Pkew Pkew Pkew – “Optimal Lifestyles”

Künstler Pkew Pkew Pkew

Pkew Pkew Pkew Optimal Lifestyles Review Kritik
Mit Craig Finn (The Hold Steady) haben Pkew Pkew Pkew “Optimal Lifestyles” aufgenommen.
Album Optimal Lifestyles
Label Big Scary Monsters
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Ich habe nachgezählt: Es gibt 40 Zeilen auf diesem Album, die einen Bezug zu Alkohol haben. Wiederholungen sind da noch gar nicht mitgerechnet. „Let’s get drinking and singing”, lautet die erste, “We’ll drink it all tonight / We lead thirsty, humble lives”, heißt die letzte. Unverkennbar haben Pkew Pkew Pkew aus Toronto ab und zu mal Durst, und sie haben offensichtlich kein Problem damit, wenn ihre Getränke auch Rauschmittel sind.

Man könnte Optimal Lifestyles, ihr zweites Album nach dem Debüt 2016, jetzt vielleicht für eine prollige Sauf-Punk-Platte halten à la „Komm Bruder, trink noch einen“, Humptatahumptata, Oi Oi Oi. Doch davon kann keine Rede sein. So omnipräsent der Alkohol hier ist, so klar wird: Er ist ein Medium für den Übergang in eine bessere, weniger graue, trostlose und monotone Welt. Er ist keine glamouröse Droge und auch nicht im Überfluss verfügbar, sondern ein hart verdienter, kleiner Luxus. Und er wird auch nicht unreflektiert konsumiert. Bei jedem gelungenen Abend mit ein paar Kumpels und ein paar Bier steht auch der Gedanke im Raum: Warum müssen wir uns eigentlich besaufen, um dieses Leben zu ertragen?

Auch ein paar der erwähnten Zeilen bestätigen das, und in der Tat liefert Optimal Lifestyles gleich mehrfach feinste Fusel-Poesie. „Let’s take these beers and drown our sorrows”, ist noch der offensichtlichste Beleg dafür, “There’s a hole in my heart about the size of a bottle / and I like to fill it in every day”, singt Frontmann Mike Warne an einer anderen Stelle. Später heißt es: „I’ll be nice and not say what I think / and I hope no one notices how much I drink / at the adult party.”

Gleich mehrfach haben er und seine Bandkollegen Ryan McKinley (Gitarre/Gesang), Emmett O’Reilly (Bass/Gesang) und David Laino (Schlagzeug) sogar Lieder gemacht, die Alkohol nicht nur beiläufig erwähnen, sondern als zentrales Thema haben. Thirsty And Humble beginnt wie ein Song von Bruce Springsteen, wird dann aber von der Zeile „I already drank six beers and I got 28 bucks / when I go out tonight I ain’t giving no fucks“ in einen deutlich stümischeren Modus transportiert. Mt. Alb ist von allen Liedern dieser Platte dasjenige, das am meisten nach Punk im klassischen Sinne klingt, und handelt von den Schwierigkeiten, als Minderjähriger an Alkohol zu kommen. Auch in Passed Out wird Saufen nicht Begleiterscheinung von Party oder Frust, sondern Kern des Liedes selbst.

Still Hanging Out After All These Years eröffnet Optimal Lifestyles, es gibt zunächst Feedback, wilde Drums und Chorgesang, der in den ersten beiden Zeilen zum gemeinsamen Herumhängen auffordert. Zwischendurch schmuggeln Pkew Pkew Pkew noch ein schönes Chuck-Berry-Gitarrensolo hinein, am Ende zählt Mike Warne diverse Biersorten auf, immer unterbrochen von der Zeile „Let’s get to drinking.“ Später folgt ein Track mit dem bezeichnenden Titel Drinkin’ Days, der einen Hauch von Melancholie erkennen lässt.

Natürlich haben Pkew Pkew Pkew mit dem Leben als Band ein perfektes Umfeld (und einen guten Vorwand) für ihre ausgeprägte Feierlaune gefunden. Auch das wird von ihnen freilich erkannt. „Es macht Spaß, wie ein Idiot zu leben, aber es ist wahrscheinlich auch schlecht. Wir fragen uns ständig, ob wir unser Leben ruiniert haben, weil wir in einer Band spielen“, sagt Mike Warne.

