Maximo Park – “Too Much Information”

Künstler Maximo Park

Auf ihrem fünften Album sind Maxio Park manchmal nicht wieder zu erkennen.
Auf ihrem fünften Album sind Maxio Park manchmal nicht wieder zu erkennen.
Album Too Much Information
Label Capitol
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Paul Smith hat Lust auf eine Kampfansage. „An diesem Punkt des Spiels sieht man oft, dass Bands schlechter werden“, sagt er angesichts der Tatsache, dass Maximo Park sich im mittlerweile bereits fünfzehnten Jahr ihres Bestehens befinden und heute mit Too Much Information ihr fünftes Album vorlegen. „Aber ich will besser werden. Wenn man noch die selbe Leidenschaft hat, sollte man aus seinen Fehlern lernen, Erfahrungen sammeln und versuchen, all das durch die Musik zu analysieren. Es klingt spannend. Und es fühlt sich richtig an, die Dinge weiterhin auf unsere Art und Weise anzugehen.“

Das Erfreuliche: Er lässt diesen Worten auch Taten folgen; er hat die Lieder, die diese Selbsteinschätzung bestätigen. Daran besteht schon nach ein paar Sekunden von Too Much Information kein Zweifel mehr: Der Auftakt Give, Get, Take wird eine Liebeserklärung mit viel Entschlossenheit und Vorwärtsdrang, und ohne Rücksicht auf Verluste. „There are things I’d like to do / I’d like to do them all with you / there are places I want to see / come discover them with me”, reimt Paul Smith, und auch die Musik dazu hat die bedingungslose Leidenschaft eines 15-Jährigen.

Was dann folgt, ist noch besser: Im zweiten Track Brain Cells klingen Maximo Park plötzlich wie eine ganz andere Band. Das Lied ist inspiriert von Fever Ray, der Gesang ist soft, der Sound luftig, und Erasure klingen ebenfalls ein wenig durch. Auch sonst sind Elektronik und Synthesizer deutlich präsenter als je zuvor. In der Single Leave This Island ist die Band erneut kaum wieder zu erkennen, statt Hyperaktivität herrscht hier plötzlich Gelassenheit. Auch später in I Recognise The Light tritt dieser Effekt noch einmal ein, auch wegen des Quasi-Raps, den Paul Smith zu Beginn des Lieds hinlegt.

I Recognise The Light ist inspiriert vom chilenischem Schriftsteller Roberto Bolano und damit eins von mindestens drei Stücken mit explizit literarischen Bezügen. Her Name Was Audre handelt von der feministischen US-Poetin Audre Lorde, es gibt dazu einen Punkrock-Beat, aber einen Gesang, der eher im Cruise- als im Vollgas-Modus bleibt. Die Lydia, die zu einem an die Smiths gemahnenden, sehr eleganten Sound in Lydia, The Ink Will Never Dry besungen wird, ist die amerikanische Schriftstellerin Lydia Davis.

Paul Smith war schon immer jemand, dessen Horizont über die üblichen Popmusikthemen hinausreichte. Im Booklet zu Too Much Information gibt es passend dazu noch Empfehlungen für Bücher oder Filme, die Maximo Park ihren Fans ans Herz legen wollen. Das könnte leicht blasiert wirken oder – schlimmer noch – auf eine satte Selbstüberschätzung hindeuten. Glücklicherweise hat das Quintett hier genug Ideen und Qualität zu bieten, um diesen Verdacht zu zerstreuen und auch im Kontext von ernsthafter Kunst zu bestehen.

Bezeichnenderweise plante die Band zunächst nur eine EP, als sie im Dezember 2012 die Aufnahmen mit den Brüdern David und Peter Brewis (Field Music) begann. Die Session wurde dann aber schnell so produktiv, dass sie sich zu einem Album auswuchs (ähnlich ist das kürzlich auch Shearwater ergangen). Paul Smith: „Als die EP soweit fertig war, dachten wir: ‚Das ist ziemlich gut. Wenn wir auf diesem Weg weiter gehen, haben wir ein Album!’“

Der Bonustrack Out Of Harm’s Way ist ein typisches Beispiel für die guten Ergebnisse der sehr ursprünglichen, ungezwungenen, spontanen Arbeitsweise, die Maximo Park im eigenen Studio verfolgten. Paul Smith singt darüber, wie wichtig der Mut im Leben ist, selbst wenn er auch Fehler und Verletzungen mit sich bringen kann, der abwechslungsreiche Sound ist eine feine Entsprechung dafür, und am Ende gibt es schon wieder ein paar schöne Zeilen fürs Feuilleton: „Angst essen Seele auf / fear eats the soul.“ My Bloody Mind zeigt, dass Maximo Park auch das klassische Rockgewand noch gut steht, Drinking Martinis hat ein tolles Schlagzeug und viel Romantik zu bieten. In Midnight On The Hill ist das Tempo nicht allzu hoch, und trotzdem steckt viel Kraft in diesem Lied, das auch die Titelzeile des Albums enthält.

„Der Albumtitel drückt die Vielseitigkeit der Songs aus“, erklärt Paul Smith die Bedeutung von Too Much Information. „Viele unserer Songs sind emotionaler, als die Leute, die nur coole Musik mögen, die sehr distanziert und zurückhaltend ist, hören wollen.“ Es ist diese Diskrepanz, die das Album trägt: Maximo Park haben durchaus erkannt und wahrscheinlich auch intensiv reflektiert, wie sie wahrgenommen werden. Aber sie haben keine Lust mehr, sich sonderlich darum zu kümmern. „Nach fünf Alben will man der Welt zeigen: ‚Das sind wir und wenn es euch nicht gefällt – Pech! Wir werden uns für euch nicht ändern’“, sagt Paul Smith. Das führt auf Too Much Information zu einigen Momenten, die man seiner Band nie zugetraut hätte und zu einer gelungenen Erneuerung. Womöglich ist diese Platte das, was man nach dem oftmals trotzigen, wütenden Vorgänger The National Health niemals hätte für möglich halten können: der Beginn des Prozesses, in dem Maximo Park in Würde altern.

Ein Fan-Video zu Brain Cells zeigt, wie in Würde altern NICHT geht:

httpv://www.youtube.com/watch?v=iHxDi91ijCc

Homepage von Maximo Park.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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