Man On Man – “Man On Man”

Künstler Man On Man

Man On Man Review Kritik
Schwul und behaart – diese Botschaft tragen Man On Man in die Welt.
Album Man On Man
Label Big Scary Monsters
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

It’s So Fun (To Be Gay) heißt das vierte Lied auf dieser Platte, und damit ist schon sehr viel über das Debütalbum von Man On Man gesagt: Sie sind schwul, sie mögen Spaß und sie haben Humor. Joey Holman und Roddy Bottum setzen das in diesem Song so gelassen und hypnotisch um, dass der Lobpreis der Homosexualität fast zu einer Gehinwäsche wird, und in gewisser Weise ist es auch genau das, was sie mit ihrer Band und als schwules Liebespaar im Schilde führen.

“Es gibt genug Repräsentation in der schwulen Gemeinschaft von jungen, haarlosen, hübschen Männern”, hat Roddy Bottum (der früher bei Faith No More gespielt hat) dem Rolling Stone gesagt, und in diesem Zitat steckt natürlich das Wissen, dass er und Holmann diesem Idealbild nicht entsprechen. Neben der Musik nutzt das Duo deshalb auch sehr intensiv seine Videos, um nicht nur Body Positivity zu stärken, sondern auch zu zeigen, dass schwule Musik nicht affektiert wie bei Erasure, hypersensibel wie bei Kele Okereke oder hedonistisch wie bei Hercules & Love Affair klingen muss, sondern (ebenso wie schwule Liebe) so vielfältig ist wie nicht-schwule eben auch.

Dieser Ansatz sorgt bildlich und klanglich für eine sehr frische Ästhetik, zugleich profitieren die Songs von Man On Man hörbar davon, wie sagenhaft verknallt die beiden zu sein scheinen und wie hemmungslos sie hier miteinander flirten. Die erste Single Daddy zeigt das und ist zugleich der Höhepunkt der Platte: Der Song ist vom ersten Ton an spannend und individuell, mit dem zweistimmigen Gesang und dem hymnischen Refrain wird er dann sogar noch besser. Lover wirkt wie selbstvergessen und zeigt, wie clever das Duo mit Dramaturgien arbeitet. In Two At A Time bringt das Klavier viel zusätzlichen Drive hinein, auch der Sprechgesang im Refrain ist umwerfend cool.

Stohner eröffnet das Album mit schroffer Gitarre, schwerem Beat und stoischen Bass. Die Atmosphäre ist träge und verhallt, die Wirkung aber viel zu kraftvoll, um einen Begriff wie “Shoegaze” für diesen Sound zu verwenden. 1983 ist explizit und anzüglich (“One more fuck / and I’ll feel more understood”) und profitiert von einem Keyboardsolo als überraschendes Element.

Neben solch tollen Rocksongs bietet die Platte auch viele introspektive Momente. Das softe Beach House beispielsweise könnte eine Ballade von Nada Surf oder Jimmy Eat World sein (für die Carlos de la Garza, gemeinsam mit Mike Vernon Davis einer der Co-Produzenten, auch schon aktiv war). Dem einfühlsamen Baby You’re My Everything hört man die enge, intime Verbindung an, die dieser putzigen Liebeserklärung zugrunde liegt. Der reduzierte Album-Abschluss It Floated wird packend und intensiv, für das zärtliche Please Be Friends sind Piano und am Ende gar Streicher die perfekte Instrumentierung. Die Klavierballade Kamikaze schließlich offenbart nicht nur viel Sensibilität, sondern sogar Angst – und dass diese hier neben all dem Spaß genauso artikuliert werden darf, macht Man On Man umso stärker.

Das Video zu Daddy war zwischenzeitig bei YouTube gesperrt.

Man On Man bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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