VAR Videoschiedsrichter Reform

Vier Vorschläge zur Rettung des Fußballs (und zur Beendigung des VAR-Chaos)

VAR Videoschiedsrichter Reform
Wie kommt die VAR-Entscheidung zustande? Das Publikum bekommt davon nichts mit, weder im Stadion noch am Smartphone. Foto: Presseportal / Sky Deutschland

Wieder ist ein Bundesliga-Wochenende vorbei, wieder wird fleißig über den Video Assistant Referee (VAR) diskutiert. Seit 2017/18 wird dieser in der Bundesliga eingesetzt, entscheidende Probleme in der Umsetzung und damit in der Akzeptanz sind aber weiterhin nicht ausgeräumt. Am Wochenende beschwerte sich Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia, der VAR würde die Schiedsrichter auf dem Platz “enteiern”, nachdem zwei Strafstöße gegen seine Mannschaft erst nach Intervention aus dem Kölner Keller ausgesprochen wurden, mindestens der letzte davon war fragwürdig angesichts der eigentlich angedachten Nutzung des VAR (siehe 2 unten) und möglicherweise entscheidend im Kampf um den Klassenerhalt. In Leipzig beklagte sich Coach Marco Rose, der VAR werde in Deutschland “inflationär” eingesetzt, nachdem seinem Team ein reguläres Tor zum Ausgleich aberkannt wurde, ebenfalls erst nach Eingriff des Videoassistenten und möglicherweise entscheidend im Kampf um Meisterschaft und Champions-League-Plätze.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der für die Durchführung verantwortlich ist, zeigt sich nach fünf Jahren – anders als viele Fans, Spieler und Vereinsvertreter – zufrieden mit der VAR-Zwischenbilanz und zählt gerne auf, wie viele Fehlentscheidungen verhindert wurden, weil die zusätzlichen Schiedsrichter, die im Kölner Keller mit zahlreichen Kameraperspektiven strittige Szenen bewerten können, korrigierend eingegriffen haben. Es ist auch unbestritten, dass der VAR regelmäßig richtige Entscheidungen trifft. Für Unmut sorgen aber weiterhin andere Faktoren: Weder bei der Frage, wann der VAR eingreift und wann nicht, wird stringent gehandelt, noch bei der Bewertung vergleichbarer Spielsituationen, die dann geprüft werden. Mal meldet sich der Videoassistent nach einer heiklen Szene, mal nicht. Mal schaut sich der Schiedsrichter auf dem Platz die Aktion noch einmal selbst auf einem Monitor im Stadion an, mal nicht. Mal wird so entschieden, mal so, obwohl die vermeintlichen Vergehen absolut vergleichbar sind.

Insbesondere beim Handspiel im Strafraum hat das zu einer Situation geführt, “bei der keiner mehr durchblickt” (Union Berlins Trainer Urs Fischer nach dem Spiel in Leipzig). Und vor allem ist es in der Live-Situation für die Fans im Stadion und am Fernseher kaum nachvollziehbar, was da gerade passiert, während zwischen dem Schiedsrichter auf dem Feld und dem VAR in Köln oft minutenlang um eine Entscheidung gerungen wird. Das nimmt nicht nur Emotionen heraus (ein Tor des eigenen Teams bejubelt man lieber nur mit angezogener Handbremse, weil der VAR es ja noch annullieren könnte), sondern mindert vor allem die Akzeptanz der Schiedsrichterentscheidungen.

Viele Beteiligte haben das erkannt, der Frust ist groß. Auch nach fünf Jahren ist kein klarer Trend zur Besserung zu sehen, im Gegenteil wurden zuletzt wieder Stimmen laut, die eine völlige Abschaffung des (eigentlich sinnvollen) VAR fordern. Deshalb vier Vorschläge, wie dieses Hilfsmittel besser im Sinne des Fußballs eingesetzt werden kann. Die Punkte 2-4 lassen sich sehr kurzfristig und bei Bedarf auch zunächst nur in der Bundesliga umsetzen.

