Nach der Hochzeit

Film Nach der Hochzeit

nach der Hochzeit Filmkritik Rezension
Jacob (Mads Mikkelsen) und Helene (Sidse Babett Knudsen) treffen sich nach 20 Jahren wieder.
Produktionsland Dänemark, Schweden
Jahr 2006
Spielzeit 119 Minuten
Regie Susanne Bier
Hauptdarsteller Mads Mikkelsen, Sidse Babett Knudsen, Rolf Lassgård, Stine Fischer Christensen
Bewertung

Worum geht’s?

Jacob arbeitet als Entwicklungshelfer in Indien und kümmert sich dort beispielsweise als Englischlehrer um Waisenkinder. Mit seiner Vergangenheit in Dänemark hat er abgeschlossen. Nun soll er aber für einen dienstlichen Termin kurz zurückkehren: Ein dänischer Millionär will Jacobs neues Waisenhaus-Projekt mit einer großzügigen Spende unterstützen. Er macht allerdings zur Bedingung, dass Jacob persönlich die nötigen Papiere unterschreibt und dazu nach Kopenhagen kommt. Dort angekommen, wird er zwar in einem luxuriösen Hotel untergebracht, aber die Unterschrift verzögert sich, weil noch Formalien zu klären sind und sein Vertragspartner Jørgen gerade viel um die Ohren hat: Seine Tochter Anna heiratet, und Jørgen lädt Jacob kurzerhand dazu ein. Bei der Feier wird Jacob klar: Die Frau von Jørgen ist Helene, seine Jugendfreundin, mit er er einst als Aussteiger nach Indien gegangen war, bis sich die beiden nach einem Streit trennten. Seit 20 Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen – auf Jacob wartet rund um die Hochzeit aber eine noch größere Überraschung, die seinen Aufenthalt in Dänemark unter völlig neue Vorzeichen stellt.

Das sagt shitesite:

Auf angenehme Weise altmodisch (man kann auch sagen: mit sehr klassischen Stärken) kommt dieser Film daher: Nach der Hochzeit lässt sich viel Zeit, um seine Wirkung zu entfalten, setzt auf exzellente Schauspieler und eine ruhige Hand bei Kamera und Inszenierung. Vor allem aber auf eine Handlung, die zunächst überraschend ist, bis sie am Ende sogar fundamentale Fragen unseres Menschseins betrifft.

Zunächst wirkt es, als solle hier eine Geschichte von Armut vs. Überfluss erzählt werden: Jacob lebt in Indien in einfachsten Verhältnissen, bei seinen sozialen Projekten fehlt das Geld an allen Ecken und Enden und nicht immer kann er das mit Hingabe und persönlichem Engagement wettmachen. Als er nach Dänemark kommt, wirkt der Lebensstandard dort befremdlich auf ihn, erst recht in Jørgens schwerreicher Familie. Viel mehr als mit diesem Clash der Kulturen kämpft der Eremit aber schon bald mit seiner Gefühlswelt, denn Nach der Hochzeit entspinnt rund um die Verhandlungen um die Millionenspende ein Netz von gleich drei äußerst (für Jacob) brisanten und (für den Zuschauer) spannenden Beziehungen.

Da ist einmal die Verbindung zu Helene. Das junge Paar ging wohl davon aus, zusammen alt zu werden, bis ein Krach zum plötzlichen Ende ihrer Liebesbeziehung und dem totalen Bruch führte. Als sie und Jacob sich wieder treffen, entsteht eine prickelnde Mischung aus Verkrampftheit und Vertrautheit. Derselbe Effekt, wenn auch unter anderen Vorzeichen, ist auch bei der Begegnung mit Helenes Tochter Anna zu beobachten.

Die dritte Beziehung ist die zu Jørgen. Die beiden Männer wirken zunächst wie Antagonisten: der eine prinzipientreu in seiner sozialen Arbeit, der andere ein gewiefter Geschäftsmann, der eine Träumer, der andere Macher. Jacob leidet sichtlich unter der vermeintlichen Abhängigkeit von der Gunst Jørgens, als er sich als Ehemann seiner Exfreundin erweist, wächst diese Abneigung noch. Die Skepsis und Kühle, mit der Jacob auf Jørgens Jovialität reagiert, entspricht dem befremdeten Blick auf das schockierende Wohlstandsgefälle zwischen seiner Wahlheimat Indien und seinem Geburtsland Dänemark. Doch nach und nach zeigt sich, dass die Machtverhältnisse zwischen den beiden Männern keineswegs so klar sind, wie sie scheinen und dass in Jørgens Bemühen um Jacobs Vertrauen, Sympathie und Respekt zwar tatsächlich eine gehörige Portion Manipulation und Schauspiel stecken, aber keineswegs als Versuch, ihn geschäftlich übers Ohr zu hauen. Vielmehr verbindet sie, ohne dass sie es wissen, eine Selbstlosigkeit, die der jeweils andere dem Gegenüber nicht glaubt.

So wird Nach der Hochzeit ein sehr kluges Psychogramm mit etlichen Szenen, die unter die Haut gehen. Und zur Geschichte zweier Männer, die jeder für sich die Tragik erleben von Zeit, die man nicht aufholen und von Abwesenheit, die man nicht wiedergutmachen kann.

Bestes Zitat:

Es gibt auch Leute, die Geld haben und Ideale.”

Der Trailer zum Film.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.