Teno Africa – “Amapiano Selections”

Künstler Teno Africa

Teno Africa Amapiano Selections Review Kritik
Eigenständigkeit statt Gesang ist das Prinzip bei Teno Africa.
Album Amapiano Selections
Label Awesome Tapes From Africa
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Wer Teno Africa nicht kennt: Dahinter verbirgt sich der DJ und Produzent Lutendo Raduvha, der mit 21 Jahren hier sein Debütalbum vorlegt. Wer Amapiano nicht zuordnen kann: Dieser Sound ist so etwas wie eine Mischung aus Deep House, Dubstep und Kwaito-Musik, entstanden in den Townships der südafrikanischen Provinz Gauteng, die auch die Heimat von Teno Africa ist.

“Ich habe mich seit 2016 mit Amapiano beschäftigt, weil ich herausfinden wollte, wie es produziert wird und wie man das erweitern kann. Es wurde in unserem Land nicht ernst genommen”, sagt er. Was den Sound ausmacht, ist sowohl eine kraftvolle Tanzbarkeit als auch eine Vorliebe für mehrfach auftauchende Motive, wie man das aus dem Jazz kennt, und eine gern düster-synthetische Stimmung. Smooth Criminal ist ein Track, der vielleicht besonders typisch dafür ist: Es gibt eine entspannt-elegante Melodie auf dem Rhodes-Piano, dazu einen Rhythmus, der eher nach vorne will, und dann ein Klavier, das direkt aus einem Film von John Carpenter entsprungen zu sein scheint. Der Auftakt Ambassadors (feat. Diego Don, Stylo Musiq & Flame Darula) wirkt beinahe wie ein paar Bruchstücke, die sich zufällig begegnen und vorsichtig die Nähe zueinander suchen. Der Abschluss Chants Of Africa lässt glauben, ein Drumcomputer und ein Sequenzer seien in die Wüste gefallen, hätten sich selbständig gemacht und würden dann ihre ganz eigene Geschichte erzählen.

Trotz des Songtitels enthält übrigens auch Chants Of Africa nur ganz wenige Vocals, die sonst in diesem Genre durchaus typisch, aber auf Amapiano Selections fast nirgends zu finden sind. So setzt Storytellers viel mehr auf Beat als auf Melodie, Atmosphäre oder gar Text/Gesang. Nur gelegentlich deutet sich darin an, dass es eine feste Struktur findet, durch ein kurzes Stimm-Sample oder ein Saxofon, aber all diese Indizien erweisen sich schnell als trügerisch. “Ich habe mich bewusst gegen Gesang entschieden. Die Leute sollen sich so auf die Instrumente und meinen Style konzentrieren können, schließlich ist das mein erstes Album”, lautet die Begründung von Teno Africa. Voll und ganz folgt aber auch er dem ausgeprägtem Do-it-yourself-Ethos von Amapiano: Viele der Künstler in diesem Genre beginnen mit einer einfachen Software, verbreiten ihre Musik via Filesharing-Plattform und vermarkten sie über ihre Social-Media-Kanäle. Das ist erstaunlich erfolgreich: Die heute auch physisch erscheinende Platte ist schon seit Oktober 2020 digital verfügbar und die meistverkaufte Veröffentlichung des Labels Awesome Tapes From Africa im vergangenen Jahr gewesen.

Irritierend sind Einflüsse von Eurodance, die man hier manchmal zu erkennen vermeint, etwa im energischen Conka, das schließlich auch etwas integriert, das eine Zither oder Harfe sein könnte, was das Ganze noch verwirrender macht. Auch der Synthie-Bass in Trip To Vlakas könnte von Snap oder Technotronic sein, aber der Rest ist ein einziges Experiment. Ohnehin dürfte Teno Africa vor allem für ein Publikum interessant sein, das an elektronischen Sub-Genres ebenso interessiert ist wie an neuen, globalen Sounds. Für alle anderen dürften die Amapiano Selections kaum Anknüpfungspunkte bieten. In einem Track wie 8 Ubers wird zwar der Beat konkreter und fordernder, die Taxi-Flotte scheint allerdings kein Ziel zu haben, sondern sich beim Cruisen durch die Stadt ein bisschen zu sehr selbst zu gefallen. Und für einen Song wie Lerato La Bass trifft zu, was für etliche Passagen dieser Platte gilt (und für Freunde des Genres sicherlich ihren Reiz ausmacht): Es ist fast ebenso sehr ein Hörspiel wie ein Musikstück.

Die Chants Of Africa als Hörprobe.

Teno Africa bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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