Making Circles Of Our Own New Pagans

New Pagans – “Making Circles Of Our Own”

Künstler*in New Pagans

New Pagans Making Circles Of Our Own Review Kritik
New Pagans haben ihr zweites Album selbst produziert.
Album Making Circles Of Our Own
Label Big Scary Monsters
Erscheinungsjahr 2023
Bewertung

Vielleicht befürchten die New Pagans, selbst einmal dazuzugehören, zur langen Liste von Künstler*innen, die etwas bewirkt haben, aber in Vergessenheit geraten sind. Die Gefahr ist nicht sehr groß: 2020 wurde das Quintett in seiner Heimat mit dem Northern Ireland Music Prize als bester Live-Act ausgezeichnet. Im Jahr darauf folgte das Debütalbum The Seed, The Vessel, The Roots And All, für das es sehr gute Kritiken gab. Übermorgen legt die Band um Sängerin Lyndsey McDougall mit dem selbst produzierten Making Circles Of Our Own nach und dürfte damit ihren Status als kreative und höchst eigenständie Indie-Formation festigen. Und zwar mit zehn neuen Liedern, die (unter anderem) von Vorbildern handeln, die kaum mehr jemand kennt.

Zum Beispiel Derek Jarman, der in There We Are John besungen wird. Er “war ein visionärer Avantgarde-Künstler und Filmemacher, dessen Karriere vier Jahrzehnte und mehrere Genres umspannt. Er ist eine wichtige Figur in der Geschichte der schwulen Kultur und wurde als Queer Pagan Punk bezeichnet”, weiß Bassistin Claire Miskimmin. Und ihre Bandkollegin Lyndsey McDougall ergänzt: “Ich bin dem Werk von Derek Jarman zum ersten Mal durch seinen Küstengarten, Prospect Cottage in Dungeness, begegnet. Es brachte mir irgendwie große Gelassenheit und Hoffnung. An einem Ort, der als so trostlos galt, schuf Jarman eine wunderschöne, fruchtbare Landschaft. In diesem Song geht es um Hoffnung.” Das entsprechend Lied enthält die Titelzeile des Albums, es ist komplex und dabei wuchtig, bis hin zu einem turbulenten Finale.

Karin Was Not A Rebel, eine weitere Single, ist der schwedischen Künstlerin und Designerin Karin Bergöö Larsson (1859-1928) gewidmet. Das Stück kombiniert Edge und Eingängigkeit und entwickelt unter anderem durch seine klasse Melodie eine große Anziehungskraft, obwohl die einzelnen Teile beinahe sperrig wären, würde man sie separat betrachten. Auch hier ist klar zu erkennen, was New Pagans auf Making Circles Of Our Own am wichtigsten ist: Eigenständigkeit. So, wie es für Wellen im Wasser sorgt, wenn man einen Stein hineinwirft, so wollen sie in die Musikwelt krachen, sodass Kreise um sie herum entstehen – statt sich bloß von den Strömungen tragen zu lassen, die andere erzeugt haben.

Dabei ist es erstaunlich, wie viel Charakter und Wiedererkennungswert diese Band schon auf ihrem zweiten Album hat, was vor allem an der Stimme von Lyndsey McDougall liegt. Sie klingt oft, als sei sie kurz davor, einen Heulkrampf zu kriegen, dabei aber noch strahlend und kraftvoll wie im Album-Auftakt Better People, der Glocken, Handclaps und weitere spannende Rhythmus-Elemente sowie viel Entschlossenheit im Refrain bietet. Find Fault glänzt mit sehr kreativer Gitarrenarbeit, das straighte und dringliche Bigger Homes klingt wie Emo mit Horizont über die eigene Befindlichkeit hinaus, Comparable Reflections ist ein weiterer klasse Song mit vielen guten Ideen, die innerhalb einer perfekten Dramaturgie verbunden sind.

A Process Of Becoming setzt auf weniger Tempo und dafür mehr Atmosphäre, auch der Album-Abschluss The State Of My Loves zeigt als Streicherballade, dass New Pagans keinen Rock-Sound brauchen (auch, wenn der für die letzte Minute des Lieds doch wieder zurückkehrt), um Spannung zu erzeugen. Hear Me demonstriert zwei weitere wichtige Features von Making Circles Of Our Own: Der Bass ist oft prominent, in diesem Lied besonders, die zweite Stimme ist oft ein wirkungsvolles Feature, hier ebenfalls.

Fresh Young Overlook erweist sich als so etwas wie eine Abrechnung mit der Musikindustrie, der Beginn des Tracks wird aus der Perspektive von Imageberatern erzählt, die junge Künstler*innen manipulieren. Man hört die Frustration über vergleichbare Erlebnisse heraus, die offensichtlich auch McDougall, Miskimmin, Gitarrist und Sänger Cahir O’Doherty, Gitarrist Allan McGreevy und Schlagzeuger Conor McAuley schon hinter sich haben. Zugleich stecken auch in diesem Lied so viel Talent, Energie und Individualität, dass New Pagans es in einer gerechten Welt niemals nötig haben werden, solche Dienste in Anspruch zu nehmen, um relevant, geschätzt und hoffentlich auch erfolgreich zu sein.

Im Video zu Better People kann man vielleicht den einen oder anderen heidnischen Kult erkennen.

Website der New Pagans.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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