Grillmaster Flash – “Pinökel”

Künstler Grillmaster Flash

Grillmaster Flash Pinökel Review Kritik
Nicht mal eine Minute pro Song ist der Durchschnitt auf “Pinökel”.
EP Pinökel
Label Grand Hotel van Cleef
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Man kann sich fragen, was das soll. Da ist ein Typ aus Bremen, der auf Bruce Springsteen macht. Der sich Grillmaster Flash nennt, manchmal klingt wie Aerosmith in den Achtzigern und eine Neigung dazu hat, sehr hässliche Bilder auf seine Plattenhüllen zu drucken. Es gibt etliche Leute, die sich genau diese Frage (Was soll das?) stellen, und Pinökel wird bei ihnen noch ein paar weitere Fragezeichen hinter diese drei Wörter hinzufügen.

Denn wir haben es hier mit einem Werk zu tun, das als 7“ der limiterten Edition des gleichzeitig erscheinenden Albums Stadion beiliegt. Grillmaster Flash (bürgerlich: Christian Wesemann) liefert hier acht Songs in derselben Zeit, die The Smiths allein für das Lied How Soon Is Now gebraucht haben (also 6:42 Minuten). Darunter ist ein Lied namens Am Tag als Udo Jürgens starb, das an frühe Tocotronic denken lässt, oder (Mein Album kommt bei) Grand Hotel van Cleef, das mit viel Punk-Spirit, gehörigem Stolz und ein bisschen Drang zur Rechtfertigung wegen eines vermeintlichen Sell-Outs ironische Selbstvermarktung betreibt.

Die Antwort auf das Warum? ist dabei gar nicht so schwer zu finden. Grillmaster Flash hat sie mir im Interview gegeben. Sie lautet: Humor. „Wenn Bands guten Humor in ihren Texten und in ihrer Musik haben, dann kann ich das wertschätzen. Nehmen wir beispielsweise Die Ärzte: Ich habe gerade wieder ein paar Alben von denen aus den 90ern gehört. Das ist teilweise extrem heftiger Quatsch, was die gemacht haben, aber geil. 17 Songs, nur Kracher. Richtig vielseitig und originell. Das ist eine Band, die sich vor nichts scheut und keine Grenzen anerkennt“, hat er da erzählt und als Beispiel Alben wie Bestie in Menschengestalt oder Planet Punk benannt. Genau in diesem Geiste darf man auch Pinökel begreifen: Es geht um Ausprobieren und EinfachMalMachen.

So kommt ein Bekenntnis zustande wie Disco, in anderen Momenten lädt Grillmaster Flash zu einer durchgeknallten Satanisten-Party, zum Abschluss des Werks liefert er mit Im Weltall schwimmen etwas Relativitätstheorie zu spacigem Gitarrensound. Natürlich sind da auch Schnapsideen dabei, doch Pinökel zeigt ebenso wie die Lieder auf Stadion, dass hinter dem vermeintlichen Klamauk ein größeres Konzept steht: Die Idee ist hier ein Wert an sich, denn sie steht für das Erfinden neuer Möglichkeiten (im Gegensatz zum stumpfen Anerkennen der Gegebenheiten). Noch wertvoller sind der Mut und die Möglichkeit, diese Idee auch umzusetzen.

Das vordergründig banale Hör auf ist ein Beispiel dafür: Wer unzufrieden ist, muss auch Konsequenzen ziehen, lautet die Botschaft. „Ein Song ist ein tolles Format, um den Leuten zu verklickern: Es gibt keinen Zwang, in die Leistungsgesellschaft einzutreten“, hat Grillmaster Flash erkannt, und selbst die 62 Sekunden in diesem Lied reichen ihm, um diesen Gedanken zu artikulieren.

Noch expliziter wird Pommes. Das Lied beruht auf einer wahren Begebenheit, nämlich der Begegnung mit einem besorgten Bürger, der erst nett erschien, am Ende aber darüber schwadronierte, Männer wie er sollten mehr ficken, um den Erhalt der weißen Rasse sicherzustellen. Nicht dein Bier wirkt ebenfalls nur bei sehr flüchtigem Hinhören wie eine Ulk-Nummer, denn auch hier kann man die durchaus relevante Botschaft erkennen: Du musst nicht zu allem eine Meinung haben und dich nicht überall reinhängen, auch eine Abneigung gegen Klatsch und Tratsch kann durchaus gesund sein für die eigene Psyche. Dass man dabei tatsächlich an Die Ärzte denken kann, wird Grillmaster Flash wohl noch mehr Freude bereiten als die Spritztour im angeblichen Muscle Car auf dem Cover von Pinökel.

Das Video zu (Mein Album kommt bei) Grand Hotel van Cleef zeigt, was Grillmaster Flash mit seinem Vorschuss macht.

Website von Grillmaster Flash.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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