Katy Perry – “Teenage Dream”

Künstler Katy Perry

Katy Perry bietet auf "Teenage Dream" Pop in Perfektion.
Katy Perry bietet auf “Teenage Dream” Pop in Perfektion.
Album Teenage Dream
Label EMI
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Ich habe keine Ahnung, warum EMI der Meinung ist, die Welt brauche eine “Complete Confection” von Teenage Dream, dem zweiten Album von Katy Perry. Die Platte hat bereits Doppelplatin bekommen, sechs Singles (!) abgeworfen, die allesamt (!) auf Platz 1 der US-Charts landeten und allein auf digitalem Weg mehr als 25,5 Millionen Songs verkauft. Man darf das Publikum also rundum versorgt wähnen. Viel mehr ist aus einer Pop-Platte wirklich nicht herauszuholen.

Trotzdem gibt es Teenage Dream nun als Complete Confection, und das bedeutet: Alle 12 Tracks der Originalversion plus drei neue Songs sowie neue Versionen von E.T. (diesmal mit Kanye West), Last Friday Night (T.G.I.F.) (diesmal mit Missy Elliott) und The One That Got Away (diesmal ganz akustisch). Weiteres Alleinstellungsmerkmal: Die Erst-Pressung kommt als limitierte Auflage mit einem Wackelbild-Cover in die Läden.

Das klingt wirklich verdammt nach Ausschlachten. Es gibt aber doch einen guten Grund dafür, diese Platte genau jetzt und genau in dieser Form zu veröffentlichen: Damit ich endlich merke, wie famos Katy Perry ist. Bisher hielt ich sie für einen schwachen Gag im Repertoire von Russell Brand, eine Plastikfigur, die mit unmöglichen Kostümen durchs Kinderfernsehen turnt, und zu deren Songs man frühestens ab vier Uhr und frühestens ab acht Bier tanzen kann. Wohlwollend formuliert: Lady Gaga mit Songs. Doch weit gefehlt! Teenage Dream ist Pop in Perfektion, ein Riesenspaß und nicht halb so eindimensional wie die Fließbandware, die in den obersten Chartregionen sonst meist regiert.

Der Titelsong läutet die Platte fast zurückhaltend (aber höchst verheißungsvoll) ein, um dann nach einer knappen Minute pünktlich zum Refrain zu explodieren. Teenage Dream kombiniert eine höchst wirkungsvolle Primitivität mit famoser Leichtigkeit und gibt schon nach ein paar Minuten die Stimmung für dieses Album vor: Hier wird mit Image gespielt, mit Fantasien, mit der unkaputtbaren Hoffnung, dass es irgendeinen Moment im Leben geben wird, der für all die Enttäuschungen zuvor entschädigt – und dem Wissen, dass dieser Moment vielleicht ein Popsong sein kann.

Das ist natürlich der Stoff, aus dem sich ein perfekter Coming-Of-Age-Soundtrack stricken lässt. Katy Perry weiß das. „Ich habe das Album Teenage Dream genannt, weil ich mich gerne als ewiges Pin-Up-Poster sehe“, gibt sie zu. Und passend dazu werden hier in den Texten der eigene Körper und die eigene Sexualität entdeckt, es wird das Wochenende gefeiert und es werden Pläne geschmiedet für die Zeit, in der man endlich über sich selbst wird bestimmen können. Der Valentinstag, die High School, der 18. Geburtstag und Klamotten werden thematisiert: noch mehr Teenager geht nicht. Immer wieder geht es auch um Flucht, wie das einst bei Chuck Berry war. Der Club, das Auto, der Strand – sie werden auch bei Katy Perry zu Rückzugsräumen aus der langweiligen, grauen Welt der Erwachsenen. In der Zeile „In another life / I would be your girl” aus dem fantastischen The One That Got Away (das in der neuen Akustikversion erst recht seine Klase beweist) kommen alle Bestandteile dieses Prinzips zusammen.

Dass Teenage Dream in Katy Perrys Heimatstadt Santa Barbara aufgenommen wurde, passt perfekt. Denn das Album ist durchströmt von kalifornischem Flair, von Heiterkeit, Sehnsucht und dem Wissen, dass Hollywood gleich um die Ecke ist. „Ich liebe den Vibe, der von Santa Barbara ausgeht, und ich wollte mir wirklich die Unschuld meiner Kindheit und das damit verbundene Gefühl zu Nutze machen“, erklärt Katy Perry diesen Einfluss.

