Eels Mark Oliver Everett

Eels – „Beautiful Freak“

Künstler*in Eels

Eels Beautiful Freak Review Kritik
Das Debüt zeigt schon viele Charakteristika des Eels-Sounds.
Album Beautiful Freak
Label DreamWorks
Erscheinungsjahr 1996
Bewertung

Es gibt ein paar ziemlich vergiftete und makabre Komplimente auf diesem Debütalbum. Als Beautiful Freak möchte man nicht unbedingt bezeichnet werden, der Kosename My Beloved Monster dürfte auch nicht in jeder Liebesbeziehung gut ankommen. Und wenn Mark Oliver Everett, der Frontmann der Eels, ein Lied Flower nennt, dann ist die besungene Pflanze natürlich eine „flower in a hellstorm“. Aus all dem spricht eine Komponente, die auch heute noch die Musik dieser Band prägt: Everett weiß, wie sehr das Leben eine Plage, eine Last und eine Bedrohung sein kann. Er weiß aber auch um die eigene Schönheit, den eigenen Wert, den eigenen Zauber – wenn man erst einmal die richtige Person gefunden hat, die einen darin (und im Wissen um die Zerbrechlichkeit all dieser Attribute) bestätigt.

Flower zeigt auch gleich ein weiteres Charakteristikum, das 1996 genauso zentral war wie es heute bei den Eels ist: Die Dynamik dieser Lieder entsteht aus dem Spiel mit Erwartung und Enttäuschung, sowohl textlich als auch klanglich. Was auch immer man nach den ersten Sekunden von Flower mit diesem himmlischen Chor erwarten würde, es wäre niemals das Ausmaß an Weltschmerz, das sich dann tatsächlich ergießt. Spunky wird später todtraurig, aber auch ein Lied von fast klassischer Schönheit. In Guest List werden kleine Demütigungen zum Symbol einer großen Entfremdung; zugleich packt Everett dazu aber noch einen Hinweis auf den Auftrag zur Sinnsuche, die niemandem von uns erspart bleibt (auch nicht einem debilen Türsteher).

So nachvollziehbar und ursprünglich der Wunsch nach Beistand in My Beloved Monster ist „in a world that’s so damn mean“, so ungewöhnlich sind Auswahl und Zusammenstellung der musikalischen Mittel vom Banjo zu Beginn über schroffe Gitarren bis hin zu hübschen Flötenmelodien, was das Stück insgesamt wie eine explodierte Operette klingen lässt. „Prägnante Popsongs bilden das Rückgrat des Albums, doch gerade wenn man sich in dem Glauben wiegt, es handele sich bloß um eine weitere gewöhnliche Popgruppe, tauchen Anflüge von Verzweiflung und regelrechter Gemeinheit auf“, hat James Chrispell auf AllMusic diese Methode beschrieben.

Dass Everett, der zuvor zwei Alben als E veröffentlicht hatte und hier komponiert, musiziert, produziert und singt, damals als musikalisches Wunderkind gefeiert wurde, verwundert auch im Rückblick kaum. Zum einen liebt das Feuilleton kauzige Tpyen (Beautiful Freak sei „eine Liebeserklärung an das Unkonforme, Andere, an die, die nicht ins Bild passen“, hat beispielsweise Goetz Steeger bei Deutschlandfunk Kultur über die Platte angemerkt), zum anderen gab es einen beträchtlichen Hype, als Leute wie David Geffen, Lenny Waronker und Steven Spielberg die brandneue Plattenfirma DreamWorks Records aus der Taufe hoben, auf dem Beautiful Freak als zweites Album der Firmengeschichte veröffentlicht wurde.

Nicht zuletzt war dieser Sound anno 1996 unerhört, wie schon die Single Novocaine For The Soul als Auftakt der Platte zeigt: Da kommt zunächst ein Hip-Hop-Beat aus der Ferne, dann gesellt sich eine Spieluhr hinzu, später majestätische Streicher und eine Space-Rock-Gitarre. Schließlich erklingt diese erstaunlich brüchige Stimme und intoniert ausgerechnet die ersten Zeilen „Life is hard / and so am I.“ Diese Ästhetik haben Eels (damals noch bestehend aus E, Schlagzeuger Butch und Bassist Tommy, später in wechselnden Besetzungen letztlich ein Soloprojekt von Everett) mittlerweile auf 14 weiteren Studioalben zelebriert und auch etliche andere Acts haben sie adaptiert, aber damals war dieser Mix spektakulär, der Tom Waits ebenso touchierte wie TripHop, Soul-Klassiker genauso wie Vaudeville.

In Not Ready Yet kann man noch Reste von Grunge-Ästhetik erkennen. Vielleicht hätte tatsächlich Kurt Cobain solche Songs singen können, wenn er noch an etwas wie Lösungen, Hoffnung und dezenzenten Rap-Einflüssen interessiert gewesen wäre. Rags To Rags ist ausnahmsweise ein recht konventioneller Rocksong, auch wegen Zeilen wie „One day I’ll come though / my American Dream / and it won’t mean a fucking thing“ kann man da beispielsweise an Pearl Jam denken. Your Lucky Day In Hell bleibt ebenfalls recht eng innerhalb der Klang-Koordinaten, die damals üblich waren für leicht alternatives Pop-Rock-Songwriting (meinetwegen von den Wallflowers, Sheryl Crow, Everclear, Garbage, Alanis Morissette oder den Counting Crows) und untergräbt diesen Sound damit zugleich ironisch.

Diese Mischung aus Zynismus, Nonchalance und Eingängigkeit findet man in den zwölf Tracks der Platte immer wieder. Der Schluspunkt Manchild ist innig wie ein Gebet, ehrlich, hoffnungsvoll, ängstlich und demütig. Mental erlaubt sich ausnahmsweise ein bisschen Wut rund um die Zeilen „They say I’m mental / ´cause I’m not amused by it all“ und hat Lust, dabei auch klanglich fies zu werden. Der Titelsong ist niedlich, romantisch und poetisch, zugleich wird Beautiful Freak auch gespenstisch, durch die Bereitschaft zur völligen Hingabe ebenso wie durch die Soundästhetik. Es ist bei weitem nicht der einzige Song auf diesem Album, in dem man eine musikalische Entsprechung der skurrilen Faszination von Tim Burton oder des gruseligen Charmes von Six Feet Under erkennen kann.

Dass Beautiful Freak keine leichte Kost ist, liegt natürlich auch an Everetts Themen. Er ist dabei kein politischer Eiferer, moralischer Prediger oder notorisch selbstmitleidig. Es ist die schiere Beobachtung der Welt, die ihn zwangsläufig zur Kritik an der Welt führt. Susan’s House ist ein gutes Beispiel dafür. Vordergründig erzählt das Lied davon, wie er sich auf den Weg zu seiner Ex-Freundin machen möchte. Doch unterwegs trifft er aggressive Ausgestoßene und erschossene Teenager, streitende Rentnerprächen und Drogendealer. Die Musik dazu wirkt fast wie ein (ziemlich düsteres) Hörspiel, wobei man zunächst noch glauben könnte, der Reiz des Tracks würde bloß durch ein gut ausgewähltes Sample entstehen, bevor sich dann bei genauerer Betrachtung (ähnlich wie bei Beck) aber eine große Musikalität offenbar. In Summe verweist all das auf eine weitere wichtige Zutat im Gesamtwerk der Eels: den Trost, den man vielleicht nur noch bei den anderen Versehrten und Verrückten finden kann.

Die Special Effects im Clip zu Novocaine For The Soul sind womöglich auch von DreamWorks.

Website der Eels.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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