K.I.Z. – “Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung”

Künstler K.I.Z.

K.I.Z. Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung Review Kritik
Als Mixtape und bonus-Album hauen K.I.Z. “Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung” raus.
Album Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung
Label Vertigo
Erscheinungsjahr 2020
Bewertung

Man könnte bei dieser Platte eine Sekunde lang annehmen, K.I.Z. seien ins Business der Ratgeberliteratur eingestiegen. Es gibt hier Titel wie Nutze die Chance, Schluss mit Faxen und nicht zuletzt Lifehack. All das würde auf ein Werk passen, mit dem Tarek, Nico und Maxim ihrem Publikum ein paar Tipps mit auf den Weg geben, wie man sein Leben in den Griff kriegt und sich noch ein bisschen weiter optimieren kann, um schließlich vom Thron des Erfolgs auf die armen Versager weiter unten herabzublicken.

Natürlich ist nichts davon der Fall. Schon Nutze die Chance feiert stattdessen das Prinzip “Asi und Spaß dabei” mit der düster-derben Art, die man auch bei Eminem finden kann. Schluss mit Faxen ist eine Kampfansage an die Konkurrenz (wenn dieses Wort jemals angemessen war, dann hier, etwa mit Zeilen wie “Auto-Tune bei dir ist wie Aspirin bei Krebs”). Wie gut Weisheiten wie “Je schlimmer die Kindheit, desto besser der Sex” aus Lifehack (feat. Mehnersmoos) im echten Leben funktionieren, sei dahingestellt. Der Track schwankt ebenfalls zwischen Protzen, Promi-Tratsch und ganz, ganz viel schwarzem Humor.

Und dann sind da ja noch Songtitel, mit denen das Rap-Trio aus Berlin sicherstellt, dass selbst beim flüchtigen Blick auf die Tracklist kein Zweifel bleibt, worum es auf Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung in Wirklichkeit hauptsächlich geht: Sex, Sex, Sex, und zwar auch mit Tieren, Prostituierten, Toten und Blutsverwandten. K.I.Z. lassen hier die Interpretation von Rap wieder aufleben, in der es vor allem um die Frage geht, wer den Größten hat, am längsten kann und die meisten hatte. Natürlich wird das ironisch gebrochen und ist eher Schauspiel denn Überzeugung. Trotzdem merkt man dem Trio an, wie viel Spaß es dabei hat, in diese spätpubertäre Inkarnation zu schlüpfen. Man ahnt, wie viel Schenkelklopfen und “Derb, Alter” es gab, als Tarek, Nico und Maxim sich diese Texte gegenseitig vorgestellt und sich dann wohl auch zu immer krasseren Ideen angestachelt haben.

Lecken im Puff ist nur ein Beispiel für einen Songtitel (und -Inhalt), bei dem braven katholischen Eltern die Ohren schlackern dürften, vor allem, wenn sie merken, dass sie den Refrain nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Die Motivation heißt “Mein Leibgericht schmeckt überall, nur nicht bei Mutti / denn mein Leibgericht ist Pussy”, und das Prinzip heißt “Happa, happa und dann bunga, bunga.” Die Musik von Mein Penis könnte von Notorious BIG stammen, aber der hätte niemals einen so durchgeknallten Text hinbekommen. Fick deinen Arsch während du brennst inszeniert ebenfalls die ultimative Überlegenheit. “Für dieses Album kriege ich nachträglich Sechsen in Musik”, heißt es – ein Schulverweis wäre allerdings weitaus wahrscheinlicher.

Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung haben K.I.Z. erstens als Mixtape konzipiert und verschenken es zweitens als CD- oder Vinylbonus an die Erstbesteller des anstehenden Albums Rap über Hass. 16 der 17 Titel wurden von Drunken Masters produziert, es gibt dabei wenig Experimente, aber genug Abwechslung. Der Anfang und das Ende bieten im Sound die größten Überraschungen. Eishockey eröffnet die Platte mit einer sich immer weiter steigernden Orgel, wie sie beim Eishockey zum Einheizen des Publikums bei Spielunterbrechungen beliebt ist. “Ich leck deiner Frau unterm Tisch die Muschi während sie mit dir Schluss macht, Spast!”, ist eine der wunderbar arroganten Zeilen inmitten irrer Reime voller Gewalt, Todesdrohungen, Selbstbeweihräucherung, Provokation und Selbstironie. Man kann in diesem Opener einen Effekt beobachten, der sich dann immer wieder einstellt: K.I.Z. übertreten so zielsicher und brutal die Grenzen des guten Geschmacks, dass einem das Lachen vor lauter Schock im Halse stecken bleibt. Der Album-Abschluss Das alles ist Urlaub ist eher Spoken Word statt Rap, zu einem tiefenentspannten Backing Track zunächst fast ohne Beat – auch danach klingt die (in diesem Fall von Konrad Betcher produzierte) Musik einfach nur nach Sommerhit, der Track ist aber so böse wie der Rest.

Stunna666 (angekündigt als “Der einzige Rapper, den ich respektier'”) sorgt in Autobahntunnelfischmenschen für das einzige Feature neben dem schon erwähnten Lifehack. Der Track entpuppt sich als eine weitere Gewaltfantsasie zu einem Sound, der genau so kalt und grausam ist wie der Text. FBI und Interpol (“Bitte trennt das Werk vom Künstler, denn privat sind wir sehr viel schlimmer”) und die von Auto-Tune geprägte Single Berghainschlange zeigen, wie eingängig K.I.Z. sein können. Der erste Teil von Heliumballon wirkt wie ein Tagebuch direkt aus der Psychiatrie, dann verwandelt sich das Ganze plötzlich in Reggae. Liegestütze ist nahe an einer Ballade, auch wenn die große Liebe hier selbstverständlich ausschließlich dem Rapper selbst gilt: “Ich mach Liegestütze mitten im Club / trage teuren Pelz und glitzernden Schmuck / deine Freundin zieht sich aus und fickt mich kaputt / ich bin Tarek KIZ.” Katze beginnt mit einem Horror-Traum und ist danach auch nicht gerade konventionell, sondern gebaut um eine Klaviermelodie, als sei (wie der Text dann auch erläutert) eine Katze über die Tasten spaziert und hätte dabei zufällig Töne erzeugt.

Gelegentlich klingen auch die ernsthaften K.I.Z. durch, es gibt ein paar Anspielungen auf Putin, den Fall Oury Jalloh oder Attila Hildmann. Nicht zuletzt steckt in dieser satirischen Überhöhung von Gewalt, Materialismus, Sexismus und Machismo natürlich auch eine kritische Botschaft. In erster Linie soll Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung aber offenkundig Spaß machen – und das funktioniert nicht nur blendend, sondern auf einem Niveau, wie man es in dieser Variante von Deutschrap ewig nicht gehört hat.

Das Lyric-Video zu Berghainschlage.

https://www.youtube.com/watch?v=6Wb02XQQklU

Website von K.I.Z.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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