Telex – “This Is Telex”

Künstler*in Telex

This Is Telex Review Kritik
“This Is Telex” versammelt Singles aus fast 30 Jahren.
Album This Is Telex
Label Mute
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Der Name der Band, die Marc Moulin, Dan Lacksman und Michel Moers 1978 in Brüssel gründeten, hätte kaum passender gewählt sein können. Schließlich benannten sich Telex nach einer Technologie, die einmal als revolutionär galt, zu diesem Zeitpunkt aber schon deutlich auf dem absteigenden Ast war. Der TELeprinter EXchange (hierzulande oft auch schlicht “Fernschreiber” genannt) war bereits seit den 1930er Jahren im Einsatz. Im Gründungsjahr des Trios gab es in Westdeutschland mehr als 120.000 Anschlüsse. Allerdings war am Horizont, etwa durch die damals immer günstiger werdenden Faxgeräte (im Jahr darauf führte die Deutsche Bundespost den Faxdienst als Dienstleistung ein), schon das Ende des Telex-Zeitalters zu erkennen. Auch die Schwächen dieser Art der Informationsübermittlung waren längst offenkundig.

Wie perfekt das zur Musik dieser Band passt, macht die Compilation This Is Telex sehr schnell deutlich. Sie versammelt Singles vom Debüt des belgischen Trios bis hin zu Songs vom letzten Album aus dem Jahr 2006, zwei Jahre vor dem Tod von Marc Moulin. Der Überblick erscheint in limitierter Auflage auf farbigem Vinyl, Kassette und CD. Ein Stück wie Moskow Diskow zeigt die Doppelbödigkeit, die in diesen Formaten ebenso steckt wie im Bandnamen von Telex: Der Sound, im Text als “la nouvelle musique” gepriesen, gaukelt Fortschritt und den Glauben daran vor, scheint sich in Wirklichkeit aber darüber lustig zu machen.

Für Fans dürfte nicht nur spannend sein, dass Lacksman und Moers die Stücke neu gemischt und von den Originalbändern remastert haben, wobei sie auch einige Elemente gelöscht haben. “We simplify. We take away, to create something more efficient, more Telex”, sagt Lacksman zu dieser Methode. Auch zwei erst kürzlich entdeckte und somit bislang unveröffentlichte Tracks sind natürlich ein Fest für Freunde der Synthie-Pop-Pioniere. The Beat Goes On:Off (im Original von Sonny & Cher) eröffnet nun den Reigen, strahlt eine Coolness wie Laid Back aus und lässt das Reduzierte und Repetitive dieser Musik zugleich verstörend wirken. Dear Prudence macht den Abschluss als ungewöhnliche Wahl für eine Beatles-Coverversion und wird, wie nicht anders zu erwarten war, natürlich auch ungewöhnlich in der Umsetzung.

Neuinterpretationen des Materials anderer Künstler*innen waren auch sonst eine Vorliebe von Telex. Ihre erste Single Twist à Saint-Tropez war im Original eine Veröffentlichung von Les Chats Sauvages. Die Belgier entlarven mit ihrer Version – auch das ist eine Telex-Spezialität – die Einfachheit, ja Naivität vieler bis dahin üblicher Pop-Entwürfe. Dance To The Music (ursprünglich von Sly And The Family Stone) bekommt bei ihnen eine erstaunliche Körperlichkeit angesichts der Tatsache, dass hier jeder Klang nicht aus einem Instrument, sondern aus einem Schaltkreis kommt. Es klingt beinahe, als würde Schweiß aus den Rechnern tropfen. The Number One Song In Heaven, gemeinsam mit Sparks entstanden, von denen auch die Vorlage stammt, wird sehr elegant und einnehmend, aus Bill Haleys La Bamba machen sie ein irres Vergnügen.

Für Telex-Novizen bietet die Compilation einen sehr guten Einstieg und zeigt, dass auch die Eigenkompositionen schillernd sind. Drama Drama könnte man sich auch von den Talking Heads vorstellen, L’Amour Toujours könnte in dem Moment entstanden sein, als David Bowies Major Tom plötzlich romantisch wurde, Rendez-Vous dans L’Espace scheint ein wenig die Ästhetik von Air vorwegzunehmen, ein Song wie Exercise Is Good For You hätte hingegen in jedem Zeitalter der Pop-Geschichte einfach nur durchgeknallt gewirkt. Stücke wie Radio-Radio oder Beautiful Li(f)e lassen eine Collage-Technik ähnlich wie bei Cabaret Voltaire erkennen, aber mit ganz anderen Resultaten.

Ein Highlight ist Euro-vision. Mit diesem Lied sind die drei Belgier tatsächlich 1980 beim Eurovision Song Contest aufgetreten. Auch hier gilt, wie beim Telex: Futuristisch klang es wahrscheinlich schon damals nicht, hochgradig eingängig ist es aber noch immer. Weitere Fundstücke und Neuauflagen sollen Folgen: This Is Telex ist als Auftakt zu einer umfassenden Reissue-Serie angekündigt.

Die Eisenbahn im Video zu Moskow Diskow ist wahrscheinlich nicht transsibirisch.

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Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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