Twilight Eclipse – Biss zum Abendrot

Künstler Diverse

Für viele Bands ist der Twilight-Soundtrack der Schlüssel zum Erfolg.
Album Twilight Eclipse (Original Soundtrack)
Label Warner
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

Sie ist die vielleicht mächtigste Frau im Musik-Business. Sie kann unbekannte Künstler mit einem einzigen Lied ganz groß rausbringen. Und sie hat das goldene Händchen: Was sie macht, wird ein Mega-Erfolg.

Alexandra Patsavas wiegelt zwar ab, wenn man sie auf ihren enormen Einfluss im Musikbusiness anspricht. Aber selbst die Plattenfirma Warner, für sie arbeitet, ist so beeindruckt von ihrem guten Händchen mitten in der Krise der Branche, dass Patsavas nun sogar ein eigenes kleines Label namens Chop Shop Records leiten darf.

Verdient hat sich Alexandra Patsavas all diese Lorbeeren mit Soundtracks. Als Supervisor hat sie die Musik für die TV-Erfolgsserien The OC und Greys Anatomy zusammengestellt und damit beispielsweise Snow Patrol zu einer großen Nummer in den USA gemacht. Jetzt ist sie die Frau, die entscheidet, wer auf den Soundtrack zum Kino-Blockbuster Twilight kommt. Für manche Bands ist sie damit der Schlüssel zum Erfolg. Ob man jahrelang durch winzige Clubs tingeln muss oder ob man auf einen Schlag in der ersten Liga spielt – das liegt in ihrer Hand.

Paramore können ein Lied davon singen. Die US-Rockband veröffentlichte 2005 ihr erstes Album, kam damit in der Heimat und in Deutschland aber gar nicht in die Charts und in England nur auf Platz 51. Im vergangenen Jahr hingegen erreichte die CD Brand New Eyes Platz 1 in England, Platz 2 in den USA und Platz 7 in Deutschland. Was war passiert? Paramore hatten 2008 den Song Decode zum Soundtrack von Twilight – Biss zum Morgengrauen beigesteuert. Die Single erreichte in den USA Platinstatuts und machte Paramore zu Superstars. Inzwischen ist das Quintett zwar genervt davon, ständig als «die Twilight-Band» bezeichnet zu werden. Doch zumindest im Gedanken haben Paramore bestimmt schon einen Altar für Alexandra Patsavas errichtet.

Natürlich ist es momentan nicht schwer, Produkte an den Mann zu bringen, auf denen «Twilight» steht. Die Fans wollen alles, was mit der Vampir-Saga um Robert Pattinson (als Eward Cullen) und Kristen Stewart (als Bella Swan) zu tun hat. Der erste Twilight-Roman wurde weltweit 70 Millionen Mal verkauft, die ersten beiden Filme lockten alleine in Deutschland sechs Millionen Zuschauer in die Kinos, bei der Premiere für den heute anlaufenden dritten Streifen Eclipse – Biss zum Abendrot waren die Twilight-Fans schon vier Tage vorher am roten Teppich, um ihren Stars nahe zu sein.

Doch die düstere Musik zu den Vampirfilmen ist auch für sich genommen eine Erfolgsgeschichte. Die Zahlen: 3,5 Millionen Exemplare wurden vom ersten Soundtrack Biss zum Morgengrauen verkauft. Alle bisher erschienenen Twilight-Soundtracks haben Platinstatus erreicht. Momentan stehen gleich vier Twilight-CDs unter den Top100 der deutschen Albumcharts. Beeindruckende Ziffern in einer Zeit, in der sich mit Plattenverkaufen sonst kaum noch Geld verdienen lässt.

