Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen – “It’s OK To Love DLDGG”

Künstler Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen

It's OK To Love DLDGG Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen Kritik Rezension
Fleißig ist die Liga: “It’s OK To Love DLDGG” ist das vierte Album in sechs Jahren.
Album It’s OK To Love DLDGG
Label Tapete
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

„Jungs kommt, wir geben jetzt auf“, singt Carsten Friedrichs in der Ballade von der Band, ungefähr in der Mitte dieses Albums. Es ist eine Idee, die man ein wenig nachvollziehen kann, für ihn und seine Kollegen bei der Liga der gewöhnlichen Gentlemen: Der Körper baut ab, Geld kommt kaum rein, Groupies auch nicht, und die Kritik kapiert nichts. „Second Hand Dandytum“ ist alles, was auf diesem Level drin ist für das 2012 gegründete Hamburg-Berliner Quintett. Daran wird auch ihr heute erscheinendes viertes Album It’s OK To Love DLDGG wahrscheinlich nicht viel ändern. Und wieder liegt das nicht am Mangel an famosen Liedern, sondern an der Unfähigkeit der record buying public, die Großartigkeit dieser Kombo zu erkennen.

Der Widerspruch zwischen dem Wissen um die eigene Klasse und der bescheidenen öffentlichen Resonanz spielte bei der Liga schon immer eine Rolle, sogar schon bei der Vorgängerband Superpunk. Diesmal ist er so etwas wie das Leitmotiv der im Studio Nord in Bremen/Oberneuland aufgenommenen Platte geworden, wie schon der Albumtitel zeigt. Nach elf Liedern der gewöhnlichen Gentlemen weiß man auch diesmal: Mehr Erfolg wäre ihnen so sehr zu wünschen, zugleich könnte er dieser Band natürlich das Besondere rauben, das gerade im Durchhalten, im Glauben an die eigenen Werte trotz aller Widrigkeiten liegt.

„They realized that they should ignore all the rules and do whatever they want to do“, sagt eine Stimme – und zwar mit viel Autorität – am Beginn der Platte, der folgende Titelsong setzt auf bewährte Zutaten wie Bläser, Orgel, Tamburin und trotzige  Zweizeiler („Wie alle anderen / keine Sekunde!“) sowie die programmatische Erinnerung It’s OK To Love DLDGG. Es ist okay, sie zu lieben, heißt in diesem Kontext einerseits: Ja, wir sind wirklich super, und wir wissen es. Es heißt aber andererseits auch: Wir hätten ein paar mehr Bewunderer verdient, und ihr wisst es.

Am Schluss des Albums wird die Idee im korrespondierenden To Love DLDGG: Ok It Is! noch einmal aufgegriffen. Der Track ist so etwas wie die ultimative Lobhudelei, bestehend aus Zitaten wie aus einer Dokumentation über eine Jahrhundert-Band, begleitet von wunderbarem Stax-Sound. Auch Lass uns ins Museum gehen reflektiert den eigenen Status als nicht mehr ganz junge Band ohne allzu große Chancen auf plötzlichen Ruhm und Reichtum: Das Exponat im besagten Museum heißt „New Wave“, die meisten Besucher sind da für jemanden, der 1981 „dieses eine Lied, das jeder kennt“ hatte und heute noch davon lebt, notfalls mit einem Zuschuss vom Goethe-Institut. Natürlich steckt in so einem Song reichlich Kritik am künstlerischen Stillstand und der Bereitschaft, sich in einen Kontext zu begeben, der völlig Un-Rock’N’Roll ist. Aber Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist hier womöglich auch ein wenig neidisch auf dieses halbwegs verlässlich funktionierende Geschäftsmodell.

