Melt Festival, Ferropolis, Gräfenhainichen, Tag 2

Ganz beachtlich: Beady Eye lockten ähnlich viele Fans vor die Hauptbühne wie Pulp einen Tag später.
Ganz beachtlich: Beady Eye lockten ähnlich viele Fans vor die Hauptbühne wie Pulp einen Tag später.

Tag 2 beim Melt in Ferropolis, oder aber: Festival für Fortgeschrittene. Das Wetter ist diesmal blendend (zumindest, wenn man nicht den Vormittag im glühend heißen Zelt verbringen muss), das Programm bietet wieder reichlich Grund zur Vorfreude und wie schon am ersten Tag beim Melt darf man gewiss sein, am Ende etwas klüger nach Hause (oder ist nicht mehr ganz so glühend heiße Zelt) zu gehen. Die wichtigsten Erkenntnisse im praktischen shitesite-Überblick.

1. Die bereits am Freitag beim Melt reihenweise beobachtete Fähigkeit zum Multitasking setzt sich in Ferropolis auch am Samstag fort. Le Corps Mince de Francoise, The Hundred In The Hands oder Metronomy sind nur einige der Acts, die mitten im Lied von einem Instrument zum anderen wechseln, bevorzugt auch hier von der Gitarre zum Synthesizer. Wenn das so weiter geht, und wenn die aktuelle Pop-Generation irgendwann einen Hang zur Bequemlichkeit entwickelt, dann ist ein Comeback der Keytar zu befürchten.

2. Für eine große Musikkarriere reicht es manchmal nicht, wenn man eine bildhübsche Sängerin, haufenweise Hits und reichlich Sportsgeist hat. Man braucht auch einen knackigen Namen. Diese Erfahrung müssen womöglich Le Corps Mince De Francoise machen, die beim Melt einen begeisternden Auftritt hinlegen. Es ist brütend heiß, Sängerin Mia Kemppainen schüttet erst Wasser über sich, trocknet die rutschige Lache auf der Bühne dann mit ihrer eigenen Jacke und legt sich ansonsten ins Zeug, als hätte sie am Vorabend das Monster-Workout von Robyn beobachtet. Das kommt so gut an, dass sicher ein guter Teil des Publikums sich am Montag sofort die Platte kaufen/downloaden/brennen lassen will. Allerdings wird dann wohl keiner mehr wissen, wie nochmal diese geile Band aus Helsinki mit dem komischen Namen hieß.

3. Jutetaschen sind die neuen Rucksäcke.

4. Dass man ein DJ-Set auch ein bisschen abwechslungsreicher gestalten kann als Großmeister Paul Kalkbrenner, beweist am Abend DJ Koze. Er lässt unter anderem Posaunen und Balkan-Sounds erklingen. Spaßig.

5. Dem allseits beliebten Festival-Schlachtruf vom “Ausziiiiiiiiiiehen!” folgen in der Regel leider nicht die Leute, die gemeint sind. Sondern immer die, bei denen man sehr gerne darauf verzichtet hätte.

6. Comedy-Zelte gibt es bei Festivals zwar schon lange nicht mehr. Aber auch bei einer Veranstaltung wie dem Melt gilt: Ein bisschen Spaß muss sein. Für die Witze-Ecke haben die Veranstalter diesmal die Editors gebucht. Die sind so unerträglich pathetisch und lächerlich ernsthaft, dass man das selbst mit ganz viel Humor kaum ertragen kann.

Ja, ich habe Beady Eye zum Interview getroffen. Spannendste Erkenntnis: Liam Gallagher ist ein Fan von Miley Cyrus.
Ja, ich habe Beady Eye zum Interview getroffen. Spannendste Erkenntnis: Liam Gallagher ist ein Fan von Miley Cyrus.

7. “Wenn wir in fünf Jahren wiederkommen und dann Headliner sind, dann spielen wir vielleicht auch ein paar Songs von Oasis”, haben mir Beady Eye im Interview versprochen. Ob das klappt? Die Foo Fighters könnten ein Vorbild sein. In jedem Fall gilt beim Melt: Die Leute, die Beady Eye am Samstag gesehen haben, werden beim nächsten Mal wieder kommen. Four Letter Word ist ein starker Auftritt, als drittes Lied erklingt ein packendes The Roller, und auch der Schluss der Show hat es in sich. Bring The Light wird richtig geil, dann folgt der Rausschmeißer Sons Of The Stage. Liam Gallagher zeigt sich ausnehmend höflich und ist natürlich mit Abstand der größte Rockstar bei diesem Festival. Auch wenn die Acts um ihn herum mehr als andeuten: Vielleicht braucht es gar keine Rockstars mehr, um trotzdem spannende, packende und bedeutende Musik zu machen.

8. Mike Skinner ist ein melancholischer Typ. Man hätte das spätestens seit Dry Your Eyes ja schon vermuten können. Seine Show beim Melt war ein weiterer Beweis. Es war die letzte Deutschland-Show von The Streets überhaupt, und vielleicht auch deshalb gab es einige ruhigere Momente (und zudem nutzte Mr. Skinner noch einmal die letzte Gelegenheit, seine Schul-Deutsch-Kenntnisse anzuwenden). Die wichtigste Ansage machte er dann aber doch auf Englisch: “I came here to party, do you know what a party is?”, wollte er zu Beginn der Streets-Show wissen – und bewies dann mit tollem Entertainment und viel Publikumsbeteiligung, dass er ein echter Festivalprofi ist.

Beady Eye spielen Three Ring Circus live beim Melt-Festival 2011:

httpv://www.youtube.com/watch?v=siN7fWoi2N4

Einen ausführlichen Rückblick auf das gesamte Melt-Festival 2011 gibt es hier.

Und die besten Fotos vom Melt gibt es in dieser Bilderstrecke bei news.de.

Meine eigene Bilderstrecke mit mehr als 50 Fotos vom Melt 2011 gibt es hier.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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3 Gedanken zu “Melt Festival, Ferropolis, Gräfenhainichen, Tag 2

  1. ach michi, leider haben wir uns nicht gesehen, obwohl es einige überschneidungen in unserem festivalplan gab. du scheinst mir aber ein bisschen früh schlafen gegangen zu sein. naja, dit alter fordert eben och tribut. die behauptung mit dem größten rock-star a.k.a “mr. stock im arsch” gilt aber nur für alle die den sonntag nicht erleben durften. (aus welchen gründen sei mal dahingestellt). mit sonntag betrachtet, ist jarvis ja nun über jeden zweifel erhaben.

  2. hi markus! wart es doch ab! der sonntag kommt doch noch, und natürlich gilt: liam hat am samstag gezeigt, dass der rockstar an sich vom aussterben bedroht ist. aber jarvis hat am sonntag bewiesen, dass es auch echt schade um diese spezies wäre.

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