Bridges irgendwann mit Gitarre in der Hand in einem Tonstudio oder sogar auf Tour zu erleben.

Dieser Traum ist nun wahr geworden. Jeff Bridges hat eine Platte gemacht, sie erscheint heute in Deutschland und heißt schlicht Jeff Bridges. Zwischen Film- und Musikschaffen sieht er «mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Bei beiden kommt es auf die gute Zusammenarbeit an, man arbeitet mit den unterschiedlichsten Künstlern, aber es gibt auch, was das Schreiben und Üben betrifft, Aspekte, bei denen es auf den Einzelnen ankommt. Man bereitet sich vor und dann muss man die Kontrolle abgeben und die Dinge sich entwickeln lassen.»

Quasi als Regisseur für Jeff Bridges fungierte Produzent T-Bone Burnett. Mit dem Grammy-Gewinner ist Bridges schon seit 30 Jahren befreundet, Burnett stellte unter anderem auch den Soundtrack für The Big Lebowski zusammen. Auch einige der Leute, die schon für den Soundtrack von Crazy Heart verantwortlich waren, halfen bei Jeff Bridges mit: Die Songwriter John Goodwin, Greg Brown und der mittlerweile verstorbene Stephen Bruton steuerten Lieder bei. Ein vierter (Ryan Bingham) ist auf der Vorab-Single What A Little Bit Of Love Can Do sogar als Backgroundsänger zu hören. Und dann gibt es noch ein Lied namens Slow Boat – so hieß einer der Songs von Bad Blake, der in der Crazy Heart-Romanvorlage von Thomas Cobb erwähnt wird. Nun hat ihn Jeff Bridges zum Leben erweckt.

«Dieses Album ist die ganz natürliche Folge meiner Liebe zur Musik, die ich eigentlich schon mein ganzes Leben lang hege», sagt der 61-Jährige über Jeff Bridges. Das trifft in zweierlei Hinsicht zu. Erstens schlummert in Jeff Bridges tatsächlich schon lange ein Musiker. Als Kind hatte er Klavierstunden, als Jugendlicher spielte er in einer Band und auch, als er längst als Schauspieler erfolgreich war, schrieb er permanent Songs. Dass er singen kann, hat er spätestens mit seiner Rolle in Die fabelhaften Baker Boys unter Beweis gestellt. Und eingefleischte Fans wissen wohl auch, dass Jeff Bridges vor elf Jahren mit Be Here Soon (das damals wenig Aufsehen erregte) schon einmal eine Platte gemacht hat.

Zweitens aber ist auch die Musik auf Jeff Bridges die logische Fortsetzung dessen, wofür dieser Mann steht. Natürlich wäre es interessant gewesen, Bridges als Rap-Künstler, Polka-Gott oder Hardrock-Frontmann zu erleben. Aber das wäre ein Stilbruch gewesen, der womöglich sogar die schauspielerischen Fähigkeiten des Oscar-Preisträgers überfordert hätte.

Stattdessen ist Jeff Bridges so, wie die Rollen von Jeff Bridges es sind: staubtrocken, reduziert und durch und durch amerikanisch. Es gibt hier keinen Ton zu viel, und immer wieder gibt Bridges auch als Sänger den einsamen Teufel mit dem Herz am rechten Fleck. Die Musik dazu ist meist klassischer Country, mit viel Pedal-Steel-Gitarre und mindestens so gut abgehangen wie der legendäre Bademantel des Dude aus The Big Lebowski.

Wenn Tom Petty plötzlich nach Nashville ziehen sollte, käme so etwas dabei heraus wie What A Little Bit Of Love Can Do, das den Auftakt dieser zehn Lieder macht. Blue Car ist an Lässigkeit nicht zu überbieten. Nothing Yet lässt an die behutsamen Momente denken, die Keith Richards gelegentlich für seine Balladen auf einem Rolling-Stones-Album eingeräumt werden. Auch in Either Way und Falling Short (einem von drei Songs, die er auch geschrieben hat) zeigt Bridges eine Verletzlichkeit, die man ihm kaum zugetraut hätte, und auch da ist im Sound die riesige Weite und unendliche Sehnsucht der Wüste.

Bridges’ Stimme erinnert in den tieferen Passagen an David Lowery (auch sonst dürften Fans von Cracker von dieser Musik begeistert sein), wenn er höher singt, meint man manchmal, Peter Gabriel zu hören. Und selbst, wenn die Lieder etwas abstrakter und experimenteller werden wie Tumbling Vine, bleibt Jeff Bridges doch stets genauso wie seine Rollen: anti-modern, geradlinig und authentisch.

Jeff Bridges spielt What A Little Bit Of Love Can Do live für einen Radiosender:

httpv://www.youtube.com/watch?v=-WMax3tQlo0

Jeff Bridges bei MySpace.

Diesen Artikel gibt es auch bei news.de – samt einer Fotostrecke mit anderen Schauspielern, die sich schon als Sänger versucht haben.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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