Tusks – “Live At The Village Underground”

Künstler Tusks

Tusks Live At The Village Underground Review Kritik
Das Beste aus den ersten beiden Alben vereint Tusks auf “Live At The Village Underground”.
Album Live At The Village Underground
Label One Little Indian
Erscheinungsjahr 2020
Bewertung

Emily Underhill hat sich für ihr musikalisches Schaffen nicht nur einen Namen ausgesucht, der nach einer ganzen Band klingt, sondern dafür auch einen sehr besonderen Begriff gewählt: Tusks bedeutet „Stoßzähne“. Wie passend das für ihre Musik ist, zeigt auch ihr erster Konzertmitschnitt. Live At The Village Underground wurde im November 2019 in ihrer Heimatstadt London aufgenommen und enthält die besten Songs ihres Debüts Dissolve (2017) und des zwei Jahre später veröffentlichten Nachfolgers Avalanche.

Dass sie so gefährlich und furchteinflößend klingen kann wie ein Stoßzahn, zeigt beispielsweise Be Mine. Darin wird die Frage „Do you want to be mine?“ gestellt wie eine letzte Mahnung. Last entwickelt sich von unscheinbar zu dramatisch, von selbstvergessen zu heavy. Die Trommeln zu Beginn von Peachy Keen zeigen die Lust auf ungewöhnliche Rhythmen, die den Track dann auch fortan prägen, und die man bei Tusks an vielen Stellen entdecken kann. Better That Way hat unverkennbar viel Biss, Druck und Wut im Bauch.

Viele andere Momente von Live At The Village Underground lassen erkennen, wieso die Musik von Tusks beispielsweise mit Sigur Ros, The XX oder Explosions In The Sky verglichen wurde. Toronto wird geheimnisvoll, reduziert und trotzdem vielschichtig, Mind kreiert mit ganz wenigen Mitteln eine einzigartige Atmosphäre. Einen so langsamen und schleppenden Beat zu so einem zentralen, wirkungsvollen Element zu machen wie in Foreign, ist eine Kunst, ebenso der Spannungsaufbau von Demon, der genauso schön ist wie der Moment, in dem sich diese Spannung entlädt.

Underhill selbst nennt als Einflüsse für ihr zweites Album unter anderem My Bloody Valentine, Foals, Marika Hackman, Wolf Alice und „a lot of female-led grungy guitar music“. Der Titelsong Avalanche unterstreicht das: Zunächst sind nur Gitarre und Gesang zu hören, bis es dann nach knapp 150 Sekunden den ersten Moment von Ausgelassenheit auf dieser Platte gibt. „I’ll bleach my soul“, singt Underhill in Bleach wie ein Mantra, ein paar wenige Keyboardakkorde werden von einem Chor begleitet, der größtes Verständnis für dieses Vorhaben zu haben scheint.

Man kann durch die Kombination von oft prominenter Gitarre und stets sehr dominierendem Gesang hier auch Verwandtschaft zu Anna Calvi oder Florence Welch erkennen. Akkorde und Melodie, auch die intensive Stimmung von London Thunder erinnern an Mad World (Tears For Fears). Salt wird packend, bewegend und stimmig, Delusion ist ein Song, in dem alle Stärken dieser Musik zusammenkommen. Dissolve hat die beste Melodie dieses Livealbums und zeigt ein weiteres Charakteristikum von Tusks: Alles ist Schmerz und Leidenschaft, aber es gibt auch Hoffnung und Trost.

Links und rechts (wo die Stoßzähne sind) steht der Chor in Bleach.

Website von Tusks.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und mittlerweile in der Wissenschaftskommunikation tätig. Auf Shitesite.de beschäftigt er sich als Hobby mit Musik, Literatur, Film, Popkultur und allem, was er der Welt mitteilen möchte. Er lebt (und zwar liebend gern) in Leipzig.

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