Mighty Oaks – “Howl”

Künstler Mighty Oaks

Landlust aus Berlin: Das ist das Prinzip auf dem Debüt der Mighty Oaks.
Landlust aus Berlin: Das ist das Prinzip auf dem Debüt der Mighty Oaks.
Album Howl
Label Vertigo
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Es war im Jahr 2003, als die SPD auf die Idee kam, das Land brauche einen “Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs” und Sigmar Gabriel mit dieser ehrenvollen Aufgabe betraute. Die deutsche Musiklandschaft hat sich seitdem zwar erfreulich entwickelt. Der Anteil der Sozis daran dürfte aber sehr überschaubar sein.

Im Falle der Mighty Oaks ist das anders. Dass es sie heute in ihrer aktuellen Ausprägung gibt und dass sie nun ihr Debütalbum Howl vorlegen, hat entscheidend mit der SPD zu tun. Genauer gesagt: mit dem stellvertretenden SPD-Sprecher für erneuerbare Energien. In dessen Berliner Büro absolvierte Ian Hooper, Sänger der Mighty Oaks, eigentlich im Nordwesten der USA zuhause und als Student der Fächer Internationale Politik und Deutsch für ein Austauschjahr in München gelandet, ein Praktikum. Und es gefiel ihm in der deutschen Hauptstadt so gut, dass er blieb.

Er ist nicht das einzige Bandmitglied, dessen Weg zu den Mighty Oaks reichlich ungewöhnlich war. Bassist Craig Saunders zog es wegen der Liebe aus Südwestengland nach Hamburg, wo er Hooper kennen lernte und ihm schließlich nach Berlin folgte. Der Italiener Claudio Donzelli, der an der Adriaküste aufgewachsen ist und das Trio komplettiert, versuchte sich eine Weile als Weltenbummler und landete schließlich bei Hooper und Saunders.

Dass die „Thank you“-Abteilung im Booklet von Howl voller putziger Dankbarkeit und ungläubigem Staunen über das Erreichte steckt, liegt aber sicher nicht nur daran, dass den drei Musikern bewusst ist, wie viel Zufall im Spiel war, um diese Platte entstehen lassen zu können. Es liegt auch daran, dass die Mighty Oaks in den drei Jahren ihrer Existenz schon Erstaunliches bewirkt haben: Die beiden EPs wurden gefeiert, die Band hat einen Major-Vertrag in der Tasche und stand im Vorprogramm der Shout Out Louds und der Kings Of Leon auf der Bühne.

Diese beiden Acts sind gute Eckpunkte für den Sound von Howl: Lieder wie Seven Days sind bodenständig und rustikal wie die Jungs aus Nashville, Captain’s Hill ist filigran und positiv wie die Schweden. Der wichtigste Einfluss für dieses Album ist aber ein anderer: Naturverbundenheit. Die Landschaften, in denen sie aufgewachsen sind, scheinen Hooper, Saunders und Donzelli im urbanen Berlin mächtig zu vermissen. Gleich zu Beginn in Brother wird erst der Mond angeheult, dann tauchen bereits in der ersten Strophe Wälder und Vögelein im Text auf. Schließlich folgt ein Refrain, der die zweite wichtige Säule im Reich der Mighty Oaks verdeutlicht: Freundschaft. Sie wird in Brother besungen, so, wie Freundchaft sein muss, also voller Zuversicht und ohne unnötiges Geschwurbel.

Mumford & Sons sind ein ebenso passender Bezugspunkt wie die Lumineers (wie in deren größten Hit wird auch im Refrain von Just One Day auf einen schönen „Ho!“-Moment gesetzt). Allzu plakativ werden die Mighty Oaks aber nie. Es gibt nichts auf Howl, was wirklich herausragt – wenn es etwas gibt, das einen umhaut, dann ist es die Geschlossenheit dieses Albums und das durchgehend hohe Niveau.

Back To You steigert sich mit rasantem Picking schön in seine eigene Dramatik hinein, in When I Dream, I See kommt der Satzgesang des Trios am besten zur Geltung, Courtyard In Berlin ist vergleichsweise abstrakt. Horse wird druckvoll und kernig wie die Songs von Gaslight Anthem, der Titelsong bildet einen intensiven Schlusspunkt für das Album.

Die Texte enthalten zwar ein paar Bilder zu viel, die man schon ein bisschen arg oft gehört hat, und gelegentlich schleicht sich schon bei diesen zwölf Songs der Verdacht ein, dass das Konzept von den Naturburschen, die Landlust zum Hören produzieren, nicht allzu lang tragen dürfte. Andererseits schafft es die Band etwa in Shells, Zeilen wie „Fight for the love that you want in life“ elegant und unpeinlich klingen zu lassen. Und Lieder wie You Saved My Soul und The Golden Road beweisen, dass die Mighty Oaks zwar Folk machen, aber auch die Ausgelassenheit kennen, Kraft und Tumult.

Das Landleben feiern Mighty Oaks auch im Video zu Brother.

httpv://www.youtube.com/watch?v=wqzlJb7hTsc

Homepage der Mighty Oaks.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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