Love Fame Tragedy – “I Don’t Want To Play The Victim, But I’m Really Good At It”

Künstler Love Fame Tragedy

Love Fame Tragedy I Don’t Want To Play The Victim, But I'm Really Good At It Review Kritik
Für sein Soloprojekt hat sich Matthew Murphy von Pablo Picasso inspirieren lassen.
EP I Don’t Want To Play The Victim, But I’m Really Good At It
Label Good Soldier Records
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Endlich austoben! Endlich keine Rücksicht mehr nehmen auf die anderen! Endlich Alleinherrscher! Dieses Gefühl dominiert nicht nur bei Teenagern, die zum ersten Mal sturmfrei haben, sondern auch bei Musikern in Bands, die ein Soloprojekt angehen. Bei Matthew „Murph“ Murphy, im Hauptberuf Frontmann der Wombats, ist das ein wenig anders. Unter dem Namen Love Fame Tragedy (nach einer Pablo-Picasso-Ausstellung in der Tate Modern) legt er heute seine erste EP I Don’t Want To Play The Victim, But I’m Really Good At It vor. Und nicht nur der Titel zeigt, dass es hier nirgends den Gestus von großem Befreiungsschlag gibt. Der Sänger leidet in seiner Band offensichtlich keineswegs an zu engem Korsett. Er will als Love Fame Tragedy einfach etwas Anderes austesten. „Ich wollte so viele neue Ideen wie möglich finden und ausprobieren. Andere Emotionen und Vibes und Tempi, als man sie normalerweise in meinen Songs finden würde. Ich wollte kreativer sein“, sagt er.

Dass er dabei nach wie vor auch Lust auf Teamwork hat, zeigt die kraftvolle Single Backflip. Als Gäste sind Joey Santiago von den Pixies (Gitarre), Gus Unger-Hamilton von Alt-J (Keyboards), Schlagzeuger Matt Chamberlain (Smashing Pumpkins, Soundgarden, Pearl Jam) und Singer-Songwriterin Lauren Aquilina dabei. „Es ist wunderbar, mit so talentierten Musikern arbeiten zu können, die alle ihre eigene Nische besetzen. Wenn du Joey die Gitarre spielen hörst, erkennst du das sofort, genau wie die Keyboardmelodien, die Gus entwirft, und den Klang seiner Stimme. Wenn solche Leute deinen Song spielen, wird er zehnmal so cool, zumindest in meiner Vorstellung“, sagt Matthew Murphy, und auch diese augenzwinkernde Bescheidenheit unterstreicht, dass I Don’t Want To Play The Victim, But I’m Really Good At It kein Ego-Fest sein soll.

Bezeichnenderweise hat er als erste Single den Song dieser von Mark Crew (Bastille, Rag’n’Bone Man) produzierten EP herausgesucht, der klanglich die größte Ähnlichkeit zu den Wombats aufweist. Ein rohes Gitarrenriff steht im Zentrum von My Cheating Heart, auch das Niedliche und Verschrobene, das zu seinem Songwriting gehört, bleibt hier erkennbar. Der Sound integriert aber hörbar mehr synthetische Elemente und wird so etwas schillernder als bei den Wombats, was gut zum Thema des Songs passt: Wir wollen immer mehr und lassen uns gerne den Kopf verdrehen, nicht nur in amouröser Hinsicht.

Pills lässt, unterlegt mit HipHop-Beat, schwerer Orgel und angedeutetem Sprechgesang, eine weitere Wombats-Parallele erkennen, allerdings deutlich indirekter. „There’s an echo in the space my heart should be“ ist die Ausgangssituation darin, die Erkenntnis heißt dann: „The pills don’t work anymore / not like they used to“, und höchstwahrscheinlich sind damit keine Spaßmacher gemeint, sondern Antidepressiva. Anti-D hieß das einst auf This Modern Glitch, und schon damals klang Schwermut so unverschämt eingängig wie auch jetzt wieder, wozu im Falle von Pills auch der Hintergrundgesang von Maddi Jean Waterhouse gehörig beiträgt.

Dass Herzschmerz und Hits bei diesem Autor schon immer bestens zusammenpassen, macht auch das abschließende Brand New Brain noch einmal deutlich. Klavierakkorde und Fingerschnipsen erzeugen darin sehr schnell eine sehr elegante Atmosphäre, der Text besingt die Sehnsucht nach dem Reset-Knopf, für das eigene Hirn, für die Welt, für die Beziehung. „Es geht darum, sich irgendwie wieder in irgendeine Form von Normalität zurückzukämpfen“, sagt Matthew Murphy. „Davon handeln eigentlich die meisten Lieder: Ich versuche, mit meiner Umgebung klarzukommen. Und damit, warum ich manche Dinge so tue, wie ich sie tue.“

Schöne Bilder für die Suche nach Zusammengehörigkeit findet das Video zu Backflip.

Love Fame Tragedy bei Instagram.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.