Das liegt nicht nur an der riesigen Marketing-Maschinerie. Wo Soundtracks sonst meist nur bereits bestehendes Material zweitverwerten, gibt es bei Twilight viele exklusive Lieder. Das Anforderungsprofil der Macher ist nicht allzu scharf: Die Musik muss zur Atmosphäre und den Themen von Twilight passen: Liebe, Romantik, Verlust. So reicht die Bandbreite von extrem optimistischem Powerpop (Ours von The Bravery) über den modernen Blues von Florence & The Machine (das seltsam träge Heavy In Your Arms) bis hin zum beschwingten Sound von Gnarls-Barkley-Chorknabe Cee Lo Green, der mit What Part Of Forever durchaus Lust auf sein bevorstehendes Soloalbum macht.

Daneben setzt Alexandra Patsavas auch immer wieder auf neue, unbekannte Bands. So zeigen Fanfarlo mit dem charmanten Atlas, dass sie in die Fußstapfen von Clap Your Hands Say Yeah treten könnten. Die Eastern Conference Champions machen mit A Million Miles An Hour deutlich, wie Radiohead mit Wucht klingen könnten. «Die Fans mögen das. Und auch die Regisseure haben einen sehr modernen, fortschrittlichen Musikgeschmack», sagt sie. Teenieschwarm und Hauptdarsteller Robert Pattinson, der selbst musikalische Ambitionen hat, durfte auf den Soundtracks sogar zweimal selbst singen.

Die Macher schaffen es aber auch immer wieder, Weltstars für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Radiohead-Frontmann Thom Yorke, der sich sonst gern als Gralshüter von Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit inszeniert, hat kein Problem, extra für den Blockbuster den Song Hearing Damage beizusteuern. Auf dem aktuellen Soundtrack Eclipse sind beispielsweise Muse und The Dead Weather (das bedrohliche Rolling In On A Burning Tire) mit Liedern vertreten, die es sonst nirgends gibt. Beck legt eine klasse Kooperation mit Bat For Lashes hin, das Ergebnis Let’s Get Lost klingt zugleich ultracool und intensiv brodelnd).

Muse, deren aktuelle, gewohnt pompöse Single Neutron Star Collision (Love Is Forever) schon ihr zweiter Twilight-Beitrag ist, sind die Lieblingsband von Twilight-Autorin Stephenie Meyer. Sänger Matt Matt Bellamy ist gerne Teil ihres Franchise-Systems. «Als Band ist man heute automatisch in ganz vielen Medien präsent. Unsere Musik ist auch im Computerspiel Guitar Hero zu hören. Und nun im Twilight-Soundtrack. Das stört mich überhaupt nicht – im besten Falle gewinnen wir dadurch Fans», sagte er der schottischen Zeitung The Daily Record. Ezra Koenig, Sänger von Vampire Weekend, sieht im gewohnt heiteren Twilight-Beitrag seiner Band eine nette Chance, zwischen zwei Alben den Fans neues Material zu bieten und mal etwas Neues zu probieren.

Auch Jennifer Rostock sind stolz auf ihren Twilight-Exkurs. Ihr Lied Es tut wieder weh war 2009 auf der deutschen Version des Soundtracks zu New Moon – Biss zur Mittagsstunde zu hören. «Für uns als Musiker war es wie ein Ritterschlag, sich auf einer Compilation zwischen all den großartigen anderen Bands wiederzufinden», sagen sie. Auch der Band von der Ostsee brachte Twilight eine ganz neue Dimension von Aufmerksamkeit: «Wir haben auf YouTube noch nie derart viele Abrufe gehabt und anderseits so sehr polarisiert wie mit dieser Nummer. Aber wir leben auch weiterhin musikermäßig von der Hand in den Mund. Auf dem Konto merken wir davon leider nicht allzu viel.»

Auch wenn der Erfolgs-Turbo in diesem Fall noch nicht ganz gezündet hat, bereuen Jennifer Rostock die Zusammenarbeit kein bisschen: «Karriere hin oder her – wir durften Robert Pattinson die Hand schütteln!»

Auch Metric hoffen offensichtlich auf den Twilight-Turbo. Sie haben ihren Beitrag zum Soundtrack gleich Eclipse genannt:

httpv://www.youtube.com/watch?v=NNT6e0ZZnYQ

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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