Interview mit Mando Diao

Man glaubt es nicht: Wenige Minuten zuvor haben diese freundlichen jungen Männer noch Gitarren zerschmettert.
Man glaubt es nicht: Wenige Minuten zuvor haben diese freundlichen jungen Männer noch Gitarren zerschmettert.

Ihren Auftritt bei der Geburtstagsfeier von MDR Jump habe ich zwar verpasst. Trotzdem brachte der Abend im Haus Auensee in Leipzig spannende Erkenntnisse in Sachen Mando Diao. Denn kurz vor Beginn der Festivitäten traf ich die beiden Frontmänner Gustaf Norén und Björn Dixgard zum Interview. Sie konnten sich zwar nur schwer von ihren Backstage-Hobbies  – Weintrinken, Wii-Spielen und weiße Gibson-Gitarren zertrümmern (keine Ahnung, warum sie sich das nicht für auf der Bühne aufheben) – loseisen. Aber dann verrieten sie im Interview immerhin, dass sie sich als siamesische Zwillinge sehen, ein Weihnachtslied aufgenommen haben, das womöglich nie erscheinen wird, und dass sie Rockbands eigentlich, ähm, langweilig finden.

Hi! Ich würde mit Euch gerne ein bisschen über Weihnachten reden, die Zeit der Besinnlichkeit, aber auch der Rückbesinnung. War 2010 ein gutes Jahr für Mando Diao?

Gustaf: Ich kann mich ehrlich gesagt an gar nicht so viel erinnern.

Dann muss es wohl ein gutes Jahr gewesen sein.

Gustaf: Wahrscheinlich. Mein Gott, ich kann mich echt an gar nichts erinnern!

Björn: Wir haben ein MTV Unplugged gemacht. Das war gut. Das hat sich gut angefühlt. Aber die Details davon? Verschwunden.

War die Unplugged-Session das Highlight in Eurem Jahr?

Gustaf: Auf jeden Fall. Und mir ist noch etwas eingefallen: Als wir im Sommer beim Southside und Hurricane gespielt haben – das war eines der besten Erlebnisse, die ich seit langer Zeit auf der Bühne hatte.

Mögt Ihr Weihnachten? Oder nervt es eher?

Gustaf: Ich mag es. Weihnachten ist die einzige Zeit im Jahr, wo wir keine Konzerte spielen können, weil uns an diesen Tagen niemand engagieren will. Deshalb nutzen wir die Möglichkeit, ein bisschen Zeit mit der Familie zu verbringen.

Das klingt fast, als würdet ihr am Heiligabend lieber auf der Bühne stehen.

Björn: Nein, natürlich nicht.

Gustaf: Aber grundsätzlich fällt es uns schon sehr schwer, Konzertangebote abzulehnen. Auf der Bühne zu stehen ist einfach die Essenz von dem, was wir tun. Deshalb ist es immer sehr schwer, nein zu sagen, wenn uns jemand für eine Show haben will.

Björn: Das wäre, als ob wir zu unserer eigenen Persönlichkeit nein sagen würden.

Ist es dann nicht schwierig, sich plötzlich an den ruhigen Lebenswandel an den Feiertagen zu gewöhnen?

Gustaf: Früher war das so. Als wir 23, 24 waren, da fiel uns das auf jeden Fall schwerer als heute.

Björn: Es war dann jedes Mal so, als würde man für zwei Tage in ein Koma fallen, wenn man nach Hause kam. Jetzt ist es besser geworden.

Wie muss man sich Weihnachten im Hause Mando Diao vorstellen?

Björn: Sehr verschneit.

Gustaf: Wie ein Klischee. Wir feiern in den Wäldern von Dalarna. Es sieht aus wie in einem Disney-Film. Überall sind Weihnachtsbäume, und es gibt tonnenweise Schnee.

Björn: Und diese Weihnachtsbäume sind nicht etwa aus Plastik. Sie sind echt, und sie sind riesig.

Gustaf: Ein paar Pferde laufen umher. Es ist die meiste Zeit sehr dunkel. Und frühmorgens gehen die Leute in die Kirche.

Das klingt wirklich wie ein Klischee. Und durchaus so, als ob es einem nach ein paar Jahren zum Hals raushängen kann.

Gustaf: Nein. Weihnachten soll so sein wie Disneyworld. Der Sinn davon ist, dass wir alle wieder Kinder werden. Deshalb lieben wir Weihnachten auch so: Wir können noch einmal so tun, als ob wir jung sind. Wir singen, wir kriegen Geschenke, wir tun so, als seien wir glücklich.

Björn: Wenn wir mit Mando Diao Lieder schreiben, versuchen wir, eine ganz ähnliche Atmosphäre zu kreieren. Ein bisschen Naivität, Unschuld, ein Gefühl von Kindheit.

Gustaf: Als ich in Disneyworld war, hat mich das auch ans Musikmachen erinnert. Überall gab es so viel zu entdecken. Man konnte nicht richtig benennen, was man daran nun genau toll findet, aber das Gefühl ist toll. Bei Musik ist das genauso. Es gibt viele Leute, die kein bisschen singen können, aber trotzdem lieben sie Musik.

Singt Ihr selbst an Weihnachten und holt die Gitarren raus?

Gustaf: Eigentlich nicht. Das passiert eher in der Mittsommernacht.

