Night Moves – “Can You Really Find Me”

Künstler Night Moves

Can You Really Find Me Night Moves Review Kritik
Sehr sommerlich ist die Atmosphäre auf dem dritten Album von Night Moves.
Album Can You Really Find Me
Label Domino
Erscheinungsjahr 2019
Bewertung

Der Zweifel ist ein wichtiges Element auf dem dritten Album von Night Moves. Dass der Titel eine Frage enthält, ist bezeichnend, und viele der zehn Lieder auf Can You Really Find Me tragen ein Moment der Verunsicherung in sich. In Strands Align scheint Sänger John Pelant einem Ziel entgegen zu singen, von dem er selbst nicht weiß, ob es erstrebenswert ist. Bei Recollections packt Multiinstrumentalist Micky Alfano, der zweite Teil dieses Duos aus Minneapolis, auf die Töne jedes Instruments mindestens einen Soundeffekt, was in Kombination mit der hier sehr hohen Stimme einen Eindruck von gezähmter Ungeduld hervorruft. Saving The Dark strahlt eine Dringlichkeit aus, über der aber ein Schleier zu liegen scheint – ein sehr typischer Moment für diese Platte.

Vielleicht hat dieses Grundgefühl etwas mit der bisher etwas uneindeutigen Wahrnehmung von Night Moves zu tun. Ihr Debütalbum Colored Emotions (2012) wurde eher wohlwollend als begeistert aufgenommen, der stärker in Richtung Folkrock und Country neigende Nachfolger Pennied Days (2016) brachte ihnen etliche neue Fans, verprellte aber auch ein paar Anhänger. Glücklicherweise wirkt Can You Really Find Me nun, als hätte das Duo gerade in der Betonung des Zweifels inmitten von viel Leichtigkeit seinen Sound gefunden. „Sommermusik“ ist ein Wort, das in vielen Vorab-Kritiken auftauchte, neben Bezügen zu schrägen Pophelden wie Tame Impala, Fleetwood Mac oder MGMT.

Ribboned Skies lässt solche Vergleiche schnell einleuchtend erscheinen: Es schält sich aus einem instrumentalem Wabern heraus, bleibt auch insgesamt etwas psychedelisch und vergleichsweise dramatisch. Mexico eröffnet das Album mit viel Romantik und Wehmut, es geht um große Träume, die vom Alltag im Zaum gehalten werden, hinführend zur ernüchternden Erkenntnis: „They don’t know your dreams / until they’re stealing them away.“ Mit der sehr schönen Melodie, dem durchaus entschlossenen Beat und klassischen Liebeslied-Formulierungen wie „hold me“ oder „good love“ könnte man Coconut Grove fast für einen konventionellen Popsong halten, aber das Ergebnis klingt allenfalls wie eine verschrobene Variante von Phil Collins, weil da eine große emotionale Unsicherheit ist.

Die Lösung dafür kennt Can You Really Find Me natürlich auch, wie Keep Me In Mind sehr treffend zeigt. Night Moves artikulieren hier (und in etlichen weiteren Liedern) die Idee: Jemanden an seiner Seite zu haben, ist die einzige Möglichkeit, das Leben zu ertragen und zu meistern. In diesem Fall geschieht das mit himmlischem Harmoniegesang in schönster Crosby, Stills & Nash-Manier. Waiting For The Symphony lässt Streicher und Bass glänzen und setzt ebenfalls auf Musik als Trost, die am Ende immer wieder ein Flehen hervorruft: „Just tell me you love me.“

In Angelina ist nicht klar, ob John Pelant dieses „Oh, Angelina“ aus einer Position großer Nähe oder großer Entfernung an die Namensgeberin des Liedes richtet. Auch hier lässt sich wieder ein Vorbehalt erkennen, nämlich in Bezug auf die Dauerhaftigkeit der Liebe, der in diesem Falle auch auf dem Wissen um die eigene Unvollkommenheit beruht. Der Titelsong Can You Really Find Me bringt schließlich auf den Punkt, wie gekonnt Night Moves auf diesem Album mit Zwiespältigkeit spielen: Der große Wunsch nach Glück in der Zweisamkeit trifft auf einen noch größeren Zweifel, ob dieses Glück wirklich möglich ist.

Als Gangster betätigen sich Night Moves im Video zu Strands Align.

Night Moves bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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