Interview mit Phoenix

Musizieren ist für Phoenix manchmal eine Qual, sagen sie. Foto: Emi
Musizieren ist für Phoenix manchmal eine Qual, sagen sie. Foto: Emi

Wie die meisten Bands beim Melt-Festival sind Phoenix auf der Bühne wortkarg. Da soll es nur um die Musik gehen. Im Gespräch mit meiner Kollegen Ines Weißbach und mir plaudern Thomas Mars (Gesang) und Laurent Brancowitz (Gitarre) hingegen drauflos. Über den perfekten Popsong, Frust und Verrücktheit. Und über das Gefühl, sich manchmal wie Prostituierte zu fühlen.

Lasst uns über euer neues Album Wolfgang Amadeus Phoenix sprechen.

Laurent Brancowitz: Hört sich sehr gut an, wie du den Titel deutsch aussprichst.

Wieso? Wie sprecht ihr euren Albumtitel aus?

Brancowitz: Wir sollten das genauso sagen, aber wir können nicht. (lacht)

Thomas Mars: (Nennt den Titel der Platte. Das hört sich ungefähr so an:) Wulfgonk Ammadeuus Fenix.

Klingt viel besser! Mit der ersten Single aus dem Album habt ihr den perfekten Popsong geschaffen. Findet ihr das auch?

Mars: Wir mögen eigentlich das Unperfekte. Wir verbringen im Studio viel Zeit damit, spontane Dinge einzufangen. Das kann das Weiße Rauschen auf einem Aufnahmeband sein. Wir versuchen, unsere Arbeit zwar präzise zu machen. Aber gleichzeitig muss diese raue Energie bleiben.

Vielleicht machen gerade diese rohen Elementen einen perfekten Popsong aus?

Brancowitz: Kann sein. Das ist wie bei einem guten Parfüm, in dem eine Zutat eigentlich stinkt.

Was hat euch zu einem Song inspiriert, der den Namen Franz Liszts im Titel trägt?

Mars: Wir wussten vor der Arbeit am Album: Jetzt ist alles möglich. Wir haben ohne einen Deal mit einer Plattenfirma begonnen. Wir dachten, ein Vertrag würde nur falschen Druck in uns aufbauen. Je verrückter oder abseitiger unsere musikalischen Ideen waren, desto besser. Über Franz Liszt zu sprechen war so etwas für uns. Oder auch Love Like A Sunset, ein sehr langer instrumentaler Song. Wir dachten, mit solchen Dinge können die meisten Leute nichts anfangen, aber wir wären überglücklich sie zu machen. Unsere Inspiration war also die absolute Freiheit. Wir dachten wirklich, dass sich um Franz Liszt niemand mehr schert und es der kommerzielle Selbstmord für uns wird.

Brancowitz: Aber es ist der beste Song geworden, den wir bisher gemacht haben. Das ist ermutigend. Man kann als Künstler so verrückt sein, wie man will. Das ist es offensichtlich, was die Leute von dir erwarten.

Was ist das Beste am Prozess des Musikmachens?

Mars: Die Idee zu einem Song ist interessant, aber auch die Aufnahme.

Brancowitz: Jeder Song ist drei Minuten purer Genuss, aber auch sechs Wochen Schmerz während der Arbeit an dem Lied. Aber diese drei Minuten sind es absolut wert. Wenn man sich quält, beim Schreiben eines neuen Songs, muss man sich an diese drei Minuten erinnern.

Euch strengt es also wirklich an, einen Song zu schreiben?

Brancowitz: Ja, es ist sehr schwierig für uns. Wir lieben einander, aber wenn wir schreiben, sind wir oft sehr frustriert, weil wir mit unseren Grenzen konfrontiert werden. Aus manchen Leuten kommt die Musik einfach so heraus. Wie bei Air, mit der wir befreundet sind. Sie spielen drauf los, und es entsteht ein guter Song. Bei uns ist das nicht so. Wir haben sehr selten Erfolgserlebnisse, aber vielleicht freuen wir uns über diese auch viel mehr, als eine Band, der das Songschreiben leicht fällt.

So selten können diese Erfolgserlebnisse nicht sein. Ihr habt bisher vier Alben veröffentlicht.

Brancowitz: Wir haben 40 Songs in zehn Jahren veröffentlicht. Das ist einfache Mathematik. Tausende Stunden Arbeit, und dabei sind nur 40 Lieder herausgekommen. Eine sehr schlechte Quote. (lacht)

Aber die Qualität entscheidet.

Brancowitz: Das denken wir auch, deshalb machen wir weiter.

Wie unterscheidet sich das Spielen auf einem Festival wie dem Melt vom Spielen vor Fans, die zu euren eigenen Konzerten kommen?

