Mt. Desolation ist eine gelungene Schnapsidee.

Mt. Desolation – “Mt. Desolation”

Künstler*in Mt. Desolation

Mt. Desolation ist eine gelungene Schnapsidee.
Mt. Desolation ist eine gelungene Schnapsidee.
Album Mt. Desolation
Label V2
Erscheinungsjahr 2010
Bewertung

Ich werde nie verstehen, was am Bergsteigen so faszinierend sein soll. Und erst recht verstehe ich nicht, warum Jesse Quin (Bassist von Keane) und Tim Rice-Oxley (Pianist und Songschreiber von Keane) den Mt. Desolation erklimmen mussten. Das Presse-Info verschweigt zwar das Wort „Keane“, gibt aber immerhin ganz unumwunden zu, dass das Nebenprojekt eine Schnapsidee der beiden Musiker war, die „nach einigen Drinks inmitten einer wilden Diskussion über Musik beschlossen, ein Countryalbum aufzunehmen“.

Schon mit dem ersten Song Departure beweisen Quin und Rice-Oxley aber, dass man dem Alkohol Unrecht tut, wenn man als „Schnapsidee“ nur idiotische Pläne bezeichnet. Denn es gibt zwar alle nur denkbaren Americana-Klischees (Banjo, Fiddle, und einen Schlagzeugrhythmus, der einer Dampflokomotive gleicht, auf der ganz groß „How The West Was Won“ steht), aber auch einen sehr ausgelassenen Refrain und eine Stilsicherheit und melodiöse Klasse, die sich durch das gesamte Album zieht, und die im Werk von Keane längst abhanden gekommen ist. Dazu mögen auch die illustren Gäste beigetragen haben, die ansonsten für Mumford & Sons, Noah & The Whale oder die Killers tätig sind.

Bridal Gown klingt wie ein Soundtrack zu einem Film mit ganz viel Weite der Prärie, The Midnight Ghost könnte mit Slide-Gitarre, Honky-Tonk-Piano und himmlischen Harmonies manchen einsamen Cowboy begleiten, wenn er im Walzertakt auf dem Weg vom Saloon nach Hause ist, und dabei schon langsam wieder nüchtern wird. My My My holt dann auch die obligatorische Dylan-Mundharmonika raus.

Dazu kommen eigene Einflüsse wie im opulenten Annie Ford, das seltsam keltisch klingt, oder State Of Our Affairs, das auch eine Ballade von Embrace sein könnte. Und dazwischen sind Mt. Desolation auch einmal einfach nur Pop (Bitter Pill oder die hübsche, reduzierte Ballade Another Night On My Side als Duett mit Jessica Staveley-Taylor).

Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage, was Rice-Oxley und Quin auf dem Mt. Desolation wollten: einfach nur ankommen und herabschauen auf all das, was sie können.

Leider keine Abrechnung mit Keane: Das Video zu State Of Our Affairs:

httpv://www.youtube.com/watch?v=zcrSc93APa4

Mt. Desolation bei MySpace.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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