Nymphomaniac 2

Film Nymphomaniac 2

Nymphomaniac 2 Review Kritik
Joe (Charlotte Gainsbourg) versucht verzweifelt, ihre Lust wieder zu finden.
Produktionsland Dänemark, Belgien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien
Jahr 2013
Spielzeit 124 Minuten
Regie Lars von Trier
Hauptdarsteller*innen Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Shia LaBeouf, Connie Nielsen, Willem Dafoe, Jamie Bell, Christian Slater, Mia Goth
Bewertung

Worum geht’s?

Joe ist 40 Jahre alt und definiert sich vor allem über ihr Sexleben. Als sie nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Ex-Mann verletzt und gedemütigt auf der Straße liegt, kommt ihr ein Anwohner zur Hilfe. Der schüchterne Seligman, der sich selbst als asexuell bezeichnet, bringt Joe in seinem Gästezimmer unter, damit sie sich erholen kann. Dort erzählt sie ihm aus ihrem Leben und dem Dilemma, das sie seit vielen Jahren begleitet: Sie hat zwar eine fast unstillbare Libido, hat aber eines Tages auf einen Schlag die Fähigkeit verloren, zum Orgasmus zu kommen. Ihr Ex-Ehemann Jerôme erlaubte ihr Seitensprünge, als er sie nicht mehr befriedigen und ihrem riesigen sexuellen Appetit nicht mehr gerecht werden konnte, doch die Experimente, die Joe dann auf der Suche nach ihrer Lust beginnt, führen alle nicht zum Ziel. Sie versucht einen Dreier mit zwei Schwarzen Männern und regelmäßige Besuche in einem Sado-Maso-Studio. Weil sie so auf das Wiederfinden ihres Orgasmus fixiert ist, geht ihre Familie in die Brüche, später gefährdet sie dadurch auch ihren Job und ihre Gesundheit, als sie reihenweise die Männer ihrer Kolleginnen verführt und in Eigenregie eine Abtreibung vornimmt. Auch eine Sexsucht-Therapie hilft ihr nicht. Schließlich landet sie im kriminellen Milieu: Sie wird eine sehr erfolgreiche Schuldeneintreiberin, weil sie so gut gelernt hat, welche Schwächen die Menschen haben und wie man ihnen Schmerzen zufügen kann. Dieser Job führt aber schließlich auch zum folgenschweren Wiedersehen mit Jerôme.

Das sagt shitesite:

Die Lebens- und Liebesgeschichte von Joe aus dem ersten Teil von Nymphomaniac erzählt Lars von Trier hier mit den Kapiteln 6, 7 und 8 weiter. Die Fortsetzung ist etwas weniger explizit als der erste Teil, vor allem aber weniger spannend und packend. So viel Einsatz und Leidenschaft Charlotte Gainsbourg hier zeigt, so wenig lässt sich doch der Verdacht entkräften, Nymphomaniac 2 sei in erster Linie ein Vehikel, um erneut die Grenzen dessen auszuloten, was man im Kino zeigen darf und dabei ein paar vermeintlich provokante Gedanken zu Geschlechterbildern, Religion und den Werten unserer Gesellschaft abzugeben. Aber niemand kann als Filmemacher auf Dauer immer schockierend sein und niemand möchte als Publikum vor allem die Rolle ausfüllen, zur Versuchsperson für die Akzeptanz dieser Radikalität zu werden.

Insbesondere das Ende enttäuscht, das zugleich auf den Ausgangspunkt des Plots verweist. Dazwischen gibt es in diesen gut zwei Stunden das Problem, dass Joe im Prinzip die einzige Figur mit Tiefgang ist. Seligman ist hier viel passiver und blasser als im ersten Teil. Jerôme gibt zwar mal den liberalen Ehemann, dann den besorgten Familienvater, als der gemeinsame Sohn beinahe in den Tod stürzt während die Mama sich außer Haus amüsiert, schließlich den grausamen Rächer. Er bleibt allerdings letztlich bloß Reflexionsfläche für die Sehnsüchte seiner Frau.

Immerhin wird deren Suche nach Selbsterkenntnis und (Selbst-)Vertrauen in Nymphomaniac 2 vor allem dank der starken Leistung von Charlotte Gainsbourg interessant. Wie viel an ihrer Odyssee ist wirklich von ihrer Libido getrieben, wie viel ist Aufbegehren gegen Konventionen und vor allem patriarchalische Bevormundung? Wie sehr beruht der Reiz ihrer Abenteuer wirklich auf einem neuen, konsequenten Ausleben von weiblicher Sexualität, wie sehr bezieht sie ihren Kick dabei auch aus der Bestätigung, der Verweigerung und dem Spiel mit männlicher Projektion auf ihren Körper und ihren Lebenswandel? Wie sehen ihre Prioritäten wirklich aus angesichts der Suche nach Bindung, zuerst mit Jerôme, später mit ihrer Ziehtochter P, die sie an den Job im Inkasso-Geschäft heranführen will, und dem Ausleben des Triebs, der ihr nicht einmal mehr Befriedigung verschafft? In diesem schonungslosen Hinterfragen von weiblicher Lust, Verantwortung und Eigenständigkeit liegt die eigentliche Radikalität dieses Films, der hinsichtlich einer Antwort aber leider im Ungefähren bleibt.

Bestes Zitat:

“Jedes Mal, wenn ein Wort verboten wird, bricht man einen Stein aus den Grundmauern der Demokratie. Die Gesellschaft demonstriert ihre Ohnmacht angesichts eines konkreten Problems, indem sie Worte aus der Sprache streicht. (…) Wie erhöhen die, die richtig sagen und falsch meinen und verhöhnen die, die falsch sagen und richtig meinen.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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