Dino Brandao Bouncy Castle

Dino Brandão – “Bouncy Castle”

Künstler*in Dino Brandão

Bouncy Castle Dino Brandão Review Kritik
“Bouncy Castle” ist der erste Solo-Release von Dino Brandão.
EP Bouncy Castle
Label Two Gentlemen
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung Foto oben: © Beats International / Julien Chavaillaz

Das Leben aus Hüpfburg zu betrachten, wie Dino Brandão es hier tut, ist keine ganz naheliegende Metapher. Bei eingehender Betrachtung findet man dann aber doch ein paar Parallelen: Man landet mal hier, mal dort. Man rennt gelegentlich gegen Wände. Ohne Schuhe macht es meistens mehr Spaß. Und wenn aus allem die Luft raus ist, kriegt man wirklich große Probleme.

Der Schweizer aus Brugg im Aargau, in dessen Biographie auch Angola und Frankreich wichtige Stationen sind, weiß um all das. “Am Ende meines Aufenthalts in Paris wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert. Die ‘Krankheit der 1000 Gesichter’ trägt nun auch meines in sich und so ließ mich dies erneut viel über die verschiedenen Gesundheitszustände nachdenken, die ich während meiner Jahre auf diesem Planeten schon erleben durfte. All diese Emotionen warf ich dann in meine Hüpfburg – Bouncy Castle“, erklärt er den Titel dieser EP.

Von den fünf Songs zeigt Pretty vielleicht am besten, wie der bunte Mix funktioniert, der dabei entsteht. Es gibt ein bisschen Psychedelik, Bläser, angedeuteten Sprechgesang, ein Akkordeon und abschließend auch noch Geräusche einer Straßenszene – ein wenig kann man bei dieser kreativen Überfülle und diesem weiten musikalischen Horizont an Bonaparte denken. Der Titelsong vereint beispielsweise Trompeten- und Lounge-Klänge, glänzt mit einem sehr einnehmenden Refrain und zwischendurch mit einer ansteckenden Ausgelassenheit. “Bouncy Castle ist für mich so etwas wie ein Stehaufmännchen, das die Veränderung um sich herum akzeptiert, ein Lied der Hoffnung, über die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist; ein Tanz auf dem Weg zur Selbstakzeptanz. Es war eines der ersten Lieder, bei dem ich den oberen Bereich meiner Stimme begann mit zu benutzen, als ob es noch eine zusätzliche Person von außen gäbe, die ich zu Wort kommen lassen kann. Ich mag es da oben.”

Man merkt der EP immer wieder die Vorliebe für die Arbeit mit Versatzstücken an, nicht immer gelingt es Dino Brandão dabei allerdings, diese wirklich perfekt und harmonisch ineinander zu fügen. Decoration ist ein Beispiel dafür, in dem seine Abenteuerlust und das Spiel mit verschiedenen Genres zudem fast verschleiern, wie heavy das Riff ist, das im Zentrum dieses Songs steht. Vor allem gegen Ende von Bouncy Castle zeigt der Musiker, der vor knapp einem Jahr gemeinsam mit Sophie Hunger und Faber das Album Ich liebe dich herausgebracht hat, dass aus seinen Klangpuzzeln auch stimmige, elegante Lieder wie Spending Parade werden können. Der Schlusspunkt The Arts wirkt dann endgültig nicht mehr wie ein Spiel und eine Übung, sondern gefühlvoll, leidenschaftlich, echt und in diesem Fall tatsächlich auch rund.

Der Weg zum ersten Solo-Release war dabei für Dino Brandão durchaus strukturierter, als es die Sache mit der Hüpfburg vermuten lässt, wie er erzählt: “Die ersten Aufnahmen geschahen in meinem Schlafzimmer, bis ich dann einige Monate später mein Studio fand, wo ich Platz hatte für all meine Trommeln, Mikrofone und Gerätschaften. Es war ein langer Prozess bis zu dieser neuen Musik – ich nenne sie ‘Afro Psych’ – die ich irgendwie ganz alleine kreieren wollte, um zu wissen, wo es denn herkommt und was denn da drin steckt in der Kiste. So freue ich mich ungeheuer, dies Stück nun endlich in die Welt zu tröten.”

Seine Skater-Skills zeigt Dino Brandão im Video zu Bouncy Castle.

Website von Dino Brandão.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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