Mars: Es ist einer der Dämonen, die viele Musiker verfolgen. Du willst die Leute von dir überzeugen, aber andererseits möchtest du auch nicht jedem gefällig sein. Manchmal fühlt man sich fast wie eine Prostituierte, wenn man versucht, zu viele Leute zu befriedigen. Und manchmal ist da einfach dieses Gemeinschaftsgefühl durch die Musik. Du weißt, dass die Leute dich verstehen.

Brancowitz: Mittlerweile kommen auch mehr Leute zu den Festivals, die speziell Phoenix sehen wollen. Da fällt es leichter, mit dem Publikum zu kommunizieren. Und wir spielen, wenn es schon dunkel ist, das ist auch einfacher. Die Leute sind offener.

Bei Rock im Park habt ihr in diesem Jahr am Nachmittag gespielt, und es waren nicht so viele Zuschauer da.

Mars: Ja, das war einer der Tage, an denen man sich wie auf der Schlachtbank fühlt. Viele von den Leuten wollten Heavy Metal hören. Wir haben da einfach nicht so gut reingepasst. Aber solche Situationen können auch eine gewisse Schönheit besitzen. Ich mag zum Beispiel die Band Glasvegas. Vor kurzem habe ich sie auf einem Festival in Frankreich gesehen, es waren kaum Leute da. Aber dennoch war es wunderschön, die Band vor dieser Nicht-Menschenmenge zu sehen. Es war ein Konzert, an das ich mich immer erinnern werden.

Brancowitz: Es ist immer ein Kampf, die richtige Wellenlänge zwischen dir und dem Publikum zu finden, egal wieviele Leute da sind.

Wird dieser Kampf einfacher, je länger euer Album auf dem Markt ist? Wolfgang Amadeus Phoenix ist am 25. Mai veröffentlicht worden.

Brancowitz: Man konnte unser Album schon aus dem Internet laden, lange Zeit bevor wir es veröffentlicht hatten. Die Leute kannten schon die Texte und haben mitgesungen. Die Fans kamen zu uns und sagten: Wir lieben Euer neues Album. Und haben dann erst festgestellt, dass sie es eigentlich noch gar nicht kennen können. Also haben sie in diesem Moment zugegeben, dass sie es heruntergeladen und sich damit strafbar gemacht haben. (lacht) Für uns war das eigentlich gut. Wir freuen uns sehr, wenn die Leute mitsingen.

Kennen die Franzosen das Melt-Festival?

Mars:
Ich denke schon. Wir erzählen ihnen zumindest davon. Es ist sicher eines der besten in Europa. Aber es ist eben weit weg von Frankreich.

Wir haben beobachtet, dass sehr viele Engländer im Publikum sind.

Brancowitz: Wirklich? Aber das ist ja ganz klar, die reisen ihren Bands wie Kasabian und Oasis hinterher. Sonst würden sie wahrscheinlich gar nicht aus ihrem Land herauskommen. Wir freuen uns, dass wir nicht am gleichen Tag wie diese Bands spielen. Wir hassen Briten. Alle, auch die toten. (lacht)

Welche Bands schaut ihr euch beim Melt noch an?

Brancowitz: Ich werde Animal Collective sehen, weil ich ihr Album mag, und Fever Ray. Ihre Show ist um ein Geheimnis-Konzept herum aufgebaut. Man sieht die Band auf der Bühne nicht wirklich. Sie stellen diese Kreaturen dar, die im Nebel stehen. Sie verstehen die Kraft der Bühne, welche Illusion man dort erschaffen kann. Ich habe die Band aber auch schon Backstage gesehen. Und geweint. (lacht)

Seid ihr auch andere Leute auf der Bühne als dahinter?

Brancowitz: Nein. Aber unser Freunde behaupten, wir wären es. Thomas ist sehr schüchtern im wirklichen Leben.

Mars: Ja, wenn ich jetzt vor euch beiden singen müsste, könnte ich das nicht. Vor einer großen Menschenmenge lernt man das irgenwie. Man muss sich allerdings im Publikum einen Fixpunkt suchen. Wenn man jemanden sieht, der lächelt und wirklich mag, was du da gerade auf der Bühne tust, kannst du eine gute Show machen. Es klingt naiv, aber es stimmt. Jedes Musikerklischee ist wahr.

Phoenix sind Sänger Thomas Mars, Bassist Deck D´Arcy sowie die Gitarristen-Brüder Christian Mazzalai und Laurent Brancowitz. International bekannt wurde die französische Popband zunächst durch den Titel Too Young. Die Regisseurin Sofia Coppola, Freundin des Sängers Thomas Mars, verwendete ihn für den Soundtrack ihres Films Lost in Translation.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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