1. Handspielregel reformieren
Ein großer Teil der besonders hitzigen VAR-Diskussionen dreht sich um Situationen mit Handspiel im eigenen Strafraum und die Frage, ob es mit Elfmeter zu bestrafen ist. Der Einsatz des VAR hat dabei nur deutlich gemacht, dass die Regel schon vorher nicht ideal war, das Herumdoktern mit kleinen Regeländerungen seitdem hat die Verwirrung noch vergrößert. Ein Kriterium wie “Absicht” ließe sich nur nach ausführlichen neurophysiologischen Untersuchen und philosophischen Betrachtungen objektiv überprüfen (wenn überhaupt), eine “Vergrößerung der Körperfläche” findet keineswegs statt, wenn ein Spieler seinen Arm nach oben bewegt (es ist dann eben nur ein Teil seiner Körperfläche an einer anderen Stelle), auch die Frage nach einer “natürlichen” Körperhaltung ist im turbulenten Geschehen im Strafraum, mit Aktionen in höchster Geschwindigkeit und oft unter Gegnerdruck, kaum eindeutig (das heißt auch: so reproduzierbar, dass es immer Elfmeter gibt, wenn ein Spieler eine bestimmte Haltung annimmt und dabei den Ball mit der Hand berührt) zu klären.

Das Grundproblem dabei ist, dass beim Handelfmeter schon längst ein Grundprinzip der Fußballregeln außer Kraft gesetzt ist. Die Regeln wurden ja geschaffen, um unfaires Spiel zu unterbinden und insbesondere Spieler/Mannschaften durch den Schiedsrichter zu bestrafen, die versuchen, sich mit unlauteren Mitteln einen Vorteil zu verschaffen. Die Härte der Strafe hängt dabei davon ab, wie groß der Vorteil ist, den man sich zu verschaffen versucht beziehunsgweise wie groß der Nachteil für den Gegner ist, der durch die unfaire Aktion entsteht. Das Ausmaß der Sanktion entspricht, so ist der Grundgedanke, dem Ausmaß des Vergehens. Bekanntestes Beispiel dafür ist sicher die “Notbremse”: Foult ein Spieler einen Angreifer, der von keinem anderen mehr daran gehindert werden kann, frei aufs Tor zuzulaufen und somit eine riesige Torchance zu haben, gibt es eine Rote Karte. Der verteidigende Spieler hat dem Gegner eine potenziell sehr große Möglichkeit geraubt, ein Tor zu erzielen, er muss also vom Platz. Auch die Gelbe Karte für taktisches Foul illustriert gut dieses Grundprinzip: Könnte die angreifende Mannschaft schnell gegen einen ungeordneten Gegner vorstoßen und wird daran durch ein Foul gehindert, wird der foulende Spieler verwarnt. Er hat dem Gegner die Möglichkeit zu einem Überraschungsangriff genommen, aus dem potenziell große Torgefahr hätte entstehen können. Sein Foul bringt der eigenen Mannschaft einen erheblichen Vorteil und dem Gegner einen erheblichen Nachteil, deshalb die Gelbe Karte.

Beim Handspiel im Strafraum ist es fast immer anders. In den meisten Situationen, die derzeit diskutiert werden, verschafft sich der verteidigende Spieler keineswegs einen Vorteil, indem er mit seinem Arm den Ball berührt. Das war auch an diesem Wochenende wieder gut zu sehen, beim Leipziger Simakan (der mit Elfmeter bestraft wurde) oder beim Kölner Martel (kein Elfmeter in einer vergleichbaren Szene). Der Ball berührt einfach den Arm, in Allerweltsszenen, durch Pech oder Ungeschick, meist in Situationen, in denen die angreifende Mannschaft weit davon entfernt war, gerade unmittelbare Torgefahr zu produzieren. Ein extremes Beispiel: Ein Querschläger, den die verteidigende Mannschaft mühelos hätte klären können oder der ins Aus gegangen wäre, landet am Arm eines Verteidigers, was ihm vom Schiedsrichter als “unnatürliche Körperhaltung” oder “Vergrößerung der Körperfläche” ausgelegt wird. Die Sanktion für ein Vergehen, mit dem sich der Verteidiger keinerlei Vorteil verschafft hat und durch das der angreifenden Mannschaft keinerlei Nachteil entstanden ist, ist dann ein Handelfmeter. Natürlich kann man sagen, dass auch Ungeschick bestraft werden darf. Aber das Grundprinzip, dass das Ausmaß der Sanktion (hier Elfmeter, der statistisch zu 75-80 Prozent vom Gegner verwandelt wird, also ein Gegentor bedeutet) zum entstandenen Schaden/Nachteil für den Gegner passen sollte (der beispielsweise in der Situation mit so einem Querschläger-Handspiel kaum existent war), ist hier ad absurdum geführt.

