We Want Sex

Film We Want Sex

We Want Sex Filmkritik Review
Die Näherinnen aus Dagenham kämpfen für ihre Rechte.
Originaltitel Made In Dagenham
Produktionsland Großbritannien
Jahr 2010
Spielzeit 113 Minuten
Regie Nigel Cole
Hauptdarsteller Sally Hawkins, Bob Hoskins, Miranda Richardson, Geraldine James, Rosamund Pike, Andrea Riseborough, Daniel Mays
Bewertung

Worum geht’s?

Ein Vorort von London, 1968: Die knapp 200 Näherinnen im Ford-Werk in Dagenham haben gelernt, sich gegen Männer zu behaupten, schließlich sind sie die einzigen Frauen in dem riesigen Werk, das 55.000 Männer beschäftigt. Als sie sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, stoßen sie aber schnell auf Widerstand. Die Gewerkschaft unterstützt sie nur halbherzig, die Werksleitung will von ihren Forderungen nichts wissen und die eigenen Ehemänner fragen sich oft noch, ob Frauen überhaupt arbeiten sollten. Rita wird wider Willen zur Anfühererin der Bewegung, die schnell eine erstaunliche Aufmerksamkeit und damit noch mehr Gegenwind bekommt. Hat sie mit ihren Kolleginnen zunächst noch aufmunternde Sprüch zu hören bekommen, erntet sie schon bald Anfeindungen, als klar wird, dass es den Frauen wirklich ernst ist mit ihrem Engagement für Gleichberechtigung. Als wegen ihres Streiks die Produktion in der Autofabrik komplett zum Erliegen kommt und damit auch die Männer ohne Beschäftigung dastehen, schwindet selbst die Loyalität ihrer engsten Mitstreiterinnen. Doch während die Männer mehr und mehr ausloten, wie sie die aufmüpfigen Näherinnen wieder zur Raison bringen können, sind längst Medien, Politik und Frauen im ganzen Land auf die Bewegung aufmerksam geworden – und nicht nur Rita hat keine Lust darauf, sich nun noch abwiegeln zu lassen. Sie hat erkannt: “Rechte sind keine Privilegien.”

Das sagt shitesite:

Der deutsche Titel für diesen Film von Nigel Cole (Grasgeflüster) ist sagenhaft unpassend. Er geht auf eine Szene zurück, als die streikenden Frauen ein Transparent ausbreiten wollen, auf dem “We want sex equality” steht – und viel blödes Grinsen ernten, als es noch nicht ganz entrollt ist. Der Kalauer lenkt leider davon ab, dass hier in einem sehr leichten Ton die Geschichte einer Politisierung erzählt wird, ausgelöst durch offenkundige Ungerechtigkeit, vor allem aber durch das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Die auf wahren Begebenheiten beruhende Handlung von We Want Sex profitiert (übrigens ebenso wie der famose Soundtrack) enorm davon, dass die Szenerie in den frühen 1960er Jahren angesiedelt ist. Suff, Radiohits und der Glaube an eine bessere Zukunft prägen das Leben in Dagenham, genauso sind im Alltag aber noch Spuren der Nachkriegszeit und der alten Klassengesellschaft zu finden. An vielen Stellen der Gesellschaft verschieben sich die Machtverhältnisse, und es ist wohl auch diese Ahnung einer Zeitenwende, die Rita und ihren Kolleginnen zuerst so viel Mut und dann so viel Konsequenz verleiht.

Sehr feinfühlig und teilweise unter Nutzung historischer Aufnahmen zeigt der Film den Zusammenhalt der Frauen, die Konflikte in der Belegschaft, nicht zuletzt die brisante Situation, wenn eine gesamte Region praktisch von einem einzigen Arbeitgeber abhängt, der das ganze soziale Leben prägt. Sehr gekonnt inszeniert We Want Sex auch die Rache des Patriarchats: Die Näherinnen werden zuerst vorgeblich unterstützt, aber hinter vorgehaltener Hand belächelt. Als sie die ersten Erfolge erzielen, werden sie von manchen bewundert und von anderen bevormundet. Vor allem aber werden sie die ganze Zeit über unterschätzt, und als sie schließlich als Konkurrenz zu den Privilegien der Männer erkannt sind, schonungslos attackiert. Das ist zugleich erhellend und unterhaltsam, und es unterstreicht – relevant nicht nur in Zeiten von #metoo – dass Frauenrechte kein Gimmick sind und der Kampf darum kein kurzlebiger Trend, der sich irgendwann von selbst erledigt, sondern was es wirklich bedeutet, wenn Gleichberechtigung zu Ende gedacht wird.

Bestes Zitat:

“Ich habe im Krieg gegen Rommel gekämpft, aber da hatte ich nicht so viel Angst wie vor diesen Frauen hier.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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