Die neue Platte, aufgenommen mit Craig Finn (The Hold Steady), ist eine wundervolle Entsprechung dieser Mischung aus Leichtfertigkeit und Reflexion. Die Lead-Single I Don’t Matter At All hat eine verspielte Gitarre, wie man das von The Rakes oder Good Shoes kennt, durch die gesprochenen Passagen kann man auch an die Arctic Monkeys oder Strokes denken, durch den Harmoniegesang an Weezer. Als wäre das alles nicht schon wundervoll genug, erweist sich das Stück tatsächlich als ein ziemlich herzzerreißendes Liebeslied. The Polynesian wird extrem eingängig, Point Break überrascht mit einem Saxofonsolo, was einen umwerfenden Effekt hat, Skate 2 beweist, dass sie auch jenseits der 30 noch unbändigen Spaß haben an dieser Form der Fortbewegung, vor allem aber an diesem Lebensstil.

65 Nickels zeigt maximale Nervosität und Abenteuerlust, wie eine musikalische Entsprechung für das hier besungene Kleingeld, das sprichwörtliche Löcher in die Hosentaschen brennt. I’m Not Getting Through To You wird Fans von Blink 182 oder Wheatus gefallen, auch wenn es hier natürlich dreckiger und mit mehr Punch und Ungestüm zur Sache geht. In The Pit wird Mike Warne ausnahmsweise mal zum Außenseiter, gerade weil er auf eine Möglichkeit zu Party und Exzess verzichtet. Bei I Wanne See A Wolf steigert er sich wie ein kleines Kind in die Vorstellung der Begegnung mit einem Raubtier hinein und so abenteuerlustig klingt das Lied auch. Man erkennt natürlich, dass er eine Geistesverwandtschaft sieht zwischen der Wildheit und Einsamkeit des Wolfes mit seinem eigenen Wesen. In Everything’s The Same wird plötzlich das Klavier zum dominierenden Instrument, tatsächlich erweist sich der Song als eine Ballade rund um die Frage: „Do you think it’s too late for me / to age gracefully?“

Der wohl prägnanteste Track auf Optimal Lifestyles wird Adult Party. Der Song zeigt: Pkew Pkew Pkew haben kein Problem damit, melodiös und sogar plakativ zu sein, aber ein großes Problem damit, langweilige Partys zu besuchen, bei denen man sich benehmen soll. Die Zeile „Rich kids, go fuck yourselves“ ist der beste Moment des Albums und ein großartiger Punk-Slogan. Natürlich auch, weil er darauf verweist, dass eine dekadente Partynacht mit Limousine, Szeneclub und Designerdrogen niemals so wertvoll sein kann wie ein Saufgelage mit den besten Freunden in irgendeiner schäbigen Bude, zu dem jeder ein paar Bierdosen mitbringt. Die Leichtigkeit, der Zusammenhalt und das Selbstbewusstsein solcher Abende sind die Dinge, für die Pkew Pkew Pkew leben. Das zeigt diese famose Platte und das bestätigt auch Mike Warne gerne noch einmal: „Es gibt immer etwas Besseres, und es macht Sinn daraufhin zu arbeiten. Das ist der beschissene und gute Teil: wenn Du nicht weiter machst, dann hast Du ein für alle Mal aufgegeben.“

83 Sekunden dauert es im Video zu 65 Nickels, bis Alkohol im Bild ist.

Pkew Pkew Pkew sind als Support für Spanish Love Songs auf Europatour, mit sechs Terminen in Deutschland

27.04.19 – Neunkirchen – Antattack Festival

28.04.19 – Bremen – Kulturzentrum Lagerhaus

01.05.19 – Darmstadt – Oetinger Villa

03.05.19 – München – Backstage

29.04.19 – Düsseldorf – The Tube

30.04.19 – Münster – Uncle M Festival

Pkew Pkew Pkew bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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