Genau dieses Grundproblem ist durch die VAR-Möglichkeiten verschärft worden. Man sieht mehr Bälle, die gegen die Hand gehen, und muss dann diskutieren, ob Absicht, eine unnatürliche Haltung oder eine Vergrößerung der Körperfläche vorliegt, ob der Ball den Arm oberhalb oder unterhalb der T-Shirt-Linie berührt, ob sich jemand selbst angeschossen oder sich im Fallen abgestützt hat etc. Sehr häufig sind das Szenen, in denen ein Abwehrspieler angeschossen wird (der Ball geht zur Hand, nicht die Hand zum Ball) oder im Gewühl keine volle Körperkontrolle hat. In solchen Situationen eine so drastische Strafe wie einen Elfmeter zu verhängen, ist unverhältnismäßig. Das zeigt auch ein Vergleich zu einer anderen Strafe, nämlich bei der Rückpassregel. Hier ist es nachweislich so, dass ein Verteidiger bewusst den Ball zum eigenen Torwart spielt (nur dann ist es ja strafbar) und dieser bewusst und regelwidrig den Ball mit der Hand aufnimmt – oft, weil er unter Druck eines Gegenspielers ist und sich nicht mehr anders behelfen kann. Würde er den Ball nicht mit der Hand aufnehmen, würde er den Ball höchstwahrscheinlich an einen Spieler der angreifenden Mannschaft verlieren, die so direkt im Strafraum in einer sehr brenzligen Situation in Ballbesitz käme, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer großen Torchance führen würde. Trotzdem wird der Torwart, der hier also absichtlich einen Regelverstoß begeht und sich nachweislich einen beträchtlichen Vorteil verschafft, durch die Rückpassregel nur mit einer Gelben Karte und Freistoß für den Gegner bestraft. Die Benachteiligung des Gegners ist viel größer als bei den allermeisten Handspielen, die Sanktion ist aber viel sanfter (Gelbe Karte und Freistoß statt Elfmeter).

Dieser Vergleich führt auch zur möglichen Lösung des Handspiel-Problems, was einen großen Teil der VAR-Debatten obsolet machen würde. Die Regel sollte lauten: Handelfmeter gibt es nur noch, wenn der Verteidiger sich durch das Handspiel einen beträchtlichen Vorteil verschafft beziehungsweise der angreifenden Mannschaft durch sein Handspiel einen beträchtlichen Nachteil verschafft. Klassische Situationen dafür sind beispielsweise ein Schuss, der aufs Tor gekommen wäre und mit dem ausgestreckten Arm geblockt wird, eine Flanke, die ein Abwehrspieler in Volleyball-Manier mit der Hand klärt, oder eine Hereingabe, die zu einem Angreifer in gefährlicher Position gekommen wäre, diesen durch bewusstes Handspiel eines Verteidigers aber nicht erreicht. Nur in solchen Fällen verschafft sich die verteidigende Mannschaft einen signifikanten Vorteil, nur dann ist also auch eine so drastische Strafe wie ein Elfmeter gerechtfertigt (und gegebenenfalls ein Eingriff des VAR, siehe 2). In allen anderen Fällen, wenn der Verteidiger also nicht bewusst die Hand einsetzt, um eine gefährliche Situation der angreifenden Mannschaft zu unterbinden und sich damit einen unfairen Vorteil zu verschaffen, wird das Handspiel mit indirektem Freistoß im Strafraum geahndet.

