Mike Shinoda – “Dropped Frames Vol. 3”

Künstler Die Kombinaten

Mike Shinoda Dropped Frames, Vol. 3 Review Kritik
Mike Shinoda setzt auf “Dropped Frames, Vol. 3” ein paar mehr echte Instrumente ein.
Album Lautwort
Label Valve Records
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Das dritte Album innerhalb von nur neun Wochen veröffentlicht Mike Shinoda mit Dropped Frames, Vol. 3. Man könnte vermuten, dass bei so viel Quantität die Qualitätskontrolle verloren gegangen ist und der Gitarrist und Keyboarder von Linkin Park einfach alles raushaut, was ihm gerade in den Sinn kommt. Zwei weitere Indizien gibt es dafür: Erstens tragen die Songs auf dieser Platte völlig nichtssagende Titel wie Vibe Train oder Sound Collector – so heißen sonst Stücke von Fließband-Komponisten, die man kostenlos herunterladen kann, um Dokumentar- oder Werbefilme mit der passenden musikalischen Stimmung zu unterlegen. Zweitens ist auch der dritte Teil dieser Reihe gemeinsam mit Fans auf Twitch entstanden: Mike Shinoda stellt dort Ideen vor und entwickelt sie gemeinsam mit den Besuchern seines Kanals im Live-Streaming-Videoportal weiter. Das klingt nicht gerade tiefgründig.

Wie schon bei Dropped Frames Vol. 1 und Vol. 2 zeigt er aber auch hier eine erstaunliche Kreativität und Vielseitigkeit. Overcast ist einer der ganz wenigen Tracks auf diesem Album, die nach Soundspielerei klingen und keinen eigenen Charakter entwickeln. Der Rest erinnert manchmal an John Carpenter (No Delete), lässt Country, Beats und – jawohl – bulgarisches Jodeln aufeinandertreffen, wie es sonst vielleicht nur Beck einfallen würde (Robot Yodel) oder wirkt, als hätte DJ Shadow einen Remix der Smashing Pumpkins gemacht (A Thousand Jams).

Besonders gerne lässt Mike Shinoda auf Dropped Frames, Vol. 3 kraftvolle Rhythmen auf eher sphärische andere Elemente treffen, dabei setzt er auch mehr echte Instrumente ein als auf den ersten beiden Teilen der Reihe. In Sidechain Gang scheint er kurz sogar seine Liebe zur Gitarre wiederzuentdecken. Die 70-sekündige Genesis Supernova ist in erster Linie ein Beat-Feuerwerk, Shoreline wird windschief, aber reizvoll, Mike’s Gonna Mike hat einen sehr guten Spannungsbogen, unter dem sich mühelos auch Dinge versammeln können, die eigentlich gar nicht zusammenpassen.

Dream Fragment eröffnet die Platte mit einem sehr typischen Sound: Das Klavier ist verträumt, die Drums eher satt, dann erklingt sogar eine Flöte, die wiederum von kraftvollen Streichern abgelöst wird. Der schon erwähnte Vibe Train ist weitgehend ruhig wie Entspannungsmusik, integriert aber ein paar widerborstige Elemente, die sicherstellen, dass man dann doch nicht wegschlummert. Der Sound Collector hat eine verwaschene Gitarre als Basis, der Rest ist einerseits sehr offensichtlich, andererseits so eng verwoben, dass es interessant bleibt. Goodbye Cow nimmt eine kleine Klavierfigur als Ausgangspunkt, aus der Mike Shinoda dann kein spektakuläres, aber doch gehaltvolles Stück macht. Auch hier spielt er wieder clever mit Kraft und Entspannung, Schönklang und Experiment, Melodie und Noise.

Die düster-geheimnisvolle Synthiemelodie in Dust Code ist eines der wenigen Elemente, die man sich auch in einem Linkin-Park-Song hätte vorstellen können. Diese Verbindung wird noch etwas enger, weil es in diesem Stück zwischenzeitig tatsächlich richtig rockig wird. Eine weitere Parallele wird klar, wenn Mike Shinoda einen seiner Beweggründe für die Dropped Frames nennt: “Am Zuspruch der Fans merke ich, dass die Sehnsucht nach Gemeinschaft zurzeit ziemlich groß ist”, sagte er dem Spiegel im Interview, und diese Idee einer Community, die auch und sogar bevorzugt übers Netz zustande kommt, war ja schon bei Linkin Park ein wichtiger Erfolgsfaktor.

License To Waltz schließt das Album ab, nimmt Tschaikowskis Blumenwalzer als Grundlage und lässt ihn wie aus einem Leierkasten klingen. Das ist noch so eine Idee auf Dropped Frames, Vol. 3, mit der man beim besten Willen nicht gerechnet hätte, die aber trotzdem funktioniert. Viele dieser Tracks sind vom Genre her undefinierbar, aber interessant – und das ist schon eine Leistung für vollständig instrumentale Musik.

Ein bisschen Linkin Park kann man im Dust Code erkennen.

Mike Shinoda bei Twitch.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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