Trailer Trash Tracys – “Althaea”

Künstler Trailer Trash Tracys

Trailer Trash Tracys Althaea Kritik Rezension
“Althaea” war ursprünglich als Soundtrack gedacht.
Album Althaea
Label Domino
Erscheinungsjahr 2018
Bewertung

So angenehm dieser Sound auch sein will, so sehr kann man doch verwirrt sein von der Musik der Trailer Trash Tracys. Der Auftakt Smoked Silver ist annähernd eine Kakophonie, in die ein paar einzelne Trommelschläge auch bloß scheinbar Struktur hineinbringen. Später klingt Casadora, als hätte jemand eine Operette aus den Geräuschen alter Computerspiele gemacht, oder Kalesa, als würden alle Instrumente und auch der Gesang frei vor sich hin improvisieren, nur sehr lose verbunden.

Glücklicherweise gibt es für Althaea gleich drei Hinweise, die bei der Orientierung unterstützen. Erstens hilft es natürlich, wenn man das Duo aus London bereits kennt, das 2012 sein erstes Album Ester veröffentlicht hat und nun nachlegt, mit dem eigenen Bewusstsein einer beträchtlichen Weiterentwicklung. „Wir haben damit definiert, was uns musikalisch ausmacht: abwechslungsreich, cinematisch und mit einer Neugier auf Pop“, sagen Susanne Aztoria (Gesang) und Jimmy Lee (Instrumente) rückblickend über das Debüt. „Dieses Album zu machen, war ein sehr wichtiger Prozess für uns – dass Althaea jetzt so reif klingt, wie es ist, wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen ohne die Fehler und die Schönheit von Ester.“

Zweitens verraten sie, dass ihr zweites Werk eigentlich als Soundtrack für einen Film des philippinischen Regisseurs Raya Martin geplant war, auch das erklärt die nicht nur esoterischen, sondern oft auch exotischen Sounds. Der Rhythmus in Siebenkäs wirkt wie aus einem uralten Volkstanz oder zur Untermalung eines Rituals aus einer fernen Weltgegend, die Melodie klingt wie aus einem auch nicht ganz taufrischen Musical, trotzdem passt es zusammen. Eden Machine, der vielleicht poppigste Moment auf Althaea, ist hörbar asiatisch geprägt, zu Beginn hektisch, dann mit Einsetzen des Beats gelassen und elegant etwa im Stile von Saint Etienne.

„Jimmy hat an seiner Gitarre und seinem Bass die Bünde entfernt, gegen Ende der Sessions hat er außerdem eine hawaiianische Steel Guitar gespielt“, erzählt Susanne Aztoria. Das Duo ließ sich zudem von Bei Bei Wang am Schlagwerk und Adam Betts (Three Trapped Tigers) unterstützen. „Wir haben uns viel Musik von Künstlern wie Tsugutoshi Goto und Mariah angehört, die uns dazu inspiriert haben, bisher für uns unbekannte Instrumente wie das Xylosynth, Wasser-Percussions oder Marimba-Vibraphine zu verwenden, die von Bei Bei teilweise programmiert und teilweise live gespielt wurden.“

Gong Gardens illustriert, welchen Effekt das hat: Der Track wird von seinem abstrakten Beat mit viel Percussions dominiert, dazu gibt es ein paar Synthieflächen, gelegentliche Gitarre und ätherischen Gesang. In Singdrome sind die Percussions fast mehr Dekor als Rhythmuselement, bevor nach rund zwei Dritteln des Lieds doch noch ein Beat daraus wird. „Unsere Musik hat sicher einige klassische, westliche Pop-Qualitäten, vor allem bei den Melodien. Aber um das zu auszugleichen, spielen wir mit den Rahmenbedingungen, strapazieren die Strukturen und den Takt so weit wie möglich“, erklären die Trailer Trash Tracys solche Reibungen sehr einleuchtend und verraten gleich noch eine Besonderheit ihrer Arbeitsweise: “Wir legen Schicht um Schicht an Instrumenten übereinander, in einem Verfahren von Versuch und Irrtum, und schauen dann, was passen könnte.“

Dass das ungewöhnliche Ergebnisse mit sich bringt, liegt auf der Hand, dennoch überraschen Stücke wie Betty’s Cavatina, in dem mehrere Stimmen à la Kate Bush kunstvoll ineinander verschoben werden, Money For Moondogs mit seiner mediterranen Gitarre (wenn es Jazz an der Riviera gibt, könnte er so klingen) oder der Rausschmeißer 100 Aspects Of The Moon, der instrumental bleibt und klingt, als würden dabei alle Instrumente von Enya gespielt.

Der dritte Hinweis ist die Zielvorgabe, die das Duo selbst für Althaea mit auf den Weg gibt: „Wenn die Leute diese Platte hören, wollen wir, dass sie an einen Ort transportiert werden, der romantisch, exotisch und ungewohnt ist, aber zugleich echt und gastfreundlich.“ Das funktioniert tatsächlich: Susanne Aztoria klingt auf Althaea nicht wie eine Trailer Trash Tracy, sondern wie eine verträumte Prinzessin auf der Erbse in einem sehr weitläufigen Palast.

Sphärisch und asiatisch ist auch das Video zu Eden Machine.

Website der Trailer Trash Tracys.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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