Wie sieht es mit Geschenken aus? Denkt Ihr Euch kleine Überraschungen für die anderen Mitglieder von Mando Diao aus?

Gustaf: Nein. Wir mögen uns ja eigentlich gar nicht. Das größte Geschenk ist es, dass wir an Weihnachten nicht so viel Zeit miteinander verbringen müssen. (lacht)

Könntet Ihr Euch vorstellen, irgendwann ein Weihnachtslied zu schreiben?

Gustaf: Wir haben schon eins.

Björn: Es ist in der Schublade, vielleicht bringen wir es eines Tages heraus.

Gustaf: Es ist kein Weihnachtslied im Sinne von “oh wunderbare, fröhliche Weihnachtszeit”. Aber das Lied erzählt eine Geschichte, die an Heiligabend spielt.

Könnte das dann eines Tages eine Weihnachtssingle von Mando Diao werden?

Gustaf: Keine Ahnung. Wir haben so viele Lieder, von denen wir noch nicht so recht wissen, was wir damit anfangen sollen. Sie sind einfach da. Manche Lieder sind auch gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht, sondern nur für uns.

Björn: Vielleicht ergibt sich irgendwann mal eine Gelegenheit, das Lied herauszubringen. Das passiert uns recht oft, dass sich einfach so eine unerwartete Möglichkeit auftut. Bei MTV Unplugged war das auch so. Die Leute von MTV haben uns gefragt, und wir haben gesagt: Das machen wir.

Wird die Erfahrung der Unplugged-Sessions sich auf den Sound von Mando Diao auswirken? Könnte das nächste reguläre Album auch ein bisschen akustischer werden?

Gustaf: Ja. Rockbands an sich sind ja ziemlich langweilig. Ständig muss man alles auf genau die gleiche Art und Weise spielen.

Björn: Zumindest gilt das für einige Bands. Wir versuchen natürlich, das zu vermeiden.

Gustaf: Wir versuchen schon lange, aus dem Mando-Diao-Kostüm herauszukommen. Deshalb sind wir immer auf der Suche nach Neuem. Und mehr akustische Elemente sind ein Weg dahin.

Schon vor dem Unplugged-Album habt Ihr bei Euren Konzerten ja einen Teil gehabt, wo ihr auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum ein paar Stücke rein akustisch spielt.

Gustaf: Das ist einfach die beste Methode, um dem Publikum zu zeigen, wie der Song eigentlich gedacht ist. Alle unsere Lieder sind ganz schlicht auf dem Klavier oder der Gitarre komponiert, und dann entwickeln sie sich und wachsen. Wenn wir akustisch spielen, ist das ein bisschen, als ob man in einem Fotoalbum blättert: Dann sieht man, wie der Song aussah, als er noch ganz klein war und gerade erst auf die Welt kam. Bei Fotos ist es ja auch meistens so: Babys sind viel schöner als erwachsene Menschen.

Habt Ihr besondere Pläne für Silvester?

Gustaf: Ich werde versuchen, einfach gar nichts zu tun. Genau wie an Weihnachten. Einfach entspannen. Aber Björn wird groß feiern: Er geht zu einer Hochzeit.

Björn: Das stimmt. Ein etwas exzentrischer Freund von mir heiratet. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich an Silvester feiern gehe. Bestimmt seit sieben oder acht Jahren. Ich mag das sonst eigentlich nicht. Alle suchen immer nach der ultimativen Silvesterparty, und dann ist es eigentlich immer eine Enttäuschung, weil man sich viel zu viel davon versprochen hat.

Und was steht 2011 für Mando Diao an?

Gustaf: Wir werden uns kurz nach Neujahr zusammensetzen und einen Schlachtplan erstellen. Wir werden schauen, welche neuen Songs wir haben und ob man daraus vielleicht ein neues Album machen kann.

Es könnte also schon sehr bald eine neue Platte von Mando Diao geben?

Gustaf: Vielleicht. Wir nehmen jedes Album auf, als könnte es das letzte sein. Es könnte also auch sein, dass nach Give Me Fire gar nichts mehr kommt.

Björn: Die Songs kommen einfach, und sie sagen Dir, was gut für sie ist und in welchem Kontext sie gut passen würden.

Wenn Ihr so viele Lieder habt, die nicht gut zu Mando Diao passen, könnte man sie ja auch anders veröffentlichen. Zum Beispiel als Solo-Album.

Gustaf: Ich glaube nicht, dass das für uns funktioniert. Wir sind da wie siamesische Zwillinge. Wenn ich ein Soloalbum machen wollte, würde ich gern Björn dabei haben, um ein paar Lieder mit zu schreiben und auch einige zu singen. Ich hätte gerne CJ am Bass. Und wahrscheinlich auch einen Produzenten, mit dem wir schon als Mando Diao gearbeitet haben. Deshalb würde ein Soloalbum einfach keinen Sinn machen. Jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Du bist also nicht neidisch auf Deine Brüder, die beide auch schon alleine Platten herausgebracht haben?

Gustaf: Nein. Sie arbeiten auch ganz anders als wir. Sie schreiben jeder für sich selbst, und dann versuchen sie, einen Kompromiss zu finden. In meinen Augen ist das keine gute Methode, um Musik zu machen.

Hier gibt es noch ein Interview mit Mando Diao, das ich 2009 geführt habe.

Mando Diao bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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7 Gedanken zu “Interview mit Mando Diao

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