International Music Ententraum

International Music – “Ententraum”

Künstler*in International Music

International Music Ententraum Review Kritik
Von absurd bis verspielt reicht das Spektrum auf “Ententraum”.
Album Ententraum
Label Staatsakt
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: (C) Staatsakt / Harriet Meyer

“Mein Name ist Schmidt, ich bin Gedankenzähler”, stellt sich eine der wichtigsten Figuren von Ententraum gleich im ersten Stück der Platte vor. Er schreitet dann auch sogleich zur Tat und kommt in Fürst von Metternich zum Schluss: “Ich zähle 15 Gedanken. Zwei davon sind gut.”

Zum Glück bekommen International Music auf ihrem zweiten Album ein deutlich besseres Verhältnis hin. Genauer gesagt: Es sind 17 Songs, und alle davon sind gut. Wie viele Gedanken Peter Rubel, Pedro Goncalves Crescenti und Joel Roters in dieses hochgradig surreale, psychedelische und manchmal auch absurde Werk gesteckt haben, lässt sich kaum zählen. Was man aber mit Sicherheit sagen kann: Die Texte der Band aus Essen sind reizvoll, der Gesang ist toll, die Musik wäre auch ganz ohne Stimmen noch hoch spannend. Aber wenn man all diese Bestandteile kombiniert, wird das Resultat tatsächlich noch einmal viel stärker.

Nach dem erwähnten Auftakt, der vor allem von einer hypnotischen E-Gitarre geprägt wird, decken sie ein stilistisches Spektrum von den Byrds bis Mars Volta ab. Mal klingen International Music wie Jungs, die einfach mal losrocken wollen, mal wie eine gefährliche Sekte oder zumindest eine Gruppe, die dringend medizinisch behandelt werden sollte. Sie entwickeln auf dem Album, das wie der Vorgänger Die besten Jahre von Olaf Opal produziert wurde, wahlweise Vorwärtsdrang und Punch (Höhle der Vernunft), Fuzz, Mystik und Philosophie (Insel der Verlassenheit) oder etwas, das wie ein Hörspiel aus einer anderen Realität oder zumindest der seltsamen Gedankenwelt von Helge Schneider klingt (Der Traum der Ente).

Sie können innerhalb eines einzigen Stücks wie Wassermann plakativ, verspielt und durchgeknallt sein, Lautmalerei und Acappella vereinen. Sie absolvieren in den 153 Sekunden von Marmeladenglas die komplette Reise von reduziert nach infernalisch. Sie agieren in Spiel Bass erst auf eine fast primitive Weise wild, dann plötzlich elektronisch oder überhöhen ein Lied wie Museum so kunstvoll, wie es bei vielen Liedern aus dem DDR-Rock üblich war.

Manche Songs auf Ententraum sind beinahe straight, ein paar der Stücke könnten womöglich sogar Liebeslieder sein. Ihre größte Stärke bleibt aber all das, was sich nicht wirklich ergründen lässt: International Music vereinen Experimente, Innovation und auch einen Hauch von Wahnsinn. Das Ergebnis zeigt uns, was alles möglich ist, nicht nur in der Musik, sondern insgesamt beim Blick auf die Welt. Es ist eine Feier der Unberechenbarkeit, ein Versprechen von Freiheit.

Mystisch ist auch das Video zu Insel der Verlassenheit.

Website von International Music.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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