Der beste Beweis dafür ist natürlich das famos verspielte California Gurls, das selbst David Guetta nicht club- und massentauglicher machen könnte. Da ist ein bisschen Eurodance dabei, Snoop Doggs Westcoastrap und auch French House – eine Killerkombination.

Last Friday Night ist höchst eingängig, herrlich kurzweilig und so organisch, dass selbst das Saxofonsolo stilsicher klingt. Firework hat eine tolle Dramaturgie, die geschickt alle Konzentration auf den Refrain legt, ohne dazwischen Momente der Langeweile aufkommen lassen. Hummingbird Heartbeat ist ein Riesenhit, mit ganz viel Optimismus und Punch – auch dank eines Refrains, der wie einige andere hier beinahe als 2/4-Takt gelten kann.

Das im höchsten Maße plakative Peacock weiß genau, dass es nur zu 1 Prozent subtil, aber zu 99 Prozent unzweideutig ist – und ohne dieses Wissen wäre der Track der erste Schwachpunkt auf Teenage Dream. Doch ähnlich wie beim folgenden Circle The Drain, das etwas gewöhnlich bleibt, oder dem pompösen E.T., dem ein bisschen Finesse fehlt, greift ein erstaunlicher Effekt, wenn das Material mal nicht unantastbar ist: Katy Perry rettet diese Songs mit ihrer Stimme. Die ist vielleicht nicht technisch perfekt, beinhaltet aber immer jenen hundertprozentigen Einsatz, der auch die Konzerte von Katy Perry so irre macht. Hört man beispielsweise Who Am I Living For?, dann wird klar: Nichts daran ist Plastik, alles ist Leidenschaft.

Vor allem aber ist das genau die Stimme, die diese Lieder singen sollte. Denn das ist vielleicht der Schlüssel zum Erfolg von Katy Perry: Bei den Liedern auf Teenage Dream haben zwar Produzenten wie Max Martin, Tricky Stewart, Stargate, Dr. Luke oder Greg Wells mitgearbeitet. Aber beispielsweise die feine Rausschmeißer-Ballade Not Like The Movies kann man nicht anders nennen als: authentisch.

Auch sonst sind diese Songs niemals Fließbandware. Die besten Stücke wirken wie maßgeschneidert für Katy Perry, für ihre Stimme, ihr Outfit, ihre Biografie. „Ich ziehe auf dieser Platte wirklich alle Register“, meint Katy Perry. „Man bekommt das süß Verführerische, aber auch das Gefühl, ‘Oh Gott, dafür musste sie sich aber erst einmal hinsetzen, um all das loszuwerden‘.“ In Zeiten, in denen sich die Internetwerbung dem Nutzerverhalten anpasst oder in denen sich jeder seine personalisierte Zeitung zusammenstellen kann, ist das nur konsequent: Teenage Dream ist die perfekte Dienstleistung für die Zielgruppe, durch und durch optimiert und unwiderstehlich effektiv.

Eine Deluxe-Ausgabe des Erfolgsalbum passt da durchaus ins Bild, ebenso wie das alberne Wortspiel mit der “Complete Confection”, auch wenn Wide Awake und Dressin’ Up nur solide bleiben und auch Part Of Me, der beste der drei neuen Songs, auf ein schon bekanntes Rezept setzt. Auch dass es zum Schluss sogar noch einen sieben Minuten langen Megamix von Tommie Sunshine mit allen bisherigen Nummer-1-Hits gibt, ist insofern nur logisch, denn es führt das fantastische Motto von Katy Perry in seiner Quintessenz vor Augen: Refrain, Refrain, Refrain, Hit, Hit, Hit. Oder besser noch: Pop, Pop, Pop.

Können Haare wie Süßigkeiten aussehen? Bei Katy Perry und dieser Performance von The One That Got Away schon:

httpv://www.youtube.com/watch?v=gK5JD_zGi8U

Katy Perry bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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2 Gedanken zu “Katy Perry – “Teenage Dream”

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