Mando Diao – “Infruset”

Künstler*in Mando Diao

Auf "Infruset" vertonen Mando Diao einige Gedichte von Gustaf Fröding.
Auf “Infruset” vertonen Mando Diao einige Gedichte von Gustaf Fröding.
Album Infruset
Label Universal
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

An Selbstvertrauen hat es Mando Diao noch nie gemangelt. Ein Karrierestart mit der Behauptung, die beste Band seit den Beatles zu sein, mindestens? Kein Problem. Der Glaube, die Fans würden auch ein Album mit B-Seiten kaufen (The Malovelence, 2009)? Eine Selbstverständlichkeit. Ein Nebenprojekt aus einer Kunst-Kommune heraus (Caligola), ein Weihnachtslied (Christmas Could Have Been Good), ein Unplugged-Album (naja, eben MTV Unplugged)? Trauen sie sich alles zu. Und kommen damit durch.

Kein Wunder also, dass Frontmann Gustaf Norén nicht zögerte, als er gebeten wurde, zum 100. Todestag des schwedischen Dichterhelden Gustaf Fröding (1860 – 1911) ein Gedicht aus dessen Feder zu vertonen. Gemeinsam mit Bandkollege Björn Dixgard machte sich Norén ans Werk, und schnell waren sie so begeistert von der Arbeit mit den Textvorlagen Frödings, dass ein ganzes Album daraus wurde. „Mando Diao auf Schwedisch ist etwas, das wir schon eine ganze Weile tun wollten. Es war uns immer eine Herzensangelegenheit“, sagt Björn Dixgard. Gustaf Norén empfand die Arbeit auf Grundlage des fremden Materials förmlich befreiend: „Wir haben keine besonders guten Texte in Englisch, weil wir die Sprache nicht hundertprozentig beherrschen. Somit war es geradezu magisch, sich den Texten in unserer Muttersprache zu widmen.“

Das Ergebnis ist in der Tat beeindruckend. Innerhalb von fünf Tagen haben Mando Diao die Lieder von Infruset eingespielt, dann die Stücke immer weiter verfeinert, vor allem mit Streicherarrangements. So ist eine Platte entstanden, die weit weg ist von der Rockmusik, für die das Quartett sonst steht, und noch weiter weg von der Discotauglichkeit von Hits wie Dance With Somebody. Keine einzige E-Gitarre ist auf Infruset zu hören, und naturgemäß gibt es in den vertonten Gedichten von Gustaf Fröding auch keine Refrains. Dafür eine magische, sehr intensive Stimmung.

Wunderbar gelingt es Mando Diao, die Zwiespältigkeit im Werk des Mannes einzufangen, der in Schweden derart verehrt wurde, dass zu seiner Beerdigung 200.000 Menschen kamen (womit der Friedhof für einen Tag zur drittgrößten Stadt des Landes wurde). Fröding liebte die Natur des Nordens und setzte ihr mit vielen seiner Gedichte ein Denkmal. Doch er schrieb auch sozialkritische Texte und Todeslyrik, seine Gedichte werden bevölkert von Prostituierten, schwangeren Teenagern, Alkoholikern. Er selbst war schwerer Trinker, verbrachte viele Jahre seines Lebens in Nervenheilanstalten und versuchte als 36-Jähriger, sich das Leben zu nehmen.

Die dunkle Seite des Lyrikers schimmert auf Infruset immer wieder durch. Den Självslagne klingt gleich zum Beginn des Albums nach Existenzialismus. Men steckt voller Verzweiflung, Selbsthass und Hoffnungslosigkeit, En Sångarsaga hat eine klasse Dramaturgie zu bieten, viel Spannung und Gefühl, die sich fast sieben Minuten lang immer weiter steigern. Den Gråbergssång durchweht eine melancholische Seventies-Atmosphäre. Infruset (der Titelsong bedeutet übersetzt „Eingefroren“) ist ein hübscher Folksong mit liebevollen Details, der aber so träge wird, dass man glauben muss, jemand bewege sich hier im Schneckentempo auf die Selbstaufgabe zu. Ganz reduziert und sehr würdevoll setzen Mando Diao die Geschichte von En Ung Mor um.

Noch besser gelingen die Lieder, in denen Fröding der schwedischen Idylle huldigt. I Ungdomen wird mit schwelgerischen Streichern zum herrlichen Lobpreis von Mutter Natur (Mando Diao haben diese Lieder übrigens in einer alten Scheune auf dem Land aufgenommen). Snigelns Visa ist wunderhübsch und sehr innig gesungen und wird von einer Harfe veredelt. Aus Strövtåg I Hembygden hört man fast die unberührte Schönheit der Umgebung heraus, die hier die Lust aufs Umherwandern und Genießen hervorbringt. Titania (in dem Björn Dixgards Schwester Linnea mitsingen darf) steckt voller Sehnsucht.

Erstaunlich ist diese Platte nicht nur, weil sich Mando Diao hier ebenso frech wie geschmackvoll an ein Nationalheiligtum wagen, sondern auch, weil die Schweden, die sonst gerne als Karrieristen und Ehrgeizlinge gebrandmarkt werden, mit Infruset keinerlei Rücksicht auf die Erwartungen ihrer Fans nehmen (auch nicht der Fans in Schweden, die zwar die Texte verstehen mögen, aber musikalisch ebenfalls nichts geboten bekommen, was mit dem bisherigen Werk der Band vergleichbar wäre). Dieser Mut wird eigentlich nur noch durch eine Tatsache überboten: Auf dem Cover von Infruset springen Mando Diao splitternackt umher. Hut ab.

Landlust: Mando Diao spielen En Sångarsaga live:

httpv://www.youtube.com/watch?v=mFdFI–sBNI

Homepage von Mando Diao.

 

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Ein Gedanke zu “Mando Diao – “Infruset”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.