Künstler*in | Badly Drawn Boy |
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Album | About A Boy (Original Soundtrack) | |
Label | XL Recordings | |
Erscheinungsjahr | 2002 | |
Bewertung | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Man kann das durchaus mutig finden aus Sicht der Macher, erst recht mit einem Abstand von 20 Jahren: Da setzte Universal Pictures bei einer 30-Millionen-Dollar-Fimproduktion für die Musik nicht auf den üblichen Mix aus ein paar aktuellen Hits und charmanten Klassikern, sondern ließ einen eigenen Soundtrack komponieren, von einem (international) kaum bekannten Künstler, der zuvor gerade erst ein Album veröffentlicht hatte.
Es war auch mutig aus Sicht des Künstlers selbst: Damon Gough alias Badly Drawn Boy, damals 33 Jahre alt, hatte zwei Jahre zuvor für sein Debüt The Hour Of Bewilderbeast viel Lob erhalten, unter anderem einen Mercury Prize und gute Platzierungen in den Jahrescharts der besten Alben etwa bei Pitchfork und dem NME. Statt diesen Rückenwind für einen regulären zweiten Longplayer zu nutzen, ließ er sich darauf ein, hier 16 Stücke für eine romantische Komödie mit Hugh Grant in der Hauptrolle beizusteuern, die ihn im Zweifel einiges an Credibility hätte kosten können. Das spricht für Lust auf Risiko ebenso wie für Vertrauen in die eigenen künstlerischen Fähigkeiten.
Das Experiment ging letztlich auf. Der Film, basierend auf einem Roman von Nick Hornby, spielte mehr als das Vierfache seiner Produktionskosten wieder ein. Der Soundtrack landete auf Platz 6 in den UK-Charts und erreichte Platin-Status. Und für Badly Drawn Boy ergab dieser Auftrag die Gelegenheit, mit Produzent Tom Rothrock zusammenzuarbeiten, der auch schon den eindeutig geistesverwandten Elliott Smith unter seinen Fittichen hatte. Die treibende Kraft für diese Soundtrack-Idee war aber wohl Nick Horny selbst. Als der Autor ebenfalls im Jahr 2002 sein Songbook vorlegte, in dem er 31 Lieder vorstellte, die für ihn eine ganz besondere Bedeutung haben, war darin schließlich auch ein Lied von diesem Soundtrack-Album enthalten. Er ist also eindeutig ein Fan.
Hört man die Musik von About A Boy, erscheint diese damals so überraschende Verbindung im Rückblick nicht nur naheliegend, sondern fast zwangsläufig. Denn Damon Gough zeigt in diesen elf Stücken (vier davon sind fragmentarische Instrumentals mit je unter einer Minute Spielzeit) viele der Eigenschaften und Qualitäten, die auch die Werke von Nick Hornby auszeichnen: einen gerne schwarzen Humor, gelegentliche Experimentierfreude und eine mitunter schamlos offen zelebrierte Lust auf Romantik. Die Songs wissen sehr genau um ihre popkulturellen Wurzeln, sind manchmal etwas spinnert und in anderen Momenten erstaunlich weise („The joy is not the same without the pain“, heißt es in Something To Talk About; „I will take you as you are / please accept me as I am“, singt Badly Drawn Boy in Above You, Below Me, das nicht nur wegen des orchestralen Arrangements an Tim Buckley denken lässt).
A Minor Incident ist der erwähnte Song, den Nick Hornby für sein parallel erscheinendes Buch herausgesucht hat, und kann tatsächlich als Höhepunkt der Platte betrachtet werden angesichts einer herrlich individuellen Liebeserklärung, die ganz klassisch zu akustischer Gitarre und Mundharmonika vorgetragen wird: „You always were the one to make us stand out in a crowd / though every once upon a while your head was in a cloud / there’s nothing you could never do to ever let me down / and remember that I’ll always love you.“
Während Lieder wie die Instrumentals I Love N.Y.E. (schwelgerisch-schön) oder das kunterbunte S.P.A.T. (Elektronik, Blech- und Holzblasinstrumente und Gitarrenpicking werden hier wie für eine imaginierte Detektiv-Serie aus den 70ern zusammengebastelt) sicher nie ohne den Kontext des Films entstanden wären, könnte man sich die meisten anderen Tracks auch gut auf einer regulären Solo-Veröffentlichung von Badly Drawn Boy vorstellen. A Peak You Reach wird tatsächlich angedeutet funky und zeigt die seltene Mischung eines begnadeten Storytellers mit enormer Musikalität, bei Silent Sigh kann man Ähnlichkeiten zu Coldplay, Radiohead oder Travis erkennen – allesamt Acts, die damals oder später riesigen kommerziellen Erfolg hatten (und die Entscheidung von Universal damit vielleicht nicht mehr ganz so gewagt erscheinen lassen).
River – Sea – Ocean erweist sich als eine elegante Samba und ist zugleich so verspielt, dass es manchmal fast wie ein Kinderlied wirkt. Walking Out Of Stride ist fast nur eine Miniatur, aber umwerfend schön. Delta (Little Boy Blues) lässt ein diebisches Vergnügen an ungewöhnlichen bis abseitigen Klangspielereien erkennen, mit einem erstaunlich robusten Beat als Basis – diese Kombination kennt man auch von den Eels, die etwa auch in File Me Away mit dem Mix aus angetäuschtem Easy Listening und extra-versehrter Stimme anklingen.
Donna & Blitzen schließt die Platte glorios ab, mit einem beinahe unkitschigen Blick auf Weihnachten. Auch darin kann man eine weitere Parallele zwischen Nick Hornby und Damon Gough erkennen: Beide verlieren in ihrem Schaffen nie das Entertainment des Publikums aus dem Auge. Die größte Stärke der Filmmusik zu About A Boy wird dabei: Die Lieder sind so schön, wie man das in einer RomCom (die ja als kleinster gemeinsamer Nenner im Kinogeschäft gilt) erwarten konnte. Sie geben sich aber nie damit zufrieden, einfach nur gefällig zu sein.