Wicca Phase Springs Eternal – “Suffer On”

Künstler Wicca Phase Springs Eternal

Wicca Phase Springs Eternal Suffer On Review Kritik
Der Titel verrät bei “Suffer On” schon, was drin steckt.
Album Suffer On
Label Run For Cover
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Man wird bei einer Platte, die Suffer On heißt, wahrscheinlich kein Gute-Laune-Werk erwarten, und wie richtig man beim zweiten Album von Wicca Phase Springs Eternal damit liegt, zeigt bereits ein Blick auf die Tracklist. Bevor der Titelsong den Reigen abschließt, finden sich da schon Lieder namens In Need Help, I Wake Up In Pain, Crushed oder Put Me In Graves.

Man kann sich gut einen Grufti vorstellen, der die Musik von Adam McIlwee (der Mann, der bis 2013 bei Tigers Jaw gespielt hat, steckt hinter diesem Projekt) noch nicht kennt, beim Stöbern im Plattenladen aber diese LP entdeckt und sich prompt angezogen fühlt. Er würde damit nicht falsch liegen. Neben Wicca Phase Springs Eternal („Als ich den Namen zum ersten Mal las, fühlte und hörte er sich einfach nur perfekt an. Der Einfluss des Namens dringt in den Zuhörer ein und lässt ihn wissen, dass er gleich in tiefere in düstere Gefilde eintauchen wird“, erklärt Adam McIlwee) hat er zuletzt auch das Kollektiv “Gothboiclique” (GBC) mitinitiiert. „GBC ist im Geist in der Loner- und der Heartbreak-Kultur verwurzelt. Dieses dunkle Element war schon immer ein Teil der amerikanischen Gothic-Musik, der Ästhetik und der Subkultur”, umschreibt der Mann aus Scranton, Philadelphia den dort verfolgten Ansatz.

Die Ästhetik von Suffer On weicht indes einerseits vom etablierten Goth-Rezept ab, ist andererseits schon im Album-Auftakt Together leicht zu erkennen: Eine akustische Gitarre wird mit elektronischem Beat gepaart, dazu kommt die Stimme in der Nähe von Dave Gahan und erst ganz am Ende erkennt man den Drone, der darunter liegt. Warum muss man dabei an New Model Army denken?, lautet eines der Rätsel, die Wicca Phase Springs Eternal mit sich bringt. Die Antwort lautet wohl: Weil es auch hier Frustration gibt, der nicht mit Eruption, sondern mit Kontrolle begegnet werden soll.

Im folgenden Rest würde der Beat auch zu HipHop passen (iTunes ordnet das Album prompt als “Rap” ein), vor allem mit der extrem tiefen Bass Drum, die es dann gleich in mehreren Tracks zu hören gibt. Auf I Wake Up In Pain rücken die digitalen Percussions sogar in Richtung Techno, dafür wird hier (ebenso wie ganz am Ende in Suffer On) die Gitarre weggelassen – das Ergebnis ist düster und bedrohlich. Bei Put Me In Graves kann man sich sogar fragen: Wer hätte gedacht, dass depressive Musik so tanzbar sein kann?

Crushed verzichtet ausnahmsweise auf den Beat, zeigt dafür aber die zentralen Fragen bei Wicca Phase Springs Eternal: Was ist echt? Was ist normal? Wie kann ich den Erwartungen gerecht werden, die an mich gestellt werden? Und wie kann ich zum Ausdruck bringen, dass mir etliche dieser Erwartungen unangemessen erscheinen? Ein Lied wie Does Your Head Stop zeigt etwa mit der Zeile „I can’t love you enough in mind and body“, dass diese Erwartungen dabei nicht nur auf gesellschaftlicher Ebene angesiedelt sind, sondern auch auf privater. Wenn ein Song Contact heißt, dann ist die Ausgangssituation natürlich: „I’m afraid to make contact.“

Sehr ähnlich ist das Thema in Just One Thing: Das Lied handelt von der Vermutung, dass eine Verbindung unterbrochen ist und von der Unfähigkeit, sie wieder herzustellen – eine Beziehungskrise klingt dadurch fast wie ein mechanischer Defekt an einem Bauteil. I Need Help unterstreicht noch einmal, wie besonders die Ergebnisse sein können, die das vergleichsweise einfache Rezept von Wicca Phase Springs Eternal hervorbringen kann, in diesem Fall unterstützt durch etwas mehr Swing und eine sehr gute Dramaturgie.

Dass McIlwee diesmal, anders als beim Debüt unter diesem Namen, alles selbst komponiert hat, erscheint beim Bekenntnischarakter von Suffer On fast zwangsläufig. „Es ist so viel einfacher, bedeutungsvolle Songs zu schreiben, wenn man sie von Grund auf selbst schreibt“, hat er erkannt. “Man schickt seine Zuhörer auf eine eigens für sie ausgedachte Reise, anstatt von einem Produzenten eine vorgefertigte Karte zu bekommen, auf der man dann irgendwie versuchen muss, das einzeichnen, was man mit dem Song eigentlich ausdrücken möchte. Einfach alles auf diesem Album kommt von mir.“

Schön morbide ist das Video zu Just One Thing.

Homepage von Wicca Phase Springs Eternal.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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