Natürlich gibt es auch genug Selbstvertrauen auf It’s OK To Love DLDGG. Bestes Beispiel ist Und Pete kämmt die Haare zurück. Gemeint ist Pete Best, der zu Hamburger Zeiten bei den Beatles trommelte, bevor Ringo Starr diesen Job bekam – angeblich auch, weil Pete Best zu gut aussah (und damit den anderen zu viel Konkurrenz machte) und sich nicht dem softeren Look unterwerfen wollte, den Manager Brian Epstein für die Band vorgab. Ganz eindeutig ist das eine Mentalität, mit der die Gentlemen sich bestens identifizieren können. Auch So primitiv gehört in diese Reihe: Aus der Position der eigenen Stilsicherheit heraus wird da aufgezählt, was alles nervt an diesem Land (und die Politik ist dabei noch gar nicht mitgedacht): Jack Wolfskin, All you can eat, Rundfunksänger und so weiter.

Erlauben kann sich Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen solche Boshaftigkeiten, weil es auch auf ihrem vierten Album wieder diesen makellosen Sound gibt, den sie selbst so gut umschreiben wie niemand sonst. „Madness auf Cola-Light“, „Rock, ohne Rock zu sein“ und „Modern Vintage“ lauten aus Anlass der Veröffentlichung von It’s OK To Love DLDGG die neusten Genre-Erfindungen.

Was damit gemeint ist, zeigt etwa Der große Kölner Pfandflaschenbetrug. Nicht mal das Verbrechen ist noch so glamourös wie früher, lautet die Message, dafür bekommt es eine äußerst schicke Flötenmelodie zur Seite gestellt. Die Welt braucht mehr Leute so wie dich ist wunderbarer Northern Soul mit einer Melodie, die an David Watts von den Kinks erinnert. Das opulent arrangierte Liebe wohnt hier nicht mehr holt Motown an die Elbe und ist am nächsten an einem Kracher, der sofort begeistert – eine Kategorie, die im Vergleich zu früheren Platten ein wenig unterrepräsentiert ist auf diesem Album.

Ein Höhepunkt ist Eine Tragödie kommt niemals allein. Der Song erweist sich als nette Anekdote über den Zusammenhang zwischen dem Tod David Bowies und den eigenen Figurproblemen. Genauso verspielt und sympathisch wie dieser Gedankengang ist die Musik, die sich etwa mit den schmissigen Momenten von Belle & Sebastian vergleichen lässt.

Der Song für Eis-Gerd besingt wieder so einen Ort, der sich genau richtig anfühlte, aber verschwunden ist (nicht durch Gentrifizierung, sei angemerkt, sondern weil Gerd, der Inhaber dieses Ladens in Altona mit „Schnaps und Bier und Speiseeis“ im Sortiment, seinen Ruhestand genießen wollte). Solche Orte, etwa die Kampfbahn im Sonnenschein, gibt es oft bei ihnen. Gerd ist wieder so ein Typ, dessen Stil und Coolness gerade daraus erwächst, dass er sein Metier und seinen Ort gefunden hat, ohne Aufhebens darum zu machen, nun aber von der Bildfläche verschwunden ist. Solche Typen, etwa Werner Enke, hat man bei der Liga der gewöhnlichen Gentlemen auch schon häufiger getroffen. Sie wissen wohl, dass sie einst selbst zu diesen Leuten gehören werden. Bis dahin ist es okay, sie zu lieben. Vielleicht sogar Pflicht.

Wie Überhöhung mit Understatement geht, zeigt das Video zum Titelsong.

Bis zum Jahresende gibt es reichlich Konzerte der Liga.

14.07.17 Hamburg – Hafenklang* (ausverkauft!)

15.07.17 Berlin – Monarch*

*Record Release Shows

13.09.17 Bielefeld – Nr.z.P.

14.09.17 Hannover – Bei Chéz Heinz

15.09.17 Köln – Gebäude 9

16.09.17 Wolfsburg – Saunaclub

29.09.17 Leipzig – Naumanns im Felsenkeller

30.09.17 Mainz- Schon Schön

01.10.17 Karlsruhe – KOHI

02.10.17 Stuttgart – Goldmarks

12.10.17 Düsseldorf – Tube

13.10.17 Aachen – Raststätte

14.10.17 Münster – Gleis 22

27.12.17 Bremen – Lagerhaus

28.12.17 Hamburg – Knust

Website der Liga der gewöhnlichen Gentlemen.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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