Man könnte nun anmerken: Bei Foul im Strafraum gibt es auch immer Strafstoß – egal, wie brenzlig die Situation war und wie groß der Vorteil ist, der für die angreifende Mannschaft durch das Foul unterbunden wird. Zum Beispiel bei einem ungeschickten Schubser oder kurzem Trikotziehen gegen einen Angreifer, der gerade aus dem Strafraum hinaus läuft, ist wohl kaum davon auszugehen, dass hier eine unmittelbare Torgefahr verhindert wurde. Auch hier steht der Vorteil, den sich der Verteidiger durch unfaires Spiel verschafft, also keineswegs im Verhältnis zur Strafe. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied zum Handspiel: Foul kann nur im Zweikampf geschehen. Der Verteidiger entscheidet sich, den Angreifer zu attackieren, um seine Aktion zu unterbinden, und geht dabei willentlich das Risiko von Körperkontakt und Foul ein. Er hätte die Möglichkeit gehabt, auf den Zweikampf zu verzichten oder ihn anders (ohne Foul) zu führen. Bei den meisten Handspielen, für die es derzeit Handelfmeter gibt, haben sich die Verteidiger keineswegs willentlich entschieden, ihre Arme als Verteidigungsinstrumente einzusetzen. Sie haben nicht willentlich den Kontakt von Arm und Ball gesucht – und sie haben nicht die Möglichkeit, auf ihre Arme zu verzichten.

2. Weniger VAR-Eingriffe
Beim Einsatz des VAR insbesondere in der Bundesliga gibt es ein elementares Missverständnis, das auch mit einer unzureichenden Übersetzung der (auf Englisch verfassten) Fifa-Regeln beruht. Bei Schiedsrichtern und auch bei vielen Sportjournalisten ist stets davon die Rede, der VAR dürfe nur bei “klaren Fehlentscheidungen” eingreifen. Die Regel spricht im Original aber von “clear and obvious errors”, also klaren und offensichtlichen Fehlentscheidungen. Damit ist eine deutlich höhere Hürde gezogen, die in der Bundesliga häufig nicht beachtet wird.

Videoschiedsrichter Kritik
Laut einer Kaspersky-Studie aus 2021 ist fast die Hälfte der jungen Menschen (unter 31 Jahre) für Videoschiedsrichter. Foto: Presseportal / Kaspersky Labs GmbH

Die Videoassistenten scheinen manchmal den Anspruch zu haben “Wenn wir hier schon sitzen, und wenn die Technik schon verfügbar ist, dann wollen wir uns auch zum Ziele maximaler Korrektheit einbringen.” Die Motivation ist offensichtlich häufig, Kann-Entscheidungen noch einmal gründlich zu prüfen. Genau das ist nicht der Sinn des VAR. Genau deshalb wird so häufig über fehlende Verhältnismäßigkeit und Konsistenz diskutiert (wann greift VAR ein, wann nicht, wieso werden sehr vergleichbare Situation so unterschiedlich bewertet), genau deshalb ist das Wörtchen “obvious” so wichtig. Es bedeutet “offensichtlich”. Schon der Wortlaut zeigt also: Wenn etwas nicht offen zu sehen (das heißt: sofort zu erkennen) ist, nicht auf der Hand liegt, wenn es zwei Meinungen und Ermessensspielraum geben kann oder sich Szenen im Graubereich abspielen, dann ist laut Regel kein Eingriff des VAR zulässig. Würde dies berücksichtigt, wäre der “inflationäre” VAR-Gebrauch sofort erledigt.

Viel häufiger sollten sich die Videoassistenten also die Frage stellen: “Liegt in dieser Szene ein offensichtlicher Fehler vor?” statt “Kann man diese Situation nach 43 Zeitlupen auch anders bewerten?” oder “Ist die Entscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz zu 100 Prozent korrekt oder nur zu 62 Prozent richtig?” Dann müsste deutlich seltener eingegriffen werden (nämlich fast nur noch bei Abseitssituationen, wo die technischen Hilfsmittel wie kalibrierte Linien mittlerweile zuverlässige und schnelle Ja/Nein-Entscheidungen zulassen; fast alle anderen VAR-Situationen haben nämlich einen gewissen Interpretationsspielraum). So würden auch die Momente des “Enteierns” der Unparteiischen auf dem Platz seltener und ihre Autorität zudem gestärkt, indem man ihnen wieder mehr Ermessensspielraum gibt. Auch die Beeinträchtigungen der Emotionalität für die Fans im Stadion oder vor dem Fernseher würden reduziert, denn nicht zuletzt könnte dadurch das langwierige Onfield-Review (der Schiedsrichter im Stadion schaut sich Szenen auf einem Monitor am Spielfeldrand an) meist entfallen. Wenn der Fehler offensichtlich ist, wird sofort vom VAR entschieden, weil er sicher sein kann, dass auch der Schiedsrichter auf dem Platz bei Sichtung der Bilder zu keiner anderen Entscheidung kommen kann. Das muss dann eben entsprechend sinnvoll kommuniziert werden (siehe 4).

