Hingehört: Here We Go Magic – “A Different Ship”

Erst zum Ende hin kommt "A Different Ship" von Here We Go Magic richtig in Fahrt.
Erst zum Ende hin kommt “A Different Ship” von Here We Go Magic richtig in Fahrt.
Künstler Here We Go Magic
Album A Different Ship
Label Secretly Canadian
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung **1/2

”To me the best music can transport you spiritually, take you to a wild, open place, (…) like direct access to a whole other experience. It can make you forget that we’re living in two-thousand and whatever the fuck and give you a more universal, longer view of things.”

So hat Dave Sitek vor zwei Jahren im Interview mit dem NME den Reiz seiner Lieblingsplatte umschrieben. Mit diesem Anforderungsprofil wird ihm eindeutig auch A Different Ship gefallen, das dritte Album von Here We Go Magic. Das liegt womöglich nicht nur daran, dass die New Yorker eine Platte gemacht haben, die oft klingt, als sei sie nicht von dieser Welt. Es könnte auch damit zu tun haben, dass bei A Different Ship ein Produzent seine Finger im Spiel hatte, der mindestens so angesagt ist wie Dave Sitek: Nigel Godrich.

Der Haus-und-Hof-Produzent unter anderem von Radiohead und U2 war begeistert vom Auftritt des Quartetts in Glastonbury 2010 und wollte genau diesen hypnotischen Livesound von Here We Go Magic auf Platte bannen. Das war allerdings etwas schwieriger als gedacht: Nach ersten Sessions in LA ging es in New York weiter, aufgenommen wurde A Different Ship dann im Herbst 2011 in London. Der Produzent hatte einen gewichtigen Anteil am Gelingen des Werks, schwärmt Gitarrist Michael Bloch: „Darin war Nigel so fantastisch: Er wusste einfach, wo er uns aufhalten musste, kannte die Limits unserer Soundpalette und konnte genau sagen, wie man sich Raum zum Atmen lässt.“

In der Tat ist es diese Luftigkeit, die einen großen Teil des Reizes des Albums ausmacht, das nach Auskunft der Band die „unausgeglichene Spannung zwischen dem Wunsch, allein zu sein, und dem Wunsch, Verbindungen einzugehen“ behandelt. Das Intro klingt noch gefährlich, mit metallischen Fabrikgeräuschen, die beinahe wirken, als sei man hier inmitten der Werft gelandet, in der dieses Different Ship gebaut wird. Doch sofort danach gehen Here We Go Magic mit dem zurückhaltenden Gesang und pulsierenden Bass von Hard To Be Close auf eine elegante, neblige, manchmal ruppige Reise.

Make Up Your Mind beschwört mit einem harten Beat und einer nervösen Gitarre ein bisschen CCR-Atmosphäre herauf, bis dann reichlich reizvoller Synthesizer-Zuckerguss dazukommt. Dasselbe Rezept nutzt Alone But Moving, bloß zwei Gänge langsamer und ganz laid back. Die erste Hälfte des Albums schließt I Believe In Action ab, mit einer Disco-Gitarre, einem Beat, der daran nicht recht den Anschluss findet und verfremdetem Gesang, der ebenfalls nach einem ganz anderen Song zu suchen scheint.

Es ist der erste von drei Tracks in Folge, die Sänger Luke Temple für die Höhepunkte auf A Different Ship hält: „Ich denke, das Beste an der Platte sind die Dinge, über die wir erst am Ende nachdachten. Songs wie Over The Ocean, I Believe In Action oder Made To Be Old wurden morgens geschrieben und am Nachmittag bereits aufgenommen.“

Letztgenanntes ragt in der Tat heraus und klingt wie die Strokes im Chill-Out-Modus. Auch Over The Ocean hat diese Stimmung: Der Beginn ist verträumt, man muss an einen Strand bei Mondschein denken, und dann plätschert das Lied sehr hübsch und majestätisch immer weiter. Überhaupt ist die zweite Hälfte des Albums deutlich stimmiger als die mitunter wirre und ereignislose A-Seite. How Do I Know hat vergleichsweise viel Drive und Heiterkeit, das entspannte Miracle Of Mary ist zumindest von der Idee her ein Neil-Young-Countrysong und im Titelsong am Ende der Platte klingen Here We Go Magic mehr als acht Minuten lang so sanft, als wollten sie sich selbst narkotisieren.

„Die Musik ist wunderschön, fühlt sich jedoch so an, als sei sie spröde und würde jeden Moment auseinanderbrechen“, beschreibt Luke Temple diesen Effekt. „Sie schwebt immer zwischen Moll und Dur, fröhlich und traurig und versucht, die perfekte Balance zu finden. Viele der Songs enden plötzlich und unvermittelt, so als ob die Dinge einfach in der Luft schweben bleiben. Das ist es, was uns als Band ausmacht: sich nach vorn zu bewegen, selbst, wenn wir unsicher sind und beruhigt in dem Wissen zu sein, dass uns unterwegs glückliche Unfälle passieren.“

Die Bestelladresse für extrem lebensechte Tanzpuppen wird im Video von How Do I Know leider nicht eingeblendet.

httpv://www.youtube.com/watch?v=MqaMEMIBPIw

Here We Go Magic bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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