Yalta Club, Moritzbastei, Leipzig

Yalta Club Konzert Leipzig Moritzbastei
In Leipzig spielen Yalta Club die fünfte Show ihrer aktuellen Tour.

“Die Tour läuft bisher wunderbar. Die neuen Lieder live zu spielen, ist für uns selbst noch ein kleines Abenteuer”, erzählt mir Corinna Krome, Keyboarderin von Yalta Club, nach dem Konzert in Leipzig. Schon während der Show hat sie das Grinsen kaum aus dem Gesicht bekommen, und sie hat allen Grund zur Begeisterung: Der Abend mit dem Sextett aus Frankreich (Corinna ist die einzige Deutsche) in der Moritzbastei ist ein grandioser Spaß.

Zwar sind nur rund 70 Zuschauer gekommen, aber sie erkennen schnell, wie man die Situation interpretieren sollte, dass dieser Saal locker das Vierfache des Publikums fassen könnte: Als einer der wenigen, die gekommen sind, darf man sich besonders privilegiert fühlen, an diesem Abend dabei sein zu können. Und es ist mehr Platz zum Tanzen.

Die Show, der fünfte Termin der aktuellen Deutschland-Tour, beginnt mit The Door. Yalta Club gönnen sich zunächst eine lange instrumentale Passage inklusive Trompetensolo, bevor der Song dann Form an- und das Konzert richtig Fahrt aufnimmt. Stars, ebenfalls vom großartigen neuen Album Hybris, das gerade erst seit 15 Tagen auf dem Markt ist, Highly Branded, in dem Sänger Julien Geffriaud sogar den Rocker raus lässt, und Exile folgen.

Der Frontmann sieht ansonsten über weite Strecken aus wie ein David Lynch, dessen Batterie beinahe leer ist. Umso wirkungsvoller sind die Eruptionen, wenn er in Schwung kommt. Wie sehr sein Gesang diese Band prägt, ist live viel deutlicher als auf den kunterbunten Platten von Yalta Club: Manchmal nähert er sich dem schillernden Wahnsinn von Alec Ounsworth (Clap Your Hands Say Yeah), natürlich tragen auch seine charmanten Ansagen dazu bei (“Seid ihr gut drauf?”, wird von Corinna als der einzige deutsche Satz angekündigt, den er beherrscht, er hat an diesem Abend in Leipzig aber sehr gute Verwendung für diese vier Vokabeln).

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Bassist Nicolas Dhers scheint derweil frisch aus einem Trainingslager für die wichtigsten Rocker-Posen zu kommen, Schlagzeuger Sébastien Daviet beeindruckt vor allem mit seinem ungewöhnlichen Drumkit, das bloß ein Becken, ein Floor Tom und reichlich elektronische Pads enthält, während Gitarrist Arthur Brossard am schicksten das neue Bühnenoutfit der Band zeigt, das ein Mix aus Abendanzug, Uniform und antikem Geschmeide zu sein scheint.

Zu den Höhepunkten zählen New Day, das Yalta Club beinahe a cappella vortragen, und das vom Publikum in der Moritzbastei schwer gefeierte What’s Coming After vom 2013er Debütalbum. Und natürlich das wundervolle Love, das die Band aus Paris nach den Attentaten in ihrer Heimatstadt geschrieben hatte: Dessen Refrain “Why can’t we just love each other?” singen die Fans mit, was die Frage, was uns eigentlich abhält von universaler Eintracht, noch ein bisschen einleuchtender und dringender erscheinen lässt.

Wie gut das alles ankommt, beweist die Tatsache, dass beim letzten Song der Show tatsächlich niemand mehr im Saal ist, der nicht tanzt. Die ersten Zugabe-Rufe erklingen schon, bevor die Band überhaupt komplett von der Bühne verschwunden ist. Als Yalta Club dann zurückkehren, platzieren sie sich mitten im Publikum, die Fans sitzen rundum, und das wäre schon ein wunderbar harmonischer Abschluss für dieses Konzert. Allerdings hat Leipzig noch immer nicht genug. Als schon das Licht an ist und der Mann am Mischpult die Rausschmeißermusik spielt, tauchen Corinna und Julien noch einmal im Saal auf, um sich auf den Weg zum Merchandising-Stand zu begeben. Sofort fordern die Fans eine weitere Zugabe, also wird der Rest der Band noch einmal aus der Garderobe geholt, und es gibt erneut New Day zu hören.

An einem Tag, an dem Donald Trump tatsächlich Einreiseverbote verhängt, die Türkei einen Rüstungsdeal mit Großbritannien abschließt und die Bundeswehr mal wieder Rekruten schikaniert, ist das ungemein wohltuend. Und an jedem anderen Tag auch.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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