Morcheeba – “Blaze Away”

Künstler Morcheeba

Morcheeba Blaze Away Review Kritik
Die Einflüsse ihrer Anfangstage beleben Morcheeba auf “Blaze Away” wieder.
Album Blaze Away
Label Fly Agaric
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

Morcheeba haben ganz eindeutig Fernweh. Zum einen gehen sie demnächst auf die bisher größte Welttournee in ihrer mehr als 20-jährigen Karriere. „Es gibt immer noch Fans an Orten, an denen wir noch nie gespielt haben und die so lange darauf gewartet haben, uns zu sehen. Oder die uns gerade erst entdeckt haben – das ist irre“, wundert sich Sängerin Skye Edwards selbst ein wenig.

Auch das morgen erscheinende Album Blaze Away, das sie und Bandkollege Ross Godfrey dann im Gepäck haben werden, lässt die Lust auf ferne Gegenden erkennen, teilweise sogar bereits beim Blick auf die Tracklist. Sweet L.A. bietet nur ein Fender Rhodes und den traumhaften Gesang und zeigt, wie gut nicht nur die Stimme von Skye Edwards, sondern auch die Atmosphäre und Melodie (also die Komposition) sind. In Paris Sur Mer (mit Benjamin Biolay, der einen sehr brauchbaren Serge Gainsbourg abgibt) verlegen sie kurzerhand die französische Hauptstadt an den Strand und integrieren dazu passend einige mediterrane Elemente.

“Wir haben diesmal vielen der Einflüsse aus der Anfangszeit vom Morcheeba wieder mehr Raum gelassen. Vom Blues der 50er über Psychedelic-Rock aus den Sechzigern sowie Dub und Reggae der 70er bis hin zu Elektrosounds aus den Achtzigern und Neunziger-HipHop. Wenn es uns gefiel, haben wir es eingebaut“, sagt Ross Godfrey. Das Ergebnis ist ein Album, das zwar keine Weiterentwicklung und wenig Überraschungen bietet, aber sehr zuverlässig genau die Wohligkeit liefert, die wohl dafür sorgt, dass Morcheeba nach wie vor gefragt sind.

Die Single Never Undo, die Blaze Away eröffnet und zusammen mit Robert Logan entstanden ist, belegt das und legt zugleich den Verdacht nahe, dass die Band auch zuhause in London gerne von der Lust auf Strand und Urlaub ergriffen wird: Man meint, das Meer rauschen und die Möwen schreien zu hören. Der Beat ist gefiltert, die Gitarre zurückhaltend, der Bass am Dub geschult, und dann erklingt diese sagenhaft einschmeichelnde Stimme und singt „I could be the one / I could stop the rain from falling.“

Der folgende Titelsong verweist ebenfalls auf einen typischen Effekt dieses Albums: Spannung kommt hier, wenn überhaupt, dann durch die Gäste auf. Im sehr tanzbaren Blaze Away ist es Roots Manuva, der für etwas mehr Punch sorgt, für Morcheeba-Verhältnisse wird der Track sogar stellenweise heavy. It’s Summertime hat einen Text von Kurt Wagner (Lambchop) und könnte nicht unbeschwerter klingen, wenn es von einem Chor von Schmetterlingen mit einer Backing Band aus Seifenblasen intoniert würde. Mezcal Dream, ganz am Ende von Blaze Away platziert, wird verführerisch, abstrakt und weitgehend instrumental. Die Gitarre darin dürfte Mark Knopfler gefallen, ihre wenige Zeilen singt Skye Edwards in einer nicht zu identifizierenden Sprache.

In Find Another Way hält zumindest in der Strophe ein wenig Melancholie Einzug, die übliche Lässigkeit wird beinahe zur Trägheit, bevor der Refrain dann doch noch tröstet mit dem Versprechen: „It’s alright / we’ll survive.“ Auch im Love Dub ist der Text wieder halb-esoterische Erbauungslyrik, wie man sie sicher auch in Glückskeksen finden kann. Set Your Sails (da ist es wieder, das Fernweh!) wird zum einzigen Moment des Albums, in dem man am ehesten von all der Fluffigkeit genervt sein kann, weil der Song hier dann doch zu wenig Substanz hat.

Auch sonst sind einige Lieder einen Tick zu lang, insgesamt wahren Morcheeba fünf Jahre nach dem letzten Album aber einen mehr als ordentlichen Standard. Ihre Musik ist so etwas wie die akustische Entsprechung des Huggle, den es unlängst als „Das Ding des Jahres“ zu erwerben gab: eine garantierte Kuscheleinheit, eine Flucht in eine Welt ohne Widrigkeiten. Allerdings ist das Produkt aus dem Hause Morcheeba bei mehr als 10 Millionen verkauften Platten bisher deutlich erfolgreicher.

Morcheeba spielen It’s Summertime akustisch.

Diese Stationen gibt es im Rahmen der Welttournee in Deutschland.

08.05.18 – Docks (Hamburg)
09.05.18 – Gibson (Frankfurt am Main)
10.05.18 – Muffathalle (München)
31.07.18 – Zelt-Musik-Festival (Freiburg)
01.08.18 – Tollhaus Kulturzentrum e.V. (Karlsruhe)

Website von Morcheeba.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.