3. Höchstdauer für VAR-Eingriffe
Nimmt man das Wort “offensichtlich” aus der Fifa-Regel ernst, kann es per definitionem nicht lange dauern, eine Situation zu bewerten. Sobald man verschiedene Perspektiven, zahlreiche Zeitlupen und langwierige Abwägungen braucht, ist die Situation nämlich unbestreitbar nicht mehr offensichtlich (sondern schwer zu erkennen). Hilfreich wäre deshalb eine Obergrenze von einer Minute pro VAR-Eingriff. Wenn die Unparteiischen bei der Überprüfung einer Szene länger als eine Minute für ihre Entscheidungsfindung brauchen, dann kann der Fehler nicht offensichtlich gewesen sein (sondern ist schwer zu finden), in diesen Fällen bleibt dann die Entscheidung des Referees auf dem Platz bestehen, was ebenfalls seine Autorität stärkt. Zugleich haben die VARs damit einen klareren Handlungsrahmen, können also ebenfalls sicherer in ihrer Entscheidungsfindung werden. Und natürlich leidet der Spielfluss nicht so häufig durch sehr lange Unterbrechungen.

4. Transparenz der VAR-Eingriffe
Ein großes Problem bei der fehlenden Akzeptanz von VAR-Entscheidungen ist von Beginn an die fehlende Transparenz. Die Fans im Stadion, das TV-Publikum, selbst Experten und Club-Verantwortliche bekommen nur mit, dass es einen VAR-Eingriff gibt, und dann die Entscheidung. Die Schritte dazwischen bleiben eine Black Box, und für diese altertümliche Geheimniskrämerei gibt es keinen Grund. Die Lösung muss lauten: Sobald der VAR eingreift, verfolgt das Publikum (im Stadion und am TV) die Entscheidungsfindung live mit. Es ist für die Fans also zu sehen (auf dem Fernseher beziehungsweise der Videoleinwand im Stadion), was der Schiedsrichter sieht, ebenso ist zu hören, was er mit dem VAR bespricht. Das mag für das traditionell stark zur Abschottung neigende Schiedsrichterwesen möglicherweise beängstigend offenherzig wirken, aber beispielsweise im American Football erläutern die Referees ebenfalls ihre Entscheidungen für die Menschen im Stadion, auch beim Eishockey zeigen die Schiedsrichter an, wer für was gerade bestraft wurde.

Wenn wir davon ausgehen können, dass der Funkverkehr zwischen Schiedsrichter und VAR nicht aus “War wohl kein Abseits, aber vielleicht können wir ja doch noch verhindern, dass RB Leipzig hier gewinnt”, “Findest du auf den Bildern noch irgendetwas, damit wir vielleicht doch Strafstoß für den FC Bayern geben können” oder “Diesen Spieler konnte ich noch nie leiden, da war mir das eine willkommene Gelegenheit für eine Rote Karte” besteht, sondern dass dort eine faire Entscheidungsfindung basierend auf perfekter Regelkenntnis stattfindet, dann spricht nichts dagegen, das auch transparent zu machen. Die Ton- und Bildspur würden dann im Laufe der Zeit wie ein Weiterbildungsprogramm für die Fans wirken (die Schiedsrichterentscheidungen zunehmend besser verstehen könnten), eine vernünftige Fehlerkultur im Fußball stärken und vor allem die unmögliche Situation beseitigen, dass niemand (einschließlich der Spieler und Trainer) weiß, was gerade vor sich geht. Auch das würde insgesamt die Akzeptanz des VAR stärken und Vorwürfen von Willkür, Manipulation und Inkompetenz den Wind aus den Segeln nehmen. Diskutiert würde, auch bei Umsetzung all dieser Vorschläge, natürlich noch immer – aber dann wenigstens auf Basis eindeutigerer Regeln und einer besseren Nachvollziehbarkeit der Schiedsrichter